Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Es wird in der Branche ein Blutbad geben“
Der Bundesverbandspräsident der Veranstaltungswirtschaft über die Zukunft des Konzertbetriebs.
In der kommenden Woche findet im Bundestag die zweite Lesung zur Gutscheinregelung statt: Kaufpreise für Eintrittskarten sollen nicht rückerstattet, sondern in Gutscheine getauscht werden dürfen. Wir hoffen sehr, dass die Regelung beschlossen wird: Sollte das nicht der Fall sein, rechnen wir damit, dass 30 bis 40 Prozent der Veranstaltungsunternehmen Insolvenz anmelden müssen.
Es ist kurzsichtig, wenn Verbraucherschützer kritisieren, dass Veranstalter sich so von Kunden zinslose Kredite gewähren ließen und befürchten, dass der Gutschein seinen Wert verliere, wenn der Veranstalter 2021 pleitegeht. Wer die Gutscheinregelung ablehnt, handelt nicht im Interesse der Kartenkäufer sondern schadet ihm! Es ist doch besser, dem Veranstalter zumindest die Chance zu geben, die Ansprüche der Kunden durch alternative Angebote zu befriedigen als in Kauf zu nehmen, dass einer Vielzahl jetzt die Luft ausgeht, da es ihnen unmöglich ist, Eintrittseinnahmen,
die längst in die kostenintensive Vorbereitung der Konzerte geflossen sind, sofort zurückzuzahlen. Wie will man das zudem in einer Zeit erwarten, in der die Unternehmen seit acht Wochen nur Kosten und keinerlei Einnahmen haben? Wenn die Gutscheinlösung nicht kommt, wird es in der Veranstaltungsbranche ein Blutbad geben. Und ich bin davon überzeugt, dass das Verständnis der Verbraucher für diese Situation weitaus größer ist, als die Kritik, zumal eine Härtefallregelung geben wird
Jedem Musikliebhaber muss klar sein: Wir stehen derzeit vor der Herausforderung, die Vielfalt des deutschen Kulturtriebs zu erhalten. Wenn den vielen kleinen Veranstaltungsbetrieben, die den Facettenreichtum des gewohnten Konzertangebots gewährleisten, jetzt nicht unverzüglich geholfen wird, wird es die liebgewonnenen kleinen Jazz-, Blues-, Clubkonzerte, vor allem aber Konzerte der klassischen Musik nicht mehr geben. Dann wird zukünftig nur noch Mainstream veranstaltet, der das sichere Geld bringt.
Die Veranstaltungswirtschaft rechnet bis Ende August mit Einnahmeausfällen von über vier Milliarden Euro. Die Konzertveranstalter haben sich zwischenzeitlich mit anderen Sektoren der Musikwirtschaft – vor allem auch den Künstlern und Musikautoren – zusammengetan und einen Schadensbericht erarbeitet. Auf dessen Grundlage fordern wir von der Politik ein Hilfsprogramm für die Musikwirtschaft in Höhe von rund 580 Millionen Euro. Leider führt die Kultur im Allgemeinen und unser Bereich
im Besonderen in allen Debatten um die Auswirkungen der Krise ein Stiefmütterchendasein. Wie es mit Musik- und sonstigen Veranstaltungen konkret weiter geht, sagt uns niemand. Nicht einmal für die kleineren ab Mai möglichen Veranstaltungen gibt es klare Maßgaben – vor allem auch nicht zu den Hygieneanforderungen. Wir können Veranstaltungen nur absagen, wenn es entsprechende behördliche Anordnungen gibt. Anderenfalls machen wir uns gegenüber den Künstlern, unseren Dienstleistern und letztlich auch den Kartenkäufern haftbar. Leider wiederholt sich derzeit jenes schadensverursachende Chaos, unter welchem die Branche bereits zu Beginn der Krise litt: Wir sehen uns mit einem ordnungsrechtlichen Flickenteppich konfrontiert, auf dessen Grundlage Veranstaltungsplanungen unmöglich sind.