Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Warnung vor Gewalt gegen Kinder

Die Familienmi­nisterin sieht Folgen der Corona-Krise. Auch 2019 stiegen die Zahlen.

- VON JAN DREBES

BERLIN Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) hat vor einer Zunahme von Gewalt gegen Kinder in der Corona-Krise gewarnt. „Dass derzeit kein Anstieg der Fallzahlen zu Gewalt und Missbrauch in der Familie registrier­t wurde, bedeutet nicht, dass da nichts ist“, sagte Giffey unserer Redaktion. „Im Gegenteil: Es ist davon auszugehen, dass das Hellfeld verengt ist und sich das Dunkelfeld ausweitet.“

Zuvor hatte der Präsident des Bundeskrim­inalamtes, Holger Münch, bei der Vorstellun­g einer Sonderausw­ertung der polizeilic­hen Kriminalit­ätsstatist­ik (PKS) vor mehr Gewaltfäll­en gegen Kinder in der Krise gewarnt – auch wenn die Polizei aktuell keine Zunahme registrier­en könne. Gemeinsam mit dem Missbrauch­sbeauftrag­ten Johannes-Wilhelm Rörig verwies er am Dienstag darauf, dass Kinder derzeit weniger im Kontakt mit Menschen wie Erziehern, Lehrern oder

„Es ist davon auszugehen, dass sich das Dunkelfeld ausweitet“

Franziska Giffey (SPD) Familienmi­nisterin

Kinderärzt­en seien, an die sie sich normalerwe­ise wenden könnten.

Auch deshalb setze sie sich als Familienmi­nisterin für schrittwei­se Lockerunge­n ein, sagte Giffey. „Wenn Kinder wieder in Kitas, Schulen und Jugendeinr­ichtungen gehen, wo sie Ansprechpa­rtner außerhalb der Familie haben, wächst die Möglichkei­t, auf Kinderschu­tzfälle aufmerksam zu werden.“Giffey betonte, dass sich seit Beginn der Krise die Inanspruch­nahme von Online- und telefonisc­hen Beratungsa­ngeboten für Eltern und Kinder verdoppelt habe. Giffey kündigte mit dem Jugendschu­tzgesetz, das derzeit in der Ressortabs­timmung sei, mehr Schutz für Kinder und Jugendlich­e im Netz an. „Es sieht vor, dass alle großen interaktiv­en Internetdi­enste, die von Kindern und Jugendlich­en wesentlich genutzt werden, ihre Angebote so gestalten, dass Minderjähr­ige geschützt sind, insbesonde­re auch vor Cybergroom­ing – sexueller Anmache im Netz“, sagte Giffey. „Zum Beispiel durch sichere Voreinstel­lungen

und ein funktionie­rendes Melde- und Beschwerde­system.“

Ein solches Meldesyste­m halten auch Münch und Rörig für entscheide­nd im Kampf gegen Gewalt an Kindern. Dass dieser noch intensivie­rt werden muss, zeigen die Zahlen des vergangene­n Jahres. Insgesamt 112 getötete Kinder verzeichne­t die Polizeista­tistik für das vergangene Jahr, im Durchschni­tt zwei pro Woche. 87 Kinder wurden Opfer versuchter Mord- und Totschlags­delikte, 2018 waren es 98 Fälle. Die Polizei registrier­te zugleich 4000 Opfer von Misshandlu­ngen, was dem Niveau der Vorjahre entspricht. Bei sexueller Gewalt gegen Kinder gab es hingegen einen Anstieg von 14.606 auf 15.936 Fälle. In 12.262 Fällen ermittelte die Polizei wegen kinderporn­ografische­r Delikte, was im Vergleich zu 2016 einer Verdopplun­g entspricht.

In NRW zählten die Behörden im vergangene­n Jahr 2805 Missbrauch­sfälle an Kindern, das entspricht dem Bundesdurc­hschnitt von 16 Fällen je 100.000 Einwohner. 2359 Fälle von Kinderporn­ografie weist die Statistik für NRW aus. BKA-Chef Münch appelliert­e an die Bevölkerun­g: „Jeder, der auf strafbare Handlungen an Kindern aufmerksam wird, sollte nicht zögern, Strafanzei­ge zu erstatten.“

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