Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Rührstück
Risotto zählt zu den Spezialitäten der norditalienischen Küche. Ganz leicht zuzubereiten ist er nicht. Ein Küchenmeister aus Südtirol erklärt, wie es auf jeden Fall gelingt.
Ohne Risotto ist die italienische Küche kaum vorstellbar. Das Breigericht aus Reis kommt dort in unzähligen Varianten auf den Tisch, die allesamt zu begeistern vermögen. Hierzulande ist es nicht ganz so verbreitet, weil es Hobbyköchen zu viel Geduld und Einsatz abverlangt. Genauer gesagt: rühren, rühren, rühren. Aber auch, wer ständig mit dem Kochlöffel zugange ist, kann bei der Zubereitung einiges verkehrt machen. Heinrich Gasteiger kennt die Tücken ganz genau. Der Küchenmeister und Kochfachlehrer aus Lana bei Meran hat gemeinsam mit Gerhard Wieser und Helmut Bachman das prämierte Kochbuch „33 x Risotto“(Athesia, zwölf Euro) geschrieben. Im Gespräch erklärt er, wie der Risotto auf jeden Fall gelingt.
Für den Italiener kommen nur drei Reissorten in Frage: Arborio, Vialone Nano und Carnaroli. „Diese Rundkornreis-Sorten haben die perfekte Stärkezusammensetzung und sorgen so dafür, dass der Risotto cremig und sämig wird“, sagt Gasteiger. „Genau, wie er sein sollte.“Persönlicher Favorit des Südtirolers ist die Sorte Carnaroli, weil dieser Reis seine Form und Textur auch gegenüber den beiden anderen Risotto-Sorten besonders gut bewahrt. Carnaroli-Reis sei einfach zu garen und verkoche nicht, erklärt Gasteiger. „Es geht allerdings um Nuancen, und bei einer Blindverkostung hätte man wohl Schwierigkeiten, die drei Reissorten voneinander zu unterscheiden.“Letztlich passe also jede der drei Sorten.
Im ersten Arbeitsschritt müssen klein geschnittene Zwiebeln goldgelb angeschwitzt werden. Dies sollte bei nicht zu hoher Hitze passieren. Wichtig seien zwei Dinge, sagt Gasteiger. Das Anschwitzen muss unter ständigem Rühren geschehen, und man sollte die Zwiebeln nicht zu lang auf dem Feuer haben. „Beides dient demselben Zweck: Die Zwiebeln dürfen keine Farbe annehmen, sie dürfen nicht verbrennen.“Dies würde den Geschmack verfälschen und dem Risotto eine dunkle, unansehnliche Note geben. Wenn die Zwiebeln schon weich sind, aber noch nicht goldgelb, kommt der Reis für ein paar Minuten zum Anglasieren hinzu. Auch dabei lauern Fallstricke. Gasteiger: „Der Reis darf während des Anglasierens nie am Topfboden liegenbleiben, sondern muss unter ständigem Rühren glasig werden – und ja nicht braun.“Dann wird mit Wein abgelöscht, der Wein wird einreduziert, und jetzt erst kommt die Brühe dazu.
Wichtig ist laut dem Südtiroler Küchenmeister, dass man eine neutrale Brühe verwendet, eine also, die dem Risotto nicht einen Geschmack gibt, der von den anderen Zutaten abweicht. Kommt Gemüse in den Risotto, verwendet man eine Gemüsebrühe, verwendet man Fisch oder Meeresfrüchte, ist eine Fischbrühe optimal. Bei Risotti mit herzhaften Zutaten kann es auch eine Fleischbrühe sein. „Die Brühe muss heiß sein, das ist entscheidend“, erklärt Gasteiger. Nur so quellen die Reiskörner optimal, während eine kalte Brühe den Garvorgang unterbricht. „Und das nimmt uns der Risotto übel.“Grundsätzlich müsse man sich vor Augen halten, dass ein Reiskorn während des Garens auf das Fünffache seines ursprünglichen Volumens aufquelle. Das heißt nichts anderes, als dass der Reis die Brühe aufnimmt wie ein Schwamm. „Schon allein durch diesen Effekt zeigt sich, wie zentral die richtige Brühe für den perfekten Risotto ist“, sagt Gasteiger.
Mindestens genauso zentral ist aber das Rühren. Ein Risotto zu kochen sei fast schon wie ein Workout, scherzt der Italiener. Schließlich müsse man den Reis ständig rühren. „Die Betonung liegt auf beidem: auf ,ständig‘ und auf ,rühren‘“, sagt Gasteiger. „Das bedeutet, man darf den Risotto nicht aus den Augen lassen, und zugleich muss man dafür sorgen, dass er ständig in Bewegung bleibt.“Das verhindere nicht nur das Anbrennen, sondern sorge auch dafür, dass sich die Stärke optimal löse und so die cremige Konsistenz des Risotto freisetze. Statt zu rühren, könne man den Risotto aber auch schwenken. „Das ist die Methode all’italiana – aber leider auch nicht weniger anstrengend.“
Zum Schluss folgt das „Mantecare“– der Begriff steht im Italienischen für „cremig rühren“. Was man dafür braucht, ist Butter, geriebenen Parmesan und einen Kochlöffel, am besten einen aus Holz mit einem Loch in der Löffelkelle. Butter und Parmesan kommen kurz vor Ende der Garzeit in den Risotto, werden gut eingerührt und sorgen dafür, dass das Gericht sämig wird. „Bei Risotto mit Fisch und/oder Meeresfrüchten sollten Sie übrigens auf den Parmesan verzichten“, sagt Gasteiger. „Er hat einen zu kräftigen Eigengeschmack, der sich mit dem Geschmack nach Meer beißen würde.“
Vor dem Servieren sollten die Risotti noch ein paar Minuten ausruhen. Der Geschmack kann sich so noch besser entfalten. „Übertreiben Sie’s aber nicht mit dem ziehen lassen“, empfiehlt Gasteiger. „Der Reis wird dann nicht nur kalt, man riskiert auch, dass er verkocht, weil er durch die Hitze im Topf noch nachgart.“
Und welche speziellen Tipps hat der Profi, damit der Risotto gelingt? „Der wichtigste Rat lautet: Verwenden Sie gute Zutaten!“, sagt Gasteiger. Das gelte für die Auswahl der Reissorte, für die Brühe, für alle Ingredienzien. Was oft unterschätzt werde, ist der Wein. „Verwenden Sie nur solchen, den Sie auch trinken würden, der also weder korkt noch abgestanden ist.“Das gelte generell beim Kochen. Bei den Zwiebeln könne man ruhig mal zu Schalotten greifen, weil sie den Risotto weicher im Geschmack machten. Gasteiger: „Die wichtigste Zutat beim Kochen ist aber die Freude. Klingt nach Kalenderspruch, ist aber nichtsdestotrotz wahr.“
Und noch einen Rat hat der Südtiroler Risotto-Spezialist: Vor allem in Deutschland neige man dazu, den Reis zu lang zu kochen, weil man ein cremiges Ergebnis wie in Italien erreichen wolle. „Trauen Sie sich aber, den Reis nur bissfest zu kochen, er gart im Topf und sogar auf dem Teller noch nach. Beim Kosten sollte man also noch einen härteren Kern spüren. Dann ist der Reis perfekt. Perfekt al dente.“
„Verwenden Sie nur Wein, den Sie auch trinken würden, der also weder korkt noch abgestanden ist“
Heinrich Gasteiger Küchenmeister