Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

China und das gläserne Portemonna­ie

Die Führung in Peking erprobt in vier Städten eine eigene Digitalwäh­rung. Für den Staat wird die Überwachun­g damit noch einfacher.

- VON FABIAN KRETSCHMER

PEKING Wer in den Geschäften der chinesisch­en Hauptstadt sein Portemonna­ie herauskram­t, der wird jetzt schon misstrauis­ch beäugt. Fast alle Einwohner der Stadt zahlen mit ihren Smartphone, vor allem die jungen Leute verzichten nahezu vollständi­g auf Papiergeld. Nun testet die kommunisti­sche Regierung der Volksrepub­lik sogar erstmals eine staatliche Digitalwäh­rung.

Das Pilotproje­kt läuft in vier Städten an: in Chengdu im Westen, in Xiong’an bei Peking, in der südchinesi­schen Tech-Metropole Shenzhen und in Suzhou bei Shanghai. Dort erhalten laut „Wall Street Journal“Teile der Regierungs­beamten die Hälfte ihrer Pendlerpau­schale in der Digitalwäh­rung ausgezahlt. Dafür mussten sie eine Smartphone-App installier­en, auf die das elektronis­che Geld überwiesen wird.

In sozialen Medien kursieren bereits Screenshot­s. Daraus gehen mehrere Funktionen hervor: Getätigte Finanztran­saktionen lassen sich in einem Menüfeld nachverfol­gen, und das Digitalgel­d kann auf ein existieren­des Bankkonto überwiesen werden. Die elektronis­che Währung soll durchaus Gemeinsamk­eiten mit Kryptowähr­ungen wie Bitcoin oder dem von Facebook geplanten Libra haben.

Das zentrale Grundprinz­ip jedoch, nämlich dass Nutzer von Bitcoins komplett anonym und für staatliche Behörden nicht nachvollzi­ehbar Transaktio­nen tätigen können, wird in China nicht gegeben sein. Ebenfalls wird die Währung von der Regierung zentral herausgege­ben, im Gegensatz zu den dezentral funktionie­renden Kryptowähr­ungen. Bis vor drei Jahren galt China mit seiner technikaff­inen und trendsensi­blen Bevölkerun­g als riesiger Markt für Bitcoin und Co. Dann jedoch verbot die Kommunisti­sche Partei in Peking das Spekuliere­n mit digitalen Währungen.

Weltweit arbeiten derzeit mehrere Regierunge­n an einer Digitalwäh­rung, darunter Kanada und Schweden. Chinas Anfänge reichen bis in das Jahr 2014 zurück. Der „digitale Yuan“hat dabei bislang noch keinen offizielle­n Namen und wird laut Angaben der Zentralban­k nicht in naher Zukunft landesweit eingeführt. Präsident Xi Jinping hat das Projekt „digitaler Yuan“jedoch im vergangene­n Jahr in mehreren Reden zur Chefsache erklärt, im Oktober sprach er sich für die Blockchain-Technologi­e aus, die den Kryptowähr­ungen zugrundeli­egt.

Damals hatte auch Yi Gang, der Vorsitzend­e der chinesisch­en Zentralban­k, das Motiv hinter der Einführung einer Digitalwäh­rung skizziert, nämlich die sukzessive Ersetzung des Bargelds. Ebenfalls könne ein elektronis­ches Zahlsystem dabei helfen, gegen Geldwäsche, Terrorfina­nzierung und Steuerhint­erziehung vorzugehen. Außerdem würden Finanztran­saktionen generell effiziente­r werden.

Die Nachteile liegen jedoch ebenfalls auf der Hand: Mit einer Digitalwäh­rung wird der gläserne Bürger in China zunehmend Realität, schließlic­h lässt sich jede Zahlung problemlos einsehen. Ohnehin unterhält die Volksrepub­lik bereits das wohl aufwendigs­te Überwachun­gssystem weltweit. Kaum eine Straße in Peking etwa ist ohne Überwachun­gskamera; von den Geräten werden immer mehr mit Gesichtser­kennungs-Software ausgestatt­et.

In den sozialen Medien gibt es zwar immer wieder Debatten über Privatsphä­re und Datensiche­rheit, doch der Großteil der Chinesen schätzt die Bequemlich­keit und Effizienz, die mit elektronis­chen Zahlungen einhergeht. Schon jetzt ist das Land auf dem Gebiet des „Mobile Payment“, also der Bezahlung per Smartphone, weit fortgeschr­itten: In praktisch jedem Eckladen lässt sich mit den Anbietern Wechat oder Alipay bezahlen, viele Geschäfte nehmen gar kein Bargeld mehr an. Auch Bettler oder Straßenmus­iker haben QR-Codes bei sich, mithilfe derer man Geldüberwe­isungen tätigen kann. Die Apps auf dem Handy sind dann wiederum mit regulären Bankkonten verknüpft.

Dennoch ist bislang unklar, ob die neue Digitalwäh­rung – sobald sie denn eingeführt wird – für den Konsumente­n überhaupt eine Änderung im Vergleich zu den mobilen Zahlungsme­thoden mit sich bringt.

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