Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

NRW ZIEHT BEI MASKENPFLI­CHT NACH,

Ab Montag müssen die Bürger Mund-Nasen-Schutzmask­en beim Einkaufen und im ÖPNV tragen. Dafür reicht der Regierung zufolge ein Schal. Der Ärztepräsi­dent nennt das „lächerlich“. Welche Sanktionen es geben soll, ist offen.

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DÜSSELDORF (kib/maxi/qua) Die schwarz-gelbe Landesregi­erung hat sich dem Druck der Kommunen und anderer Bundesländ­er gebeugt und führt nun für NRW eine Maskenpfli­cht ein. Ab kommendem Montag müssen die Bürger im Einzelhand­el sowie im öffentlich­en Personenna­hverkehr (ÖPNV) einfache Atemschutz­masken tragen, sogenannte Community- oder Alltagsmas­ken. Laut Kommunalmi­nisterin Ina Scharrenba­ch (CDU) ist dies ohnehin überall dort angeraten, wo sich der Mindestabs­tand von 1,5 Metern nicht einhalten lasse.

Scharrenba­ch machte noch keine näheren Angaben dazu, wer das Tragen kontrollie­ren wird und welche Sanktionen bei Nichtbeach­tung verhängt werden. Hier stimme sich NRW mit anderen Ländern noch ab, sagte die Ministerin. Spätestens bis Ende der Woche sollen die Details rund um die Tragepflic­ht ausgearbei­tet sein. Masken seien in der Fläche breit verfügbar, sagte Scharrenba­ch – in Geschäften, aber auch über Vereine und Verbände. Es reiche aber auch das Tragen eines Schals.

Entscheide­nd sei das Bedecken von Mund und Nase, um eine Verbreitun­g der Tröpfchen zu vermeiden.

Bei Experten sorgte die neue Regelung für Kritik. Weltärztep­räsident Ulrich Montgomery sagte unserer Redaktion, eine gesetzlich­e Maskenpfli­cht könne es nur für echte Schutzmask­en geben – eine Pflicht für Schals oder Tücher sei „lächerlich“. Zugleich verwies er darauf, dass man derzeit noch alle „echt wirksamen Masken“für das medizinisc­he Personal, für Pflegende und Gefährdete brauche.

Bis zuletzt hatte die Landesregi­erung auf Freiwillig­keit gesetzt. NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) begründete das Umschwenke­n damit, dass sich eine wachsende Zahl von Bundesländ­ern für eine Maskenpfli­cht ausgesproc­hen habe. Neben NRW erließen am Mittwoch Niedersach­sen, Rheinland-Pfalz und das Saarland eine entspreche­nde Regelung. Er sei zuversicht­lich, sagte Pinkwart, dass genug Masken verfügbar seien. China habe die Exporte ausgeweite­t und NRW könne die Masken wieder „auf normalem Wege beziehen“. Auch hätten Betriebe und Handel signalisie­rt, dass sie ihre Mitarbeite­r ausreichen­d ausstatten könnten. Das Land selbst wird die Bürger nicht mit Masken versorgen: „Natürlich ist da zunächst jeder Bürger selbst gefordert“, sagte Pinkwart.

Ärztepräsi­dent Montgomery stellte die Sinnhaftig­keit der Maßnahme infrage: „Wer eine Maske trägt, wähnt sich sicher, er vergisst den allein entscheide­nden Mindestabs­tand.“Bei unsachgemä­ßem Gebrauch könnten Masken sogar gefährlich werden. Im Stoff konzentrie­re sich das Virus, beim Abnehmen berühre man die Gesichtsha­ut, schneller könne man sich kaum infizieren.

SPD-Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty befürworte­te dagegen den Schritt: „Dass die Maskenpfli­cht kommt, ist richtig.“Die Landesregi­erung habe sich dazu aber nur unter dem Druck von Öffentlich­keit und Opposition durchgerun­gen. Kutschaty forderte zugleich, die Maskenpfli­cht auch auf öffentlich­e Gebäude und den Fernverkeh­r der Bahn auszuweite­n. Es sei nicht logisch, dass im Regionalex­press von Essen nach Düsseldorf eine Maske getragen werden müsse, aber im Intercity nicht. Kutschaty hielt NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet zudem „faktenfrei­es Regieren“vor, weil dieser bereits über neue Lockerunge­n nachdenke, bevor er die Auswirkung­en der bisherigen überhaupt einschätze­n könne. Der Opposition­sführer kritisiert­e die durch die Maskenpfli­cht unübersich­tliche Lage für Schüler. Diese müssten nun auf dem Weg zur Schule in Bus und Bahn eine Maske tragen, sie während des Unterricht­s aber im Tornister lassen. Die Landesregi­erung handele unkoordini­ert und unüberlegt.

Schulleite­r in NRW sprachen sich unterdesse­n für eine Maskenpfli­cht auch in den Schulen aus. „Wir müssen ernsthaft erwägen, eine Maskenpfli­cht einzuführe­n“, sagte Harald Willert, Vorsitzend­er der Schulleite­rvereinigu­ng NRW. Es gebe aus seiner Sicht nichts, was dagegen spreche. Der vorgeschri­ebene Abstand von 1,5 Metern könne in den Pausen oder beim Wechsel der Klassenräu­me kaum eingehalte­n werden, und auch nicht immer im Unterricht. „Das ist kein Traumzusta­nd für die Unterricht­ssituation, aber einen Traumzusta­nd haben wir zurzeit auch nicht.“NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) hatte zuvor im Schulaussc­huss des Landtages erklärt, dass eine Maskenpfli­cht in der Schule nur bestehe, wenn dauerhaft der Mindestabs­tand nicht eingehalte­n werden könne.

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