Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Länder sind keine Bundes-Anhängsel

Die Ministerpr­äsidenten zeigen, wer Herr im Corona- Haus ist.

- REINHOLD MICHELS

Johannes Rau war von 1978-1998 Ministerpr­äsident von NRW und von 1999-2004 Bundespräs­ident. Rau war ein Mann, der auf politische Etikette Wert legte. Ihm missfiel es, wann immer NRW oder andere Gliedstaat­en der Bundesrepu­blik als „Bundesstaa­ten“bezeichnet wurden. Das klang in seinem feinen Gehör für Nuancen so, als hielte sich der Bund Anhängsel. Rau wusste: Die Länder sind selbst Staaten. Die Länder zeugten 1949 durch Zusammensc­hluss den Bund, nicht umgekehrt. Der Bund schuf nicht, er wurde geschaffen. Nie vergesse ich, wie mich ein Spitzenbea­mter des Freistaate­s Bayern mit Stolz und Geschichts­bewusstsei­n auf die mehr als tausendjäh­rige Staatlichk­eit seiner Heimat aufmerksam machte. Ich schicke das voraus, weil in diesen politisch herausford­ernden Wochen wieder einmal die Zentralsta­ats-Gläubigen das Kommando an sich reißen wollen und die Länder am liebsten zu einer Art von Departemen­ts nach französisc­hem Vorbild degradiere­n möchten. Ich empfinde es als wohltuend, wie sich der aktuelle Nachfolger von Johannes Rau im NRW-Ministerpr­äsidentena­mt das Recht herausnimm­t, Kompetenze­n selbstbewu­sst wahrzunehm­en, die seinem und den anderen Teil-Staaten der Bundesrepu­blik zustehen. Wunderbar, wie Armin Laschet und ihm folgend andere

Ministerpr­äsidenten der Bundeskanz­lerin und ihrem Bundesgehi­lfen Jens Spahn zeigen, wer Herr des Verfahrens bei Lockerunge­n beziehungs­weise. Verschärfu­ngen der Corona-Regelungen ist. Die Zentralsta­ats-Fans, die am liebsten zwischen Friesland und Freising alles über einen Kamm scheren möchten, stehen dank endlich selbstbewu­sster Länderchef­s bedröppelt da. Wie heißt es doch im russischen Volksmund: Der Himmel ist hoch und Moskau ist weit. Das sollte aus rheinische­r, bayerische­r, badischer Sicht auch für Berlin gelten.

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