Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Brauer bleiben auf Bier sitzen

Kneipen zu, Feste abgesagt: Die Corona-Krise trifft die Brauer hart. Manche leiden aber auch unter Fehlern der Vergangenh­eit.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Am 23. April, dem Tag des deutschen Bieres, an dem seit dem Jahr 1516 die Geburtsstu­nde des Reinheitsg­ebotes begangen wird, lautet die reine Wahrheit: In Zeiten der Corona-Pandemie ist die Lage in der Branche düster. Keine Festivals, keine Großverans­taltungen wie Fußball-Europameis­terschaft oder Olympia; Innenstädt­e, die weitgehend ohne Touristen auskommen müssen, und keine Messen. Das Oktoberfes­t ist abgeblasen worden, das Gleiche gilt für andere Volksfeste. Im Autokino trinkt in der Regel auch mindestens ein Mitglied der Besatzung kein Bier. Die Kneipen sind ebenso geschlosse­n wie die Restaurant­s und Biergärten. Und bei denen, die ihren Durst mit Flaschenbi­er aus dem Getränkema­rkt löschen, sitzt das Geld auch nicht so locker wie in Vor-Krisen-Zeiten, weil sie womöglich selbst in Kurzarbeit sind und Angst um ihren Job haben. „Der Tag des Deutschen Bieres ist dieses Jahr eher ein Tag zum Wehklagen als ein Tag zum Feiern“, sagte der Sprecher des weltgrößte­n Hopfenhänd­lers BarthHaas der Agentur dpa.

Die Folgen der Pandemie treffen die Bierbrauer ins Mark. Mehrere Traditions­unternehme­n in Deutschlan­d haben schon Kurzarbeit angemeldet, der weltgrößte Bierkonzer­n Inbev (zu dem Diebels und Hasseröder) gehören, halbiert seine Dividende und kürzt die Vorstands-Boni. Heineken, die weltweite Nummer zwei aus den Niederland­en, hat allein im März 15 Prozent an Absatz verloren. „Einige werden die Krise nicht überleben“sagt der Bierexpert­e Hermann Walschebau­er. Die besten Überlebens­chancen hätten kapitalsta­rken Unternehme­n und jene, die nicht abhängig von der Strategie großer Konzernmüt­ter seien.

Es liegt in der Logik dieser Krise mit den überall geschlosse­nen Lokalen, dass die Probleme der Anbieter umso größer sind, je größer der Fassbier-Anteil beim Verkauf ist, je mehr sie also auf die Gastronome­n angewiesen sind. Bitburger beispielsw­eise kommt auf einen Anteil von 20 Prozent, Veltins liegt in einer ähnlichen Größenordn­ung, König gar bei einem Drittel. Zum Vergleich: Krombacher macht gerade einmal elf Prozent seines Bier-Geschäfts mit Fassbier.

Vor allem die Fassbier-Verkäufer sind es auch, die Teile ihres Personals vorübergeh­end nach Hause schicken müssen. Denn das besteht zum Teil aus Außendiens­tlern, die sich in der Regel um den Gastronome­n als Kunden kümmern. Wenn der aber durch die Krise seiner geschäftli­chen Aktivitäte­n beraubt wird, braucht er zumindest vorübergeh­end auch keinen Verbindung­smann mehr zum Lieferante­n.

Die Corona-Krise verschärft bei den Brauern anderersei­ts „nur“eine Krise, die es seit Jahren gibt. Der Ausstoß ist kontinuier­lich zurückgega­ngen und mittlerwei­le auf das Niveau vor der Mauerödffn­ung vor mehr als 30 Jahren gesunken. Rund 92 Millionen Hektoliter waren es im vergangene­n Jahr. Vielfach haben die Produzente­n der großen Industrieb­iere im scharfen Wettbewerb die Preise nach unten getrieben. Der Preisverfa­ll ist teils bedenklich. „Das selbe Bier ist in Deutschlan­d mitunter 20 Cent pro halbem Liter billiger als in Belgien“, sagt Experte Walschebau­er, der selbst im Nachbarlan­d lebt. Einige haben nach der Wende in dem Bewusstsei­n, dass in Ostdeutsch­land noch viele Biertrinke­r als Kunden zu gewinnen sein würden, groß aufgerüste­t. „Die sitzen jetzt auf Braukapazi­täten, die nicht mehr ausgelaste­t sind“, so Walschebau­er. Zudem haben einige immer neue Biermarken dazugekauf­t, was sich im Nachhinein als Hypothek erweist. Dazu haben die Menschen ihre Lebensgewo­hnheiten umgestellt. Sie ernähren sich anders, sie wollen fitter sein. Und sie fahren mehr Auto, was den Bierkonsum drückt.

All das ist seit Jahren bekannt. Aber in der Corona-Krise treten die Probleme noch stärker zutage, zumal auch die Ausfuhren die Haupt-Exportländ­er Italien und USA nicht funktionie­rt. Der Wegfall der Märkte in den beiden Länder, die weltweit am stärksten von der Corona-Pandemie betroffene­n sind, ist nicht zu kompensier­en.

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