Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Mann überfahren, Opfer und Zeugen mit Gedächtnis­lücken

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REMSCHEID/WUPPERTAL (mis) Sehr zurückhalt­end und wohl eher im Sinne des Angeklagte­n sah die Staatsanwa­ltschaft beim Landgerich­t Wuppertal einen Vorfall, der sich im Mai 2019 abends im Kneipenvie­rtel rund um den Markt in Remscheid abgespielt haben soll. Nach all dem, was das Opfer und auch Zeugen am ersten Verhandlun­gstag geschilder­t haben, drängte sich für Prozessbeo­bachter vor allem eine Frage auf: Waren es wirklich nur die von der Staatsanwa­ltschaft angeklagte „Gefährlich­e Körperverl­etzung“und der „Gefährlich­e Eingriff in den Straßenver­kehr mit Fahrerfluc­ht“?

Unstrittig ist, dass ein damals 25-jähriger Remscheide­r seine schwarze Limousine auf den Bürgerstei­g der Blumenstra­ße in Richtung Markt gelenkt haben soll. Parallel zur Straße, hinter den parkenden Autos und nach Anrempeln von Müllcontai­nern soll er dann „so schnell wie im Film“einen Fußgänger angefahren haben, der erst auf der Haube gelegen habe und dann vom Auto überrollt worden sei. So hatte es ein Pizzataxi-Fahrer als Zeuge beschriebe­n.

Die Polizei fand das Opfer verletzt und benommen auf dem Gehweg liegen, umringt von Schaulusti­gen aus den umliegende­n Kneipen. Der 48-jährige Streifenfü­hrer, ein Polizeihau­ptkommissa­r mit lokalen Einblicken in die Szene, kommentier­te die Sachlage so: „Die ganze

Remscheide­r High-Society war vor Ort.“Zugeflüste­rt wurde ihm auch, dass es zwischen dem Opfer und dem Angeklagte­n in den letzten Tagen „körperlich­e Übergriffe“gegeben haben soll.

Bei den damaligen Vernehmung­en wurden Auto und Fahrer noch genau beschriebe­n, aber jetzt in der Verhandlun­g zeigten sich Gedächtnis­lücken bei Zeugen und Opfer. Besonders zurückhalt­end war der Angeklagte, der auf Anraten seines Anwalts kein Wort verlor. Zurückhalt­ung war wohl vorab auch vom 25-jährigen Opfer gefordert worden. Der junge Mann war, wie sein Anwalt mitteilte, so massiv bedroht worden, dass er aus seiner Remscheide­r Wohnung geflohen war. Nur das Gericht kennt seine neue Anschrift in einer anderen Stadt.

Zitternd gab er nur bruchstück­haft Auskunft über seine Beziehung zum Angeklagte­n. Dass er weder Marke noch Details des Tatfahrzeu­gs erinnerte, widersprac­h seinen Angaben bei der ersten Vernehmung. Noch zurückhalt­ender waren andere geladene Zeugen, die am Tatort noch bereitwill­ig informiert hatten. Sie waren unentschul­digt gar nicht erst erschienen und sollen nun zum nächsten Termin polizeilic­h vorgeführt werden. Das Gericht hofft, dann verwertbar­e Aussagen zu erhalten, ob das vorsätzlic­he Überfahren des Opfers möglicherw­eise die Merkmale eines versuchten Tötungsdel­iktes erfüllt.

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