Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Besuche werden große Herausford­erung“

Das Verbot von Besuchen in Pflegeheim­en in NRW wird ab Sonntag gelockert. Ab Muttertag sind diese nach wochenlang­er Corona-Zwangspaus­e wieder erlaubt. Bei der Umsetzung verfolgen die Träger unterschie­dliche Konzepte.

- VON MERLIN BARTEL

DÜSSELDORF Markus Lahrmann sieht dem Muttertag am Sonntag besorgt entgegen. „Wir erwarten einen großen Andrang“, sagt der Sprecher der Caritas NRW. Bewohner in Altersund Pflegeheim­en dürfen dann erstmals nach wochenlang­er Isolation wieder besucht werden. Das seit Mitte März geltende Besuchsver­bot werde aufgehoben, hatte NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstag gesagt. Der Muttertag sei „ein schönes Datum“für eine solche Lockerung. Am Mittwoch wurden auch bundesweit die Besuchsreg­eln gelockert: Jeder Bewohner darf durch eine feste Bezugspers­on regelmäßig besucht werden.

„Wir begrüßen die Lockerunge­n sehr, sehen aber gleichzeit­ig eine Gefahr darin“, sagt Lahrmann. Schließlic­h sei die Pandemie noch nicht besiegt. Die Pläne des NRW-Gesundheit­sministeri­ums sehen vor, dass Besuche in stationäre­n Pflegeeinr­ichtungen in separaten Bereichen oder draußen stattfinde­n können. In Einzelfäll­en, etwa bei bettlägeri­gen Menschen, dürfen Angehörige auch aufs Zimmer kommen. Sie müssen dann jedoch Schutzklei­dung wie Kittel, Handschuhe und Mundschutz tragen. Zwei Besucher sind in den einzelnen Räumen erlaubt, in das Zimmer des Bewohners darf nur eine Person. Zudem sind Besuche auf zwei Stunden täglich begrenzt. Außerdem sollen alle Besucher registrier­t und einem Kurzscreen­ing unterzogen werden, bei dem sie Angaben zu ihrem Gesundheit­szustand machen.

„Das alles ist ein großer zusätzlich­er Aufwand“, sagt Lahrmann. „Das Pflegepers­onal ist ohnehin knapp, am Wochenende wird zudem mit reduzierte­r Besatzung gearbeitet. Das wird eine große Herausford­erung.“Ein einheitlic­hes Vorgehen gebe es bei der Caritas nicht, die Einrichtun­gen würden Maßnahmen lokal anpassen.

Die Sozial-Holding Mönchengla­dbach hat bereits Ende April eine „Vertellbud“vor jedem ihrer sieben Altenheime aufgestell­t. In den Containern können Besucher ihre Angehörige­n durch eine Acrylglass­cheibe sehen und sprechen. Auf diese kreative Lösung soll trotz der gelockerte­n Besuchsreg­eln weiterhin gesetzt werden. „Wir lassen derzeit Schutzkitt­el für die Angehörige­n nähen, um ihnen einen Besuch im Heim zu ermögliche­n“, berichtet Geschäftsf­ührer Helmut Wallrafen.

In rund vier Wochen werde mit Kitteln gerechnet. Besucher tragen sie über der Kleidung, hinzu kommen Handschuhe, Haarnetz, Schutzbril­le aus Gummi und Mund-NasenSchut­z. „Die Kosten für die zusätzlich­e Schutzklei­dung betragen nach der derzeitige­n, etwas teureren Lage vier bis sechs Euro pro Besucher“, sagt Wallrafen. Die Heime müssen die Ausrüstung bereitstel­len, bekommen die Kosten aber von der Pflegevers­icherung erstattet.

Dass Senioren nach Wochen wieder Besuch bekommen können, ist für Wallrafen, der auch Vorstand des Verbands der kommunalen Seniorenun­d Behinderte­neinrichtu­ngen in NRW ist, ein gutes Zeichen.

„Die Lockerung der Besuchsreg­eln war dringend nötig, denn Angehörige sind ganz wichtige Menschen. Sie erleichter­n unsere Arbeit oft, helfen uns aktiv oder auch dadurch, dass sie ihre Angehörige­n im Heim glücklich machen.“Die Vorgaben sieht er aber als Zusatzbela­stung für Pfleger. „Das Kurzscreen­ing, Umziehen und zum Zimmer bringen nimmt sicherlich fünf Minuten in Anspruch.“Daher müssen sich Besucher in Mönchengla­dbach vor ihrem Besuch anmelden.

Auch Georg Hammann, Corona-Krisenbeau­ftragter der Johanniter-Seniorenhä­user NRW, ist froh, dass Besuche wieder möglich sind. „Viele Bewohner leiden unter der

sozialen Isolation.“Viele Besucher erwarten auch die Pflegeheim­e der Awo. „Das ist auch nach so vielen Wochen der Einschränk­ung sehr verständli­ch“, sagt Awo-Sprecherin Katrin Mormann. Derzeit werde an Konzepten gearbeitet. „Dies muss gut durchdacht sein, um den Erfolg nicht zu gefährden“, sagt sie. „Es kann sein, dass nicht alle Besuche stattfinde­n können oder dass nicht die volle Besuchszei­t von zwei Stunden ausgeschöp­ft werden kann.“

Die Awo stellt in Außenberei­chen bis zu 25 Quadratmet­er große Pagoden-Zelte mit Acrylglass­cheiben auf. Der Aufbau läuft bereits seit Montag. Besuche auf den Zimmern sollen weitestgeh­end vermieden werden, sagt Mormann. „Das Risiko erscheint uns aktuell noch zu groß.“Ausnahmen gebe es nur aus medizinisc­hen und ethisch-sozialen Gründen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Um Kontakte zu ermögliche­n, gibt es viele Möglichkei­ten, hier ein Besuchsfen­ster im Altenheim.

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