Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Unterricht in Mini-Besetzungen
Nach fünfeinhalb Wochen Zwangspause – inklusive Osterferien – starteten am Donnerstag wieder die weiterführenden Schulen. Aber unter besonderen Umständen.
Nach fünfeinhalb Wochen Zwangspause starteten die weiterführenden Schulen wieder mit Unterricht – unter besonderen Umständen.
HÜCKESWAGEN Thorsten Schmalt ist erstaunt und erfreut über seine Schüler, haben sie doch seine Markierungen auf dem Schulhof und der Zufahrt zur Realschule genutzt. Der kommissarische Schulleiter hatte im Baumarkt Farbe besorgt und damit Abstandslinien auf den Asphalt gemalt. Am Donnerstagmorgen standen die Zehntklässler dort brav in der Reihe, bevor sie das Innere betraten. Im Eingangsbereich hatte der Hausmeister mit zwei Tischen und einem Spritzschutz einen Kontrollbereich aufgebaut, an dem sich die Schüler erst einmal registrieren mussten. Nur für die Schüler der Abschlussklassen hat der Unterricht wieder begonnen – in Hückeswagen sind das neben der Real- und Montanusschule das Berufskolleg und die Erich-Kästner-Schule.
Überall finden sich in der Realschule Abstandsmarkierungen, sämtliche Türen sind geöffnet und mit Holzklötzen gegen das Zufallen verkeilt – alles Sicherheitsmaßnahmen wegen des Coronavirus. „Ich bin stolz auf meine Schüler“, versichert Schmalt. Alle seien „total diszipliniert“gewesen und hielten Abstand zueinander. Doch nur noch maximal ein Jahrgang könne auf diese Weise unterrichtet werden, betont der kommissarische Schulleiter. „Für mehr fehlen uns die Räume und das Personal.“Denn weil einige Kollegen zur Risikogruppe zählen, können nicht alle Lehrer an der Realschule eingesetzt werden.
Nadja Händeler (16) hat sich gefreut, die Klassenkameraden wiederzusehen. Sie hätte zwar für den Abschluss auch zu Hause lernen können, „aber die Erklärungen der Lehrer haben mir gefehlt“. Schülersprecher Fynn Frie hatte dagegen zu Hause Probleme mit Deutsch und Englisch, „weil es dabei viel um Interpretationen geht und man das nicht so einfach googlen kann“. Wie ihre Mitschüler haben sich beide mit dem Internetprogramm Google Classroom die schulfreie Zeit vertrieben. „Das digitale Lernen funktioniert gut“, hat der 16-Jährige festgestellt.
Emily Efremov ist froh, dass der Unterricht an der Montanusschule wieder begonnen hat. Nicht alle Aufgaben seien alleine zu schaffen gewesen, sagt die 16-Jährige. „Und ich will einen guten Abschluss machen.“Sophie Melasov (15) dagegen wäre lieber zu Hause geblieben, gesteht sie. Dennoch gefällt ihr der Unterricht mit nur der Hälfte der Klasse: „Mit 20 Leuten wäre es lauter, und wir könnten nicht so gut für die Prüfung lernen.“Beide sitzen, wie ihre Mitschüler und die Lehrer, mit Schutzmasken im Unterricht. Die will Sophie auch außerhalb der Schule tragen: „Wegen der Gesundheit“, betont sie.
Das Team um den kommissarischen Schulleiter Karlheinz Rennau hat viele Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. So werden etwa Computertastaturen mit Frischhaltefolie umwickelt und nach Ende der Arbeiten für den nächsten Nutzer mit einer neuen bespannt. Die Schüler hätten sich am Morgen „spektakulär gut“verhalten, lobt er. „Sie haben automatisch Abstand gehalten.“Noch am Mittwoch hatte der stellvertretende Schulleiter Klaus Kruska ein YouTube-Erklärvideo zu den Verhaltensregeln an der Schule herumgeschickt. Unterrichtet wird aber nur jeweils eine Hälfte der Abschlussschüler: An einem Tag kommt die eine, am anderen die andere zum Unterricht. Mehr als ein weiterer Jahrgang kann aber auch an der Montanusschule nicht unterrichtet werden, sollten die Schutzmaßnahmen in dieser Form aufrechterhalten werden.
Am Berufskolleg büffeln sechs Abiturienten – je drei Kaufleute und Techniker. Dabei ist bislang keine Stunde ausgefallen: „Wir haben Online-Unterricht gemacht, und die Qualität war gut“, bestätigt Dr. Alexander Geist, Leiter Kaufmännische Ausbildung. Der digitale Unterricht
habe sich bewährt. Das sehen auch Selina Stratemeyer (19) und Anna Zang (20) so. Letzlich käme das aber aufs Fach an, sagt die Jüngere: „Deutsche und englische Texte schreiben geht auch zu Hause. Aber Mathe kann man besser an der Tafel erklärt bekommen.“Den Unterricht genießt Anna Zang vor allem deshalb, weil die sozialen Kontakte weniger geworden waren. „Es ist schön, die anderen wieder zu sehen.“
An der Erich-Kästner-Schule (EKS), Hauptstandort der Förderschule Nordkreis, werden acht Abschlussschüler unterrichtet. Zuvor hatten Schulleitung und Lehrer einen festen Raum- und Sitzplan für die Jungen und Mädchen ausgearbeitet. „Unterrichtet wird nun in „ganz kleinen Gruppen“mit zwei bis maximal neun Schülern, erläutert Stephanie Langmesser, die stellvertretende Schulleiterin. „Das ist eine gute Prüfungsvorbereitung.“Noch ein Jahrgang könnte unter diesen Umständen an der EKS unterrichtet werden – im Gespräch ist das vierte Schuljahr. „Aber dann kämen wir an unsere Kapazitätsgrenzen.“