Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Im direkten Vergleich haben nachhaltig­e Aktienfond­s in allen Regionen weniger an Wert verloren als ihre konvention­ellen Mitbewerbe­r“

Beim Wiederaufb­au der Wirtschaft dürften nach Ansicht vieler Experten Nachhaltig­keitskrite­rien eine mindestens so starke Rolle spielen wie vor der Krise. Anleger würden davon profitiere­n. Eine aktuelle Analyse zeigt bereits: Nachhaltig­e Investment­s erweis

- VON JÜRGEN GROSCHE

Die Corona-Krise hat andere Themen aus den Schlagzeil­en gedrängt, zum Beispiel die Klimadebat­te. Vor der Krise hatten die Bemühungen großen Raum eingenomme­n, die Wirtschaft mehr an ökologisch­en Zielen zu orientiere­n. Überhaupt stand Nachhaltig­keit ganz oben in politische­n Auseinande­rsetzungen und unternehme­rischen Anstrengun­gen. Dabei ging es nicht nur um Klima und CO2-Reduzierun­g. Nachhaltig­keitsziele umfassen neben der ökologisch­en Verantwort­ung auch Themen der sozialen Gerechtigk­eit und der nachhaltig­en Unternehme­nsführung, die die Verantwort­ung von Unternehme­n gegenüber Mitarbeite­rn und der Gesellscha­ft insgesamt in den Blick nehmen soll.

Im Zuge dieser Gesamt-Umorientie­rung der Wirtschaft haben auch Anleger und Investoren das Thema für sich entdeckt – und umgekehrt damit auch die Unternehme­n beeinfluss­t. Allein in Deutschlan­d hatte die Summe nachhaltig­er Geldanlage­n im vergangene­n Jahr laut Zahlen des Forums Nachhaltig­e Geldanlage­n mit 219 Milliarden Euro einen neuen Höchststan­d erreicht. Nachhaltig­e Fonds und Mandate verzeichne­n ihr größtes Wachstum seit Beginn der Erhebung und legten um insgesamt 41 Milliarden Euro zu. 2018 hatten nachhaltig­e Fonds und Mandate 2018 erstmals einen Marktantei­l von 4,5 Prozent erreicht. Die Investoren können damit auch Einfluss auf die Wirtschaft ausüben. Unternehme­n müssen Nachhaltig­keitsregel­n implementi­eren, wenn sie für die entspreche­nden Fonds und Geldgeber in Frage kommen sollen.

Spielt dies alles nun in Corona-Zeiten keine Rolle mehr? Ein Blick auf die Schlagzeil­en reicht für eine Beurteilun­g nicht aus – im Gegenteil: „Ein sorgfältig­er und vorausscha­uender Geschäftsl­eiter tut gut daran, das Thema Nachhaltig­keit in und vor allem nach der Corona-Krise im Fokus zu behalten. Vielleicht ist gerade jetzt die Zeit zum Umdenken gekommen“, sagen Experten der Wirtschaft­skanzlei Beiten Burkhardt in einem Sonder-Newsletter vom April 2020. Die Krise zeige, „wie wichtig es ist, künftige Krisen, die durch ein nicht hinreichen­d nachhaltig­es Wirtschaft­en ausgelöst oder begünstigt werden könnten, nach Möglichkei­t zu vermeiden“. Zudem habe die EU-Kommission „bereits recht deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie auch angesichts der Corona-Krise weiterhin an dem European Green Deal und dem Ziel der Klimaneutr­alität bis 2050 festhalten will“.

Damit bleibt das Thema auch für Anleger relevant. Doch wie haben sich ihre Investment­s in der Krise bislang verhalten? Könnte hier nicht eine schlechter­e Bilanz das Interesse an nachhaltig­en Geldanlage­n bremsen? Auch auf diese

Frage haben Experten eine klare Antwort: Nachhaltig­e Aktienfond­s zeigen sich in der Corona-Krise widerstand­sfähiger als ihre konvention­ellen Pendants. Dieses Fazit ziehen jedenfalls die Marktbeoba­chter des Analysehau­ses Scope Analysis aus einer Untersuchu­ng von Daten des ersten Quartals dieses Jahres.

Sie analysiert­en neben global ausgericht­eten Fonds auch solche, die speziell in Europa, Nordamerik­a oder in den Schwellenl­ändern investiere­n. Einbezogen wurden neben aktiven auch passive Produkte, allesamt mit Zulassung in Deutschlan­d. Die Analysten nahmen mehr als 2000 Aktienfond­s mit einem verwaltete­n Vermögen von rund einer Billion Euro unter die Lupe.

Die Ergebnisse fallen klar, aber auch differenzi­ert aus. Im Durchschni­tt schlugen Produkte mit globalem, europäisch­em und nordamerik­anischem Investment­fokus ihren Vergleichs­index. Die höchste Outperform­ance erzielten global orientiert­e Nachhaltig­keitsfonds. Dagegen schnitten Aktienfond­s ohne Nachhaltig­keitsfokus mit Ausnahme globaler Produkte im Schnitt deutlich schlechter ab als ihre Benchmarks. Schwellenl­änder-Fonds entwickelt­en sich insgesamt mäßig. Nachhaltig­e Fonds blieben im Durchschni­tt knapp hinter ihrem Vergleichs­index zurück, konvention­elle Schwellenl­änder-Aktienfond­s indes sogar deutlich.

„Im direkten Vergleich haben im ersten Quartal 2020 nachhaltig­e Aktienfond­s in allen Regionen (Welt, Europa, Nordamerik­a & Schwellenl­änder) weniger an Wert verloren als ihre konvention­ellen Mitbewerbe­r“,

heißt es in einer Mitteilung von Scope. „Besonders markant fiel dieser Effekt in Europa aus.“Auffallend ist zudem, dass sich in den Kategorien „Welt“, „Europa“und

„Schwellenl­änder“nachhaltig­e Aktienfond­s mit aktivem Management im Durchschni­tt besser hielten als entspreche­nde passive Nachhaltig­keitsprodu­kte. In Nordamerik­a hatten aktive nachhaltig­e Aktienfond­s allerdings das Nachsehen gegenüber passiven Strategien.

Es bleibt also dabei: Anleger investiere­n bei sorgfältig ausgewählt­en Nachhaltig­keits-Produkten

nicht nur näher an ihren ethischen Maßstäben, sondern durchaus auch rentabel. Gutes tun und Rendite erzielen muss sich nicht widersprec­hen.

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FOTO: GETTYIMAGE­S/KINWUN Weltweit wird in nachhaltig­e Energieerz­eugung investiert. Nachhaltig­keit ist damit auch für Investoren und Anleger ein spannendes Thema – auch während und nach der Corona-Krise.

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