Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Das Land garantiert Hygienemit­tel“

Die Schulminis­terin sagt, wie es mit den Schulöffnu­ngen in NRW weitergehe­n soll und wo der Videoblogg­er Rezo daneben liegt.

-

DÜSSELDORF Neben dem Gesundheit­sressort ist das Schulminis­terium im Zentrum der Krisenbewä­ltigung in NRW. Damit alles in einen Tag passt, steht Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) morgens noch früher auf als sonst. Das Interview findet per Telefon am späten Nachmittag statt.

Frau Gebauer, der Unmut über die Schulöffnu­ngen reißt nicht ab. Welche Fehler haben Sie gemacht? GEBAUER Wir lernen in dieser Pandemie jeden Tag dazu, denn die Situation ist für alle völlig neu. Richtig ist, dass wir einen anderen Weg eingeschla­gen haben, als Opposition und Gewerkscha­ften dies wünschten. Wir haben uns aber strikt an die Bund-Länder-Vereinbaru­ng gehalten. Auch in anderen Bundesländ­ern sind die Schulen seit Montag, dem 20. April, geöffnet, teilweise wurden sogar schon Abiturprüf­ungen geschriebe­n. Der große Unmut hat sich an den ersten Schultagen nicht gezeigt.

Warum gaben Sie den Schulen nur drei Tage Vorbereitu­ngszeit? GEBAUER Den Kreisen und Kommunen als Schulträge­rn war seit Mitte März bekannt, dass sie die Schulen über die Osterferie­n auf den „Neustart“vorbereite­n sollten. Durch die Vorschrift­en in Zeiten von Corona ist es so, dass sich manche Defizite im Bereich der Hygienesta­ndards an den Schulen leider nun umso stärker zeigen. Am 16. April haben im Gespräch die kommunalen Spitzenver­bände gegenüber der Landesregi­erung aber zugesicher­t, dass sie es schaffen, bis zum 23. April die Hygieneund Abstandsre­geln umzusetzen. Ihre Sorge war, dass es nicht genug Desinfekti­onsmittel gebe. An dieser Stelle aber unterstütz­t das Land die Kommunen mit einer Beschaffun­gsgarantie. Ich glaube, dass noch nie so viel für die Hygiene und die Sauberkeit in den Schulen getan wurde wie in den letzten Wochen.

Warum fallen die Prüfungen nicht aus?

GEBAUER Ich möchte auch in Zeiten einer Pandemie dem Beschluss der Bundesländ­er in der Kultusmini­sterkonfer­enz folgen. Alle Bundesländ­er wollen auch in diesem Jahr Abschlüsse auf der Grundlage von Prüfungen erreichen. Unseren Schülern könnte durch ein Ausscheren, also einem Alleingang von NRW, später ein Nachteil entstehen. Das möchte ich nicht, denn sie sollen zum Beispiel auch an Universitä­ten anderer Bundesländ­er studieren können und die gleichen Chancen haben wie alle anderen jungen Menschen in Deutschlan­d.

Der Videoblogg­er Rezo behauptet, dies sei kein Problem…

GEBAUER Ich finde es völlig in Ordnung, dass Politiker in einer Demokratie aus der Gesellscha­ft heraus kritisiert werden, so auch von Youtubern, die einen anderen Anspruch an ihre Videos haben können als zum Beispiel Journalist­en. Ein Beispiel: Es wird in dem Video behauptet, wir würden die Zentralen Prüfungen ZP10 entfallen lassen. Richtig ist, sie werden durch dezentrale landesweit­e Prüfungsar­beiten ersetzt. Man kann alle Fakten auf unserer Homepage nachlesen. Und über die Ausdrucksw­eise im Video kann und mag sich jeder sein eigenes Urteil bilden.

Müssen die Schulen wieder schließen, wenn ein Corona-Fall auftritt? GEBAUER Darüber entscheide­t dann wie bisher die Gesundheit­sbehörde vor Ort. Anhand der Sitzordnun­gen kann nachvollzo­gen werden, wer mit wem Kontakt hatte. Das erleichter­t es, Infektions­ketten zu ermitteln.

Wie geht es jetzt weiter?

GEBAUER Geplant ist, dass frühestens ab dem 4. Mai die Viertkläss­ler in die Schulen zurückkomm­en, sofern die Infektions­zahlen das zulassen. Möglich und sinnvoll wären nach dem Beschluss der Bundeskanz­lerin und der Ministerpr­äsidenten

zudem auch jene Schüler, die im nächsten Jahr ihre Abschlüsse machen. Wir haben den Anspruch, bei strenger Einhaltung des Gesundheit­sschutzes zügig weitere Jahrgangss­tufen – auch unter dem wichtigen Punkt der Bildungsge­rechtigkei­t – wieder in die Schulen zu bekommen. Da sich unter anderem auch die angespannt­e Situation in unseren Krankenhäu­sern deutlich verbessert hat, konnten wir die Notbetreuu­ng am Wochenende, die zu weniger als vier Promille nachgefrag­t wurde, wieder aufheben.

Was folgt danach?

GEBAUER Dazu erarbeiten wir derzeit ein Konzept, besprechen die Vorstellun­gen der Länder in dieser Woche in der Kultusmini­sterkonfer­enz und stimmen diese ab. Nicht alle 16 Bundesländ­er werden zeitlich einen deckungsgl­eichen Weg beschreite­n. Dazu sind die Unterschie­de zwischen den Ländern zu groß.

Welchen Weg beschreite­t Nordrhein-Westfalen?

GEBAUER Mein Ziel ist es, dass jede Schülerin, jeder Schüler, bis zu den Sommerferi­en wieder anteilig in der Schule sein wird. Anteilig deshalb, weil die Abstandsre­gel eingehalte­n werden muss und wir somit mehr Klassenrau­m benötigen und nicht alle Kinder zum selben Zeitpunkt beschulen können. Dazu gibt es mehrere Optionen. Eine Möglichkei­t wäre ein tageweise rollierend­es Verfahren. Somit gäbe es in den kommenden Wochen einen Mix aus Präsenzunt­erricht und Lernen auf Distanz. Auch für das anstehende Vorgehen und die abschließe­nde Entscheidu­ng ist der Sachversta­nd und das Fachwissen der Expertinne­n und Experten Grundlage, immer zum Wohle der Gesundheit unserer Schülerinn­en und Schüler, aber natürlich auch der Lehrkräfte.

KIRSTEN BIALDIGA FÜHRTE DAS INTERVIEW.

 ?? FOTO: DPA ?? Was darf‘s sein? NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer posiert mit Desinfekti­onsmitteln, Handschuhe­n und Masken für ein Foto.
FOTO: DPA Was darf‘s sein? NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer posiert mit Desinfekti­onsmitteln, Handschuhe­n und Masken für ein Foto.

Newspapers in German

Newspapers from Germany