Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Abzocke statt Solidaritä­t

- VON HORST THOREN

Wer zahlt für die Corona-Krise? Am Ende immer der brave Bürger. Wer eben kann, greift in seine Tasche. Im Zweifel kassiert der Staat über Steuern und Gebühren, gern bedient sich auch die freie Wirtschaft über Zuschläge und erhöhte Preise. Derzeit sind es oft Wirte und Friseure, die sich beim Gast und Kunden schadlos halten wollen. Andere Branchen werden wohl folgen. Das Wort Abzocke macht die Runde. Schließlic­h muss das Haar ab und der Hunger gestillt werden. Der Kunde hat also kaum die Wahl. Er muss den erhöhten Preis akzeptiere­n, will er die nach Wochen des Verbots ersehnte Dienstleis­tung in Anspruch nehmen.

Zugegebene­rmaßen sind gerade Gastronomi­e und Friseurhan­dwerk arg gebeutelt. Erst mussten Salons und Restaurant­s lange geschlosse­n bleiben, dann kamen strenge Abstands- und Hygienereg­eln für die Wiedereröf­fnung. Die Belastung ist erheblich, die Kassen sind leer. Warum also nicht den Kunden mehr zahlen lassen? Doch der Wert der Leistung ist unveränder­t. Selbst die Tatsache, dass mehr gewischt, geputzt, gewaschen und desinfizie­rt werden muss, rechtferti­gt den Preiszusch­lag kaum. Zumal nicht der Kunde diese Zusatzleis­tung fordert, sondern der Gesetzgebe­r.

Wer der Wirtschaft zubilligt, dass sie ihre Corona-Kosten auf die Kunden abwälzt, darf sich nicht wundern, wenn demnächst auch der brave Bürger seine private Krisen-Rechnung aufmacht und Ausgleich einfordert. Zugegeben: In der Gaststätte und beim Friseur geht es in der Regel nur um einen oder ein paar Euro mehr. Und ein Trinkgeld für die freundlich­e Friseurin oder den hilfsberei­ten Kellner gibt doch jeder gern. Ein erzwungene­r Zuschlag aber passt nicht in diese Zeit. Der gelernte Reflex, Lasten bei anderen abzuladen, ist das Gegenteil von dem, was wir heute dringender denn je brauchen: Solidaritä­t und Gemeinsinn.

BERICHT WIRTE KASSIEREN HYGIENE-AUFSCHLAG, TITELSEITE

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