Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Bestatter Andriessen sieht keinen Grund zum Jammern.
Bestatter Udo Andriessen fühlt sich durch die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus nicht benachteiligt. Sein Mitgefühl gilt aber vor allem den Menschen, deren Angehörige alleine sterben müssen.
WERMELSKIRCHEN Das Schwierigste an der derzeitigen Corona-Krise sind für Bestatter Udo Andriessen nicht die Arbeit mit Atemschutzmasken, die Abstandsvorschriften oder die Hygieneregeln. Genau genommen ist es gar nicht seine Arbeit, wenn er an schlimme Auswirkungen der Pandemie denkt. „Ich finde es besonders furchtbar, dass viele Menschen nicht wie vor der Krise von ihren Angehörigen Abschied nehmen können, sie nicht auf dem letzten Weg begleiten können“, sagt er nachdenklich. Er fügt an: „Wie kann man da Trost spenden?“Denn natürlich sei genau das eine der Hauptaufgaben des Inhabers des Familienbetriebs an der Berliner Straße. „Ich darf die Menschen, die mit dem Todesfall im Angehörigenkreis zu mir kommen – und die ich teilweise sogar persönlich kenne – nicht in den Arm nehmen. Wir müssen Abstand halten. Und das ist schwer und belastend“, sagt Udo Andriessen.
Zwar gebe es in Nordrhein-Westfalen die Ausnahme, dass Beerdigungen von der allgemeinen Kontaktsperre ausgenommen seien. „Aber die unterschiedlichen Friedhöfe setzen diese Vorgaben ganz verschieden um“, sagt der Bestatter. Teils sehr streng, teils etwas lockerer. In diesem Zusammenhang lobt Udo Andriessen sowohl die Stadtverwaltung als auch die Friedhofsverwaltung. „Die Kooperation ist so hervorragend, wie man es sich unter diesen Umständen wünschen kann“, sagt er. Schwieriger seien etwa die Auflagen der Evangelischen Kirche im Rheinland für die Trauerfeiern. „Da gibt es die Regel, dass nur sieben Gäste an einer Beerdigung teilnehmen dürfen. Das stellt gerade größere Familien vor echte Herausforderungen – wem will man die Teilnahme erlauben, wem sie versagen?“, sagt Udo Andriessen. Und bei allem Verständnis für die notwendigen Hygienemaßnahmen sei Trauer ein Bereich, den man nicht nachvollziehen könne, wenn man ihn nicht selbst erlebt habe, ist sich der Bestatter sicher. Auch wenn alle Trauerfeiern in den vergangenen Wochen hätten stattfinden können – „das Wetter war da tatsächlich auf unserer Seite, weil es bis auf zwei Tage nicht geregnet hat“, sagt Udo Andriessen -, sei es doch nicht schön, wenn sich die Gesichter hinter Masken verstecken müssten. „Man sieht keine Mimik, dabei wird gerade in so sensiblen Momenten wie einer Trauerfeier darüber viel mitgeteilt“, sagt der Bestatter. Für sich und seine Mitarbeiter habe er zudem Masken in grauem Stoff nähen lassen, die über die FFP-2-Masken gezogen werden können. „Dann wirkt das nicht so steril-weiß, sondern ist etwas dezenter“, sagt er.
Auf den Umgang im Bestattungshaus in Zeiten von Corona habe er sich mit seinem Team umfassend vorbereitet. „Es gibt separate und abschließbare Klimakammern, in denen Verstorbene, die Covid-19 hatten, aufgebahrt werden“, sagt Udo Andriessen. Allerdings seien solche Fälle in Wermelskirchen bislang zum Glück sehr selten gewesen. „Wir haben aber auch unsere Büros umgebaut, so dass die Schreibtische sich nicht mehr gegenüberstehen. Dazu haben wir in den vergangenen Wochen Schichtdienst gefahren, um im Falle einer Ansteckung eines Mitarbeiters in der anderen Schicht handlungsfähig zu bleiben“, sagt der Bestatter. Er lobt an dieser Stelle besonders seine beiden Mitarbeiter, die Auszubildende Yasmin Hupperich und den Gesellen Jan-Lukas Boes. „Beide sind voll mit an Bord, so dass wir reibungslos für unsere Kunden da sein können“, betont Udo Andriessen.
Das sei letztlich das Hauptaugenmerk seiner Arbeit – ob nun mit Corona oder ohne. „Das Ziel, den Angehörigen eine würdevolle und schöne Trauerfeier zu ermöglichen, werden
wir nie aus den Augen verlieren. Ich kann nur den Menschen die Angst nicht nehmen, dass ihre Angehörigen alleine sterben müssen“, sagt der Bestatter. Er selbst sei allerdings über das Jammern auf dem hohen Niveau in Deutschland verärgert. „Die Maßnahmen sind doch zum Schutz meiner Person und dem Schutz aller anderen. Es geht uns doch wunderbar hierzulande. Ich habe Freunde, die in Indien waren. Dort liegen die Leichen am Straßenrand. Von solchen Zuständen sind wir doch meilenweit entfernt“, sagt Udo Andriessen. Er habe überhaupt keinen Anlass zum Jammern.
„Unser Berufsverband kämpft im Moment nur darum, den Bestatter systemrelevant zu machen“, ergänzt er. Dann müsse er Atemmasken oder Desinfektionsmittel nicht mehr selbst stellen. „Aber auch das ist für mich kein Grund, Trübsal zu blasen“, sagt Udo Andriessen.