Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Gemeinsam die Krise meistern

Hass und Angst lähmen. In diesen Tagen braucht es vor allem Mut und Verständni­s.

- RAINER MARIA KARDINAL WOELKI

Es waren herzzerrei­ßende Szenen am vergangene­n Sonntag in vielen Altenheime­n: Nach Wochen der Trennung standen sich Ehefrauen und Ehemänner, Mütter und Töchter, Väter und Enkel gegenüber. Am Muttertag sprachen sie wieder direkt miteinande­r, wenn auch zwei Meter voneinande­r entfernt oder durch eine Acrylglass­cheibe getrennt. Videotelef­onie oder Briefe waren wichtig, sie sind aber auch immer ein wenig fremd geblieben. Wir Menschen brauchen einander, mit allen Sinnen. Die Aufhebung des strikten Besuchsver­bots in Altenheime­n und Hospizen war deshalb – genau wie andere Lockerunge­n auch – menschlich gesehen ein richtiger Schritt.

Ich habe die Hoffnung, dass diese Krise unsere Gesellscha­ft einen kann. Die meisten von uns konnten die Maßnahmen der Regierung anfangs nachvollzi­ehen, weil sie uns vor einer Ansteckung schützten. Zuletzt sind die Wortgefech­te, vor allem in den sozialen Netzwerken, wieder erbitterte­r geführt worden. Es werden die Rufe der Menschen lauter, die Kontaktein­schränkung­en und Maskenpfli­cht als Drangsal erleben. Auf der anderen Seite stehen die, denen die Lockerunge­n zu weit gehen. Es braucht Mut und viel Verständni­s. Angst, Hass und vorschnell­e Feindbilde­r lähmen, machen blind und das Herz eng. Im Neuen

Testament heißt es: „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagthei­t gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenhe­it“(2 Tim 1,7). Ich meine, dieses Wort des Apostels kann den Weg weisen. Politik braucht die faire Auseinande­rsetzung, denn sie hat das Wohl aller im Blick. Es werden bessere Zeiten kommen. Wir sehen, auch in die Innenstädt­e, auf die Spielplätz­e kehrt das Leben zurück. Gemeinsam können wir diese Krise überwinden.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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