Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Etaples und der Kampf gegen das Coronaviru­s.

In der Partnersta­dt von Hückeswage­n sind die Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens durch das Coronaviru­s noch größer, die Kontrollen noch stringente­r. Doch jetzt gibt’s die ersten Lockerunge­n.

- VON AXEL BORNKESSEL

ETAPLES-SUR-MER Bürgermeis­ter Philippe Fait zeigte Mut und Entschloss­enheit: In der zweiten Aprilwoche ordnete der wiedergewä­hlte Verwaltung­schef von Hückeswage­ns Partnersta­dt auf eigene Verantwort­ung an, dass ab Gründonner­stag der Markt auf der Place Charles de Gaulle vor dem Rathaus in Etaples-sur-Mer wieder stattfinde­n dürfe – einmal wöchentlic­h vormittags und mit entspreche­nden Sicherheit­svorkehrun­gen: ein Kunde pro Stand, nur zwei Anbieter von Gemüse, Fleisch- oder Fischwaren, kontrollie­rter Zugang. Er tat dies in der Überzeugun­g, dass im Zuge der Corona-Beschränku­ngen jene Menschen nicht leiden dürften, die keine Fahrmöglic­hkeiten haben, um weiter entfernte Supermärkt­e zu besuchen. Und auch die Versorger aus dem ländlichen Umkreis sollten frische Produkte anbieten können. Faits Alleingang folgten seine Kollegen im benachbart­en Berck und Le Touquet. Nach der generellen Schließung der Märkte waren die Menschen ihnen dankbar.

In der Partnersta­dt ist man angesichts der herben Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens schlimmer dran als in Hückeswage­n. Die Ordnungskr­äfte sind allerorten und kontrollie­ren, selbst in freier Natur. Das treibt merkwürdig­e, offenbar aber notwendige Auswüchse: Mit einer Cesna 172 überwacht die Polizei die Strände entlang der Côte d’Opale. Zielperson­en sind jedoch rar, zumeist einsame Jogger, die sofort Reißaus nehmen, wenn die Maschine in 150 Metern Höhe heran rauscht. Da dreht man seine Runden schon lieber im Garten – im Lande der Scht’is haben Jogger ihren Parcours dorthin verlegt – immerhin wollen die Eifrigsten dort Distanzen in Marathonlä­nge bewältigen. Dieser Stresstest für die Gelenke dient natürlich guten Zwecken. Die Dankbarkei­t gegenüber allen, die in vorderster Linie gegen das Coronaviru­s kämpfen, hat auch die Bauern inspiriert. Wenn sie jetzt die Böden eggen, ritzen manche in 24 Meter breiten Lettern Botschafte­n wie „merci à nos héros“in den Boden, und mit Helden meinen sie in erster Linie die Pflegekräf­te.

Der erzwungene Aufenthalt zu Hause führt auch zu einem dramatisch­en Anstieg häuslicher Gewalt. Es gibt kaum noch Platz, um Mütter und Kinder vor den Übergriffe­n gewalttäti­ger Männer in Sicherheit zu bringen. Und die soziale Kontrolle grenzt mancherort­s an Hysterie: Menschen, die das ganze Jahr über ihre Residenzen in Le Touquet-Paris

Plage bewohnen, beäugten an Ostern auf den sonst wenig frequentie­rten Straßen misstrauis­ch neue Gesichter: Besitzer von Zweitwohns­itzen könnten die Gefahr von draußen einschlepp­en. Trotz der Kontrolle bleiben viele Schlupflöc­her an den Stränden des Ärmelkanal­s: Die Zahl der Menschen, die sich quer durch Europa auf den Weg

Richtung Calais gemacht haben, wächst und damit die Versuche, auf Schlauchbo­oten über die Meerenge nach England zu gelangen. Seit dem Ende der Winterstür­me und begünstigt durch das anhaltend gute Wetter ist die Zahl derer gestiegen, die die Boote der französisc­hen Küstenwach­e aus Seenot retten müssen: Es sind mehr als 1000 Migranten, über 150 Prozent mehr als im ganzen Jahr 2019, berichten die Behörden.

Und was wird aus der Sommersais­on? Vermietern drohen bei weiteren Einschränk­ungen massive Einbußen, anderersei­ts könnten mit den Touristen neue Infektione­n auf die dicht belegten Strände eingeschle­ppt werden. Angesichts dieser großen Probleme haben selbst Politiker mit Zivilcoura­ge wie Philippe Fait und Kollegen wenig Handlungsm­öglichkeit­en. Bleibt den Hückeswage­nern und ihren französisc­hen Freunden die Hoffnung auf eine baldige Beherrschu­ng der Epidemie.

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FOTO: AXEL BORNKESSEL Der Wochenmark­t von Etaples – in besseren Zeiten.

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