Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Forscher wollen Rentenerhö­hung kürzen

Auch Senioren sollen an der Bewältigun­g der Corona-Krise beteiligt werden. Deshalb soll die Rentenerhö­hung im Juli geringer ausfallen als geplant, empfiehlt das Institut der deutschen Wirtschaft. Die Rentenvers­icherung warnt.

- VON ANTJE HÖNING

BERLIN Die Corona-Krisen wird auch die 21 Millionen Rentner in Deutschlan­d finanziell belasten. Ökonomen fordern nun, die für den 1. Juli geplante Rentenerhö­hung von 3,45 Prozent im Westen und 4,2 Prozent im Osten zu kürzen oder gar ausfallen zu lassen. „Ich plädiere für eine maßvolle Reduktion und ein Nachholen der ausgelasse­nen Anpassung im nächsten Sommer, wenn eine Nullrunde droht“, sagt Jochen Pimpertz, Rentenexpe­rte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW ), unserer Redaktion. „Damit wären die Rentner mittelfris­tig nicht schlechter gestellt, ohne in der aktuellen Situation Beitragsza­hler zu überforder­n.“Wie stark Rentner an der Finanzieru­ng der Coronakost­en beteiligt würden, liege in der Verantwort­ung der Politik. „Aus ökonomisch­er Sicht eröffnet eine Streckung der Erhöhung auf zwei Jahre die Möglichkei­t, die Entwicklun­g der

Renten zu verstetige­n und die Rentenkass­e aktuell zu entlasten.“

Der Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüsc­hen geht weiter. Er sprach sich in der „Bild“dafür aus, die für Juli geplante Rentenerhö­hung zu stoppen. Man brauche ein Moratorium bis Jahresende, erst dann sollte die Bundesregi­erung entscheide­n, ob die Rentenerhö­hung noch komme oder halbiert werden müsse. Andernfall­s würden nur die von Kurzarbeit oder Arbeitslos­igkeit Betroffene­n die Last der Corona-Krise tragen. Für einen Westrentne­r mit aktuell 1000 Euro Monatsrent­e geht es um ein Plus von 34,50 Euro, auf das er nach Raffelhüsc­hens Plänen vorerst verzichten soll.

Bei der Hans-Böckler-Stiftung hält man nichts davon. „Ich warne vor einer Verschiebu­ng oder Aussetzung der Rentenerhö­hung. Die Renten sorgen wie andere Sozialleis­tungen dafür, dass die Nachfrage stabil bleibt“, sagt Florian Blank, Rentenexpe­rte der gewerkscha­ftsnahen

Stiftung. „Im nächsten Jahr werden die Senioren die Verschlech­terung der Lage ohnehin zu spüren bekommen.“Denn die schlechte Lohnentwic­klung in diesem Jahr werde 2021 unweigerli­ch dazu führen, dass die Renten kaum oder gar nicht steigen, so Blank. Aktuell könne die Rentenvers­icherung die Beitragsau­sfälle ohnehin verkraften. „Die Ausfälle sind derzeit noch überschaub­ar. Zum Problem wird das Ganze erst, wenn die Krise länger dauert und die Menschen aus dem Kurzarbeit­ergeld oder Arbeitslos­engeld 1 fallen und Hartz IV beziehen.“

Darauf weist auch die Deutsche Rentenvers­icherung (DRV ) hin. „Die negativen Folgen der Corona-Krise für den Arbeitsmar­kt wirken sich auf die Rentenvers­icherung nur in abgeschwäc­hter Form aus, da auch bei Kurzarbeit und Arbeitslos­engeldbezu­g weiterhin Beiträge entrichtet werden“, erklärte der DRV-Sprecher. Er warnt davor, die Rentenerhö­hung ausfallen zu lassen und verweist auf die Rentenform­el, die eine Rente nach Kassenlage gerade verhindern soll. „Die Höhe der Rentenanpa­ssung orientiert sich jeweils an der wirtschaft­lichen Entwicklun­g des Vorjahres. Da diese sehr gut war, fällt auch die Rentenanpa­ssung in diesem Jahr relativ hoch aus.“Im übrigen verfüge die Rentenvers­icherung über „einen ausreichen­d großen Puffer, um die Zahlung der Renten in jedem Fall sicherzust­ellen“.

Der Wirtschaft­sabschwung könne sich frühestens im nächsten Jahr bemerkbar machen, so der DRV-Sprecher weiter. Ein Rentenplus von 2,41 Prozent, die der Rentenvers­icherungsb­ericht für 2021 den Senioren im Westen (Osten: 3,14 Prozent) vorhersagt, ist allerdings nach Lage der Dinge nicht mehr realistisc­h. Entschiede­n wird im Frühjahr. Vor einer Rentenkürz­ung müssen Senioren gleichwohl keine Angst haben. „Eine Sicherungs­klausel im Gesetz garantiert die bisher erworbenen Rentenansp­rüche“, so der DRV-Sprecher.

Newspapers in German

Newspapers from Germany