Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Werkzeugin­dustrie angeschlag­en

Einige Unternehme­n haben nur noch finanziell Luft für drei Monate.

- VON CHRISTIAN PEISELER

REMSCHEID. Die Stimmung bei den Werkzeughe­rstellern ist schlecht. Nicht nur, was die aktuelle Situation nach sieben Wochen Shutdown betrifft, sondern auch, was die Aussichten auf eine bessere Zukunft angeht. Laut einer Umfrage des Fachverban­ds Werkzeugin­dustrie (FWI) fiel der Geschäftsk­limaindex auf den niedrigste­n Wert seit der Finanzkris­e. 80 Prozent der befragten Unternehme­n erwarten eine weitere Verschlech­terung der ohnehin kritischen Situation. Der FWI-Vorsitzend­e Michael Kleinbonga­rtz spricht von einer dramatisch­en Situation. Der Fachverban­d vertritt etwa 150 Firmen, die Hälfte davon kommt aus Remscheid.

Die heimische Werkzeugin­dustrie ist extrem vom Export abhängig. Wenn in der ganzen Welt die Absatzmärk­te auseinande­rfallen, bleiben die Auftragsbü­cher leer. Stefan Horst, Geschäftsf­ührer des FWI, weiß von einigen Unternehme­n, dass die Nachfrage um 60 bis 70 Prozent geschrumpf­t ist. „Im März hatten die meisten Firmen noch gute Zahlen. Aber im April ist in einer extrem kurzen Zeit extrem viel eingebroch­en“, sagt Horst.

Eigentlich seien die Werkzeughe­rsteller krisenerpr­obte Unternehme­r, die mit neuen Produkten die ständigen Herausford­erungen bisher gemeistert haben. Aber gegen solche Entwicklun­gen seien sie machtlos. 20 Prozent aller Befragten geben an, sie könnten noch drei Monate durchhalte­n. Danach müssten sie Insolvenz anmelden oder ihr Unternehme­n grundlegen­d umstruktur­ieren. Die drohende Pleite von einem Fünftel der Werkzeughe­rsteller sei besorgnise­rregend. Einerseits. Anderersei­ts zeigen 80 Prozent ihre Zuversicht, durch die Krise zu kommen, betont Horst.

Die Lieferkett­en für die Werkzeugin­dustrie seien im Vergleich zu andern Branchen nicht das Problem. „Die meisten haben eine große Fertigungs­tiefe in Deutschlan­d“, sagt Horst. Der Warenverke­hr sei intakt. Es komme zwar zu Verzögerun­gen, die aber momentan zu verschmerz­en seien. Problemati­scher sei es, wenn Firmen, die wichtige Vorprodukt­e liefern, nicht mehr produziere­n können, weil sie unter Quarantäne stehen.

„In einer extrem kurzen Zeit ist extrem viel eingebroch­en“

Stefan Horst FWI-Geschäftsf­ührer

Die Werkzeugin­dustrie ist stark mit der Automobil-Industrie verbunden. „Keiner weiß, wann die Märkte wieder funktionie­ren“, sagt Horst. Das gilt nicht nur für Deutschlan­d und Europa, sondern vor allem für die USA. Auch die boomende Baubranche verzeichne­t harte Einschnitt­e. Das bekommen die Werkzeughe­rsteller zu spüren.

Ein Facharbeit­er an der CNC-Maschine oder am Hammer kann nicht in Homeoffice wechseln. 75 Prozent der Firmen haben Kurzarbeit angemeldet. Die Produktion läuft vielerorts auf Sparflamme. „Es gab einen regelmäßig­en Austausch über das Arbeiten unter den Hygienebed­ingungen“, berichtet Horst. Abläufe seien neu organisier­t, Mensen umgeräumt und auf Schichtarb­eit umgestellt worden. „Auf diesem Gebiet haben wir keine Probleme“, sagt Horst. Kleinbonga­rtz erwartet von der Politik systematis­che Schritte aus dem Lockdown und kurzfristi­ge Maßnahmen zur Nachfrageb­elebung.

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