Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Sein Torinstinkt begleitete ihn auf all seinen Stationen
Der Ex-Torjäger des FC Remscheid, Union Solingen und Radevormwald setzt auch in seiner Heimat Italien auf die Karte Fußball.
REMSCHEID/SOLINGEN Es ist nicht schwierig, ihn telefonisch zu erreichen. Wo soll Raffaele Apicella auch hin? Mal abgesehen vom Einkaufen und dem Gang zur Apotheke. Der einstige Torjäger des FC Remscheid, der Spvg. Radevormwald und des 1. FC Union Solingen ist ans Haus gebunden. Wie alle Italiener. „Es ist eine kritische Situation“, sagt der 46-Jährige, der gestern Geburtstag hatte. „Regelrecht dramatisch.“Das Corona-Virus macht dem Land extrem zu schaffen. „Es hat schon über 25.000 Tote gegeben“, berichtet Apicella.
Er trägt einen grauen Sportpullover. Im Hintergrund sind Pokale zu sehen. Moderne Kommunikationsformen machen es möglich, dass man sich beim Telefonat anschaut. Und die unmittelbare Umgebung des Gesprächspartners genau registriert. Apicella bewegte sich früher wie eine Schlange durch die gegnerischen Abwehrreihen, war schwierig auszuschalten und hatte einen ausgeprägten Torinstinkt. Der hat ihn stets begleitet. Er hat seine Tore überall gemacht. Beim FCR, wo er als 19-Jähriger bereits Oberliga-Erfahrung sammelte. Bei der Union, die er in der Saison 2001/2002 mit 24 Treffern in die Oberliga schoss. Und auch später in Rade, wo ihm in zwei Spielzeiten insgesamt 40 Tore gelangen. Bis vor drei Jahren hat „Api“noch Fußball gespielt. Und auch im gesetzteren Fußballeralter in „Bella Italia“seine Tore gemacht. Er ist schlank geblieben. Bloß die Haare liegen ein bisschen wirrer auf dem Kopf. Sei es drum.
Süditalien ist seine Heimat. Vor 15 Jahren ist er zurück in den „Stiefel“gegangen. Nach Corigliano in Kalabrien. „Gestern hatten wir 25
Grad“, sagt er. Genießen kann er die Temperaturen nicht. Apicella ist an die eigenen vier Wände gebunden. Wie alle seine Landsleute. „Bis zum 4. Mai dauert die Ausgangssperre noch“, weiß er. Was danach passiert, gilt es abzuwarten.
Die Regeln müssen streng eingehalten werden. Jeder, der das Haus verlässt, muss Bögen ausfüllen und Fragen beantworten. Wohin geht es? Wie lange dauert das voraussichtlich? Wer sich nicht daran hält, für den kann es teuer werden. Ganz abgesehen von möglicher Gesundheitsschädigung. Apicella lässt es nicht darauf ankommen. Freunde im Norden Italiens – in Mailand und Verona – haben bereits Angehörige verloren. Er will seine Lieben noch lange in der Nähe haben. Die Eltern wohnen nicht weit entfernt. Die Schwestern auch nicht.
Gleichwohl können die Tage lang werden. Der Blick aufs Meer aus der oberen Etage weckt Sehnsüchte. Es ist nur wenige 100 Meter entfernt. Hin kann er nicht. Fernsehen (vornehmlich Fußballspiele von früher) und Lesen – exorbitant ist die Abwechslung für Apicella nicht. Aber er hält durch.
Vor ein paar Tagen hat er mit Marcus Carl telefoniert, einem früheren Mitspieler in Remscheid und Rade. „Ich wusste gar nicht, dass er jetzt in München lebt“, staunt Apicella. Viele Kontakte sind nicht geblieben. Philipp Hündling hat ihn mal besucht. Auch einer, der für beide Clubs gekickt hat. Die Zeit vergeht, Dinge verändern sich. Als Apicella 2005 kurzfristig nach Italien gegangen war („Rades Manager Harald Elffering hat sich ganz schön über mich geärgert, weil ich gerade erst einen Vertrag bei der Spielvereinigung unterschrieben hatte“), hatte er eine Strandbude übernommen. Sie wird inzwischen von einer seiner Schwestern geführt.
Er konzentriert sich auf den Fußball. Als Trainer einer Bezirksliga-Mannschaft. Dazu arbeitet er in einer Fußballschule. Das reicht für den leidenschaftlichen Fan von Juventus Turin („Ich habe die Mannschaft zu Spielen nach Portugal, Frankreich und Spanien begleitet“) zum Leben. „Ich bin zufrieden“, sagt er. Und das bergische Fußball-Land? Vermisst er es nicht? „Ich wollte eigentlich im Mai für ein paar Tage zu Besuch kommen“, berichtet er. „Das wird jetzt verschoben.“Apicella winkt in die Handy-Kamera, sagt: „Schön, dass ihr mich nicht vergessen habt. Wir sehen uns.“