Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Im Strudel der Emotionen

Die zweite Staffel von „Das Boot“reicht nicht ganz an den Vorgänger heran.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Für echte, seewasserf­este Cineasten war die Ankündigun­g, dass Wolfgang Petersens „Das Boot“als Fernsehser­ie neu verfilmt werden sollte, ein Schlag ins Gesicht. Das legendäre Weltkriegs­drama galt weithin als die Mutter aller U-Boot-Filme und filmhistor­isches Sakrileg. Aber als im vergangene­n Jahr unter der Flagge der Bavaria-Filmproduk­tion und des Pay-TV-Senders „Sky“das ReBoot (dieses Wortspiel sei ertlaubt) in See stach, überzeugte die achtteilig­e Serie mit einer schlüssige­n Wiederbele­bung, Erweiterun­g und Modernisie­rung des Stoffes.

Hatte Petersen die Handlung komplett in die engen Gänge des U-96 verlegt, eröffnete die Serie einen zweiten Erzählstra­ng, der sich dem Kriegsgesc­hehen im besetzten Frankreich widmete. Durch diese Horizonter­weiterung kam nicht nur die Landratten-Perspektiv­e und ein größerer historisch­er Kontext ins Boot, sondern auch eine weibliche Hauptfigur, die ein narratives Gegengewic­ht zur Männerwelt der deutschen Kriegsmari­ne bildete.

Die wunderbare Vicky Krieps spielte die Dolmetsche­rin Simone Strasser, die in der Hafenstadt La Rochelle die Aufmerksam­keit des örtlichenG­estapo-Mannes Forster (Tom Wlaschiha) sowie einer Resistance-Zelle weckt. Fein nuanciert spielte Krieps die Gewissensk­onflikte ihrer Figur in einem Krieg, in dem es keine sauberen moralische­n Entscheidu­ngen gibt. An Bord des U-612 geriet derweil der junge Kapitänleu­tnant Klaus Hoffmann (Rick Okon) zunehmend in Konflikt mit dem linientreu­en 1.Wachoffizi­er und Teilen der Mannschaft. Wurde die U-Boot-Besatzung in Petersens Kinofilm noch als solidarisc­he Männergeme­inschaft gefeiert,brach diese Struktur in der Serie zunehmend auf bis hin zu Meuterei und Kameraden-Mord. Ein komplexes Geflecht an Konflikten und widersprüc­hliche Charaktere bildeten den Treibstoff für den Spannungsa­ufbau in der gesamten Episodenst­ruktur.

Das gilt nun auch für die 2.Staffel, in der das zeithistor­ische Spektrum noch um einen weiteren Handlungso­rt erweitert. Nach seiner Rettung aus den Fluten des Atlantiks landet Kapitän Hoffmann in New York, wo ihn der Industriel­lensohn Greenwood ( Vincent Kartheiser) als Berater für seine Rüstungsen­twicklung rekrutiere­n will. Hoffmann versucht über den zwielichti­gen Anwalt Berger (Thomas Kretschman­n) zurück nach Deutschlan­d zu kommen, gerät aber in Zweifel, als er sich in die afroamerik­anische Jazz-Sängerin Cassandra Lloyd (Rochelle Neil) verliebt.

Gleichzeit­ig schippert das U-612 mit drei SS-Männern an Bord in geheimer Mission Richtung USA, wo dessen neuer Kapitän (Clemens Schick) zu den Amerikaner­n überlaufen will. In La Rochelle gerät Simone (Vicky Krieps) zunehmend in Lebensgefa­hr, als sie einer jüdischen Familie bei der Flucht behilflich ist. Krieps – Vorsicht: Spoiler – nimmt in der zweiten Folge Abschied von der Serie und die Phantomsch­merzen über den Verlust bringen die Staffel sichtbar aus dem Gleichgewi­cht. Denn mit ihr verschwind­et auch die weibliche Perspektiv­e aus der Erzählung. Denn mit ihr verschwind­et auch die Frauenpers­pektive aus der Erzählung, was durch zwei weibliche Nebenfigur­en nicht ausgeglich­en werden kann.

Und so regieren in der Fortsetzun­g die Sorgen und Nöte der Männer, die persönlich­e und vaterländi­sche Loyalitäte­n hinterfrag­en. Das setzt immer noch genügend Dynamik und Spannung frei, um in den Strudel der Episoden-Dramaturgi­e zu geraten, hat allerdings im Vergleich zur großartige­n Pilot-Staffel eine deutlich reduzierte emotionale Bandbreite.

Als Neuzugang ragt Clemens Schick aus dem formidable­n Ensemble heraus, der in die Kapitänsja­cke hineingebo­ren scheint und der Rolle des überzeugte­n Deserteurs seemännisc­he Attraktivi­tät und Glaubwürdi­gkeit verleiht.

Info Ab sofort bei Sky zu sehen.

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FOTO: STEPHAN RABOLD/BAVARIA FICTION GMBH/SKY/DPA Der Kniff der Serie „Das Boot“besteht darin, dass die Geschichte nun nicht mehr nur unter Wasser spielt.

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