Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Trine Dyrholm überragend als eiskalte „Königin“
Nach Monaten von vermeintlich ach so Tollem und tatsächlich viel Mäßigen bei Netflix und Co. zeigt dieser geplante Kinofilm, was wir alles an richtig guten Filmen verpasst haben könnten: Die dänische „Königin“sollte am 9. April in die deutschen Kinos kommen - aber Corona kam dazwischen. Nun gibt es einen voreiligen digitalen Start ohne Kinos: Die grandiose Nummer von Trine Dyrholm als eiskalte Familien-Mutter und Liebhaberin ist so oder so unbedingt sehenswert.
Die erfolgreiche Rechtsanwältin Anne (Trine Dyrholm) lebt ein gutes Leben mit ihrem Mann Peter (Magnus Krepper) und ihren Zwillingen in einer edel designten Villa. Anne ist vermeintlich liebevoll und kompetent, kümmert sich bei der Arbeit um Gewaltopfer. Doch schon im Alltag zeigt sich bei Streitereien ein Monster, das alles kontrollieren muss. Als Peter beschließt, seinen lange vernachlässigten 16-jährigen Sohn Gustav (Gustav Lindh) bei sich aufzunehmen, startet die vom bürgerlichen Erfolg gelangweilte Anne eine Affäre mit dem labilen Jugendlichen in schwieriger Situation. Der täuscht zwar anfangs mal einen Einbruch im Haus vor, doch erst was Anne hinlegt, ist wirklich heftig.
Dänemarks Oscar-Beitrag von 2020 ist ein Augen- und Emotions-Öffner. Regisseurin May el-Toukhy zeigt Stil in der Bildsprache,
doch die Präsenz von Trine Dyrholm als kaltes Monster macht „Königin“erst richtig gut. Ihre Anne kann keine Fehler eingestehen und hat kein Mitgefühl für eine Klientin, die sie zur Aussage gegen ihren Vergewaltiger überredet. Dabei ist die Anwältin keineswegs eine Bovary, die ausbrechen muss. Eher aus Langeweile beginnt sie die Affäre. Und als die rauskommt, geht sie in den Gegenangriff.
„Königin“packt ohne überzogenes Drama mit vielen kleinen spannenden Momenten und atemberaubend amoralischen Wendungen.