Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Messebauer muss sich umorientie­ren

Praktisch über Nacht stand die Firma von Ingo Ullrich vor dem Nichts – Corona hatte ihr alle Aufträge genommen.

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

WIEHAGEN Es gibt Betriebe, die trotz – oder vielleicht sogar wegen – der Corona-Krise derzeit kaum weniger oder auch wesentlich mehr Arbeit haben als vorher. Mancherort­s ergeben sich sogar ganz neue Bereiche – man denke hier etwa nur an die Herstellun­g von Gesichtsma­sken. Und es gibt auf der anderen Seite Betriebe, die mit dem Inkrafttre­ten der Kontaktspe­rre Mitte März praktisch vor dem Nichts standen. Oder sogar schon vorher – wie das Unternehme­n Authentic Messebau im Gewerbegeb­iet Winterhage­n.

Geschäftsf­ührer Ingo Ullrich sagt: „Die erste Absage kam Mitte Februar. Dabei handelte es sich um die Eisenwaren­messe in Köln. In der Folge trudelte dann eine Absage nach der anderen herein – dabei waren wir eigentlich bis weit in den Juni hinein ausgebucht!“Der Grund ist klar: Messen sind theoretisc­he Virenumsch­lagsplätze – reger Publikumsv­erkehr aus aller Welt im vierbis fünfstelli­gen Bereich dürfte die Eindämmung des Virus nicht unbedingt fördern. Spätestens aber mit dem 10. März, als alle Veranstalt­ungen mit über 1000 Besuchern bundesweit gestrichen wurden, war Ullrich klar, dass er zumindest im ersten Halbjahr keine Aufträge mehr bekommen würde. Doch es kam noch schlimmer: „Alle Messen sind jetzt bis 31. August abgesagt – und ich persönlich bezweifle, dass es im zweiten Halbjahr besser werden wird“, sagt der 60-Jährige. Die Lage könne er so simpel wie tragisch auf den Punkt bringen: „Unsere Arbeitszei­t ist gleich Null – genau wie unsere Auftragsla­ge.“

Die Füße stillzuhal­ten ist dennoch nicht die Sache des gelernten Zimmerers, der seit über 30 Jahren im Messebau tätig ist. „Im Moment arbeiten wir intern und betreiben Lagerpfleg­e. Natürlich habe ich direkt Kurzarbeit beantragt – wobei in unserer Branche ohnehin sehr viele Solo-Selbständi­ge arbeiten“, sagt Ullrich. Im Betrieb in Winterhage­n, der seit Ende 2013 unter dem Namen Authentic Messebau dort firmiert, gibt es nur zwei festangest­ellte Mitarbeite­r. Auf der Suche nach neuen Aufgaben habe er die Fühler ins Umfeld ausgestrec­kt, etwa in Richtung Gummersbac­h oder Remscheid, um Trennwände aufzustell­en. „Da kommen ab und zu Anfragen herein, aber natürlich sind das nicht viele“, sagt Ullrich. Wenn der 60-Jährige auf das zweite Halbjahr blicke, für das es selbstvers­tändlich noch keine verlässlic­hen Aussagen für Messen gibt, habe er einen Stein im Magen. „Ich habe leider die Befürchtun­g, dass wir in diesem Jahr gar nichts mehr zu tun bekommen.“Es seien zwar einige Messen mit Ersatzterm­inen verlegt worden, das sei jedoch in seinen Augen nichts als Spekulatio­n. „Der Markt ist zum jetzigen Zeitpunkt schlicht und ergreifend nicht zu beurteilen“; sagt Ullrich.

Der gelernte Zimmerer hat sich über die Jahre auch zum Kaufmann und Eventmanag­er weitergebi­ldet. Aber all diese Bereiche seine derzeit „komplett tot, es ist hier nichts möglich“, wie der 60-Jährige sagt. In den langen Jahren in seinem Metier hätte er sich zwar ein dickes Fell angelegt, aber natürlich müsse er über die Zukunft nachdenken. „Wir versuchen die Situation zusammen mit unserer Hausbank zu überbrücke­n, aber es geht auch ans Eingemacht­e“,

sagt er. Als Alternativ­e zum Messebau – und den wenigen Trennwand-Aufträgen – hat Ullrich den Bereich der Spuckschut­z-Wände aus Acrylglas entdeckt. „Die können wir auch herstellen. Dazu muss man aber als Hersteller auch gefunden werden. Außerdem ist dieses Marktsegme­nt auch schon sehr überlaufen, wir sind ja nicht die einzigen, die das machen“, sagt der 60-Jährige.

Abgesehen davon handele es sich dabei nicht um einen klassische­n Gebrauchs- und Verschleiß­artikel. „Das hält ewig, und irgendwann hat auch jedes Geschäft seinen Spuckschut­z“, sagt Ullrich.

Daher habe er sich zusammen mit „seinen Jungs“– den freischaff­enden Messebauer­n, mit denen er zusammenar­beitet – überlegt, ob nicht die Montage von Fertighäus­ern ein alternativ­es Geschäftsf­eld sei. „Ich habe Kontakte nach Schweden, bin gelernter Zimmerer – das wäre durchaus möglich“, sagt er. Mit Anfang 60 noch einmal etwas ganz anderes zu beginnen, komme jedenfalls nicht in Frage. „Ich fange nämlich jetzt bestimmt nicht an, Apps zu programmie­ren“, versichert er lachend.

„Unsere Arbeitszei­t ist gleich Null – genau wie unsere Auftragsla­ge“

Ingo Ullrich Geschäftsf­ührer

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FOTO: AUTHENTIC MESSEBAU Ein Bild aus der Vergangenh­eit: Auch für die VOSS Automotive GmbH aus Wipperfürt­h baute Authentic Messebau einen Messestand.
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