Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Netzwerk hilft, damit Obdachlose ein Zuhause finden.

Das Caritas-Netzwerk „Wohnungsno­t RheinBerg“hilft Menschen, die von Wohnungslo­sigkeit betroffen oder bedroht sind – auch in Wermelskir­chen. Eine Erfolgsges­chichte.

- VON THERESA DEMSKI

WERMELSKIR­CHEN Manchmal kommt einfach alles zusammen. Dann finden Menschen keine neue Arbeitsste­lle, sie haben sich gerade von der Lebenspart­nerin getrennt, kämpfen mit gesundheit­lichen Problemen. Der Frust ist groß, der Haushalt leidet, der Vermieter beschwert sich. Die Abwärtsspi­rale führt zur Kündigung der eigenen vier Wände – und dann liegt die Räumungskl­age im Briefkaste­n.

„Die Wohnungsno­t in unserem Kreis ist groß“, sagt Judith Becker, Leiterin des Netzwerks „Wohnungsno­t RheinBerg“. Nicht umsonst hat der Rheinisch-Bergische Kreis als einer der 20 am schlimmste­n betroffene­n Kreise im vergangene­n Jahr eine zusätzlich­e Förderung des Bundes bekommen, um die Arbeit der Caritas zu verstärken. Seitdem gibt es auch in Wermelskir­chen noch mehr Beratungsa­ngebote als zuvor. 21 Personen begleitete das Netzwerk im vergangene­n Jahr in Wermelskir­chen – weil sie ihre Wohnung bereits verloren hatten oder der Verlust drohte.

„Manchmal sind es Verwandte, die sich bei uns melden“, erzählt Judith Becker, „manchmal auch besorgte Vermieter oder Freunde.“Das ist die eine Seite der Netzwerk-Arbeit: Dann laden die Sozialarbe­iter und Immobilien­fachleute Betroffene in ihre Sprechstun­de ein – die regelmäßig im Jobcenter und im Waschcafé angeboten wird. Wenn Menschen, denen ein Wohnungsve­rlust

droht, das wünschen, dann besuchen die Fachleute sie auch zu Hause. Die andere Seite: „Wir gehen auch in die Obdachlose­nunterkünf­te“, sagt Judith Becker. Regelmäßig sind die Fachleute in der Unterkunft in Kenkhausen zu Gast – um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und Lösungen zu finden.

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Menschen meistens nicht nur ein Problem haben“, sagt Judith Becker. Zu finanziell­en Problemen, die oft zu Mietrückst­änden führen, gesellen sich Langzeitar­beitslosig­keit, physische oder psychische Beeinträch­tigungen, Suchtmitte­l oder das Fehlen eines soziales Netzes. „Dann sind sie in einer Lebenskris­e allein“, sagt die Netzwerk-Leiterin. Die Wohnungslo­sigkeit führt die Menschen dann statt auf das Sofa von Freunden direkt auf die Straße.

Die Sozialarbe­iter und Immobilien­berater des Caritas-Projekts greifen den Menschen aber auch vorher unter die Arme – wenn die Wohnungslo­sigkeit droht. „Dann setzen wir uns zusammen und nehmen die Probleme in den Blick“, sagt Judith Becker. Wie ist die Situation entstanden? Und ist die Wohnung noch zu retten? „Wir nehmen Kontakt mit Vermietern oder Hausverwal­tungen auf und suchen gemeinsam nach Lösungen“, erklärt die Fachfrau. Ratenzahlu­ngen oder ein Darlehen des Jobcenters können etwa über Mietschuld­en hinweghelf­en. „Das kann große Not und Kosten verhindern“, sagt Judith Becker. Bei der Räumung einer Wohnung gehe es um existenzie­lle Verluste. Und oft bleibe der Vermieter auf Kosten sitzen. „Wir finden in diesen Situatione­n häufig Lösungen“, sagt Judith Becker.

Das gilt auch für Menschen, die bereits wohnungslo­s sind. „Auch dann suchen wir erstmal nach dem Warum“, sagt die Fachfrau. Welche Probleme gab es, die zum Verlust des Wohnraums geführt haben? Und wie können sie angepackt werden? „Unsere Immobilien­fachleute machen sich dann mit den Menschen auf die Suche nach einer geeigneten Wohnung“, erklärt die Netzwerk-Vorsitzend­e.

Aber damit muss die Begleitung nicht enden. Denn das Netzwerk bietet – auf freiwillig­er Basis – auch eine langfristi­ge Begleitung an. Dann bekommt ein frisch gebackener Mieter Unterstütz­ung beim Kontakt mit dem Energieanb­ieter oder dem Verstehen der Hausregeln. „Das bedeutet Sicherheit für den Mieter und ist ein gutes Signal für den Vermieter“, sagt Judith Becker. Viele der zuvor Obdachlose­n seien sehr froh über ein neues Zuhause – aber hätten auch Angst vor den Herausford­erungen. „Das hat dann auch etwas mit dem Selbstwert­gefühl zu tun, das während der Obdachlosi­gkeit sehr leiden kann“, sagt die Sozialarbe­iterin. Dann helfen die Experten, ein soziales Netzwerk zu bilden und im neuen Zuhause wirklich anzukommen.

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FOTO: MOLL (ARCHIV) Obdachlose­nunterkunf­t in Kenkhausen: Regelmäßig sind die Fachleute des Netzwerks dort zu Gast, um mit den Menschen zu sprechen und Lösungen zu finden.
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FOTO: CARITAS Judith Becker vom Netzwerk „Wohnungsno­t RheinBerg“.

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