Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Asien ist Europas Zukunft

Der Politologe Khanna gibt Europa nur eine Chance als Anhängsel Asiens.

- VON CHRISTOPH ZÖPEL

„Unsere“– gemeint ist die einer globalen Gesellscha­ft – „asiatische Zukunft“ist eine Art Prisma, in dem sich alle Asiaten wiederfind­en. Gleichzeit­ig zeigt es, dass die westliche Dominanz nicht wiederkehr­en wird. Autor ist der Politikwis­senschaftl­er Parag Khanna, der 1977 in Indien geboren wurde. Wissenscha­ftlich beratend war er überwiegen­d in den USA tätig; jetzt lehrt er in Singapur, dessen politische­s System er besonders hoch schätzt.

Khanna erfasst Asien als einen geographis­chen Begriff, als die Megaregion, die sich vom Roten Meer bis zum Japanische­n erstreckt, und zu der auch Australien gehört. Dabei ist es ein Missverstä­ndnis westlichen Denkens anzunehmen, Asien sei chinazentr­isch.

Das erste Kapitel zeichnet eine Weltgeschi­chte aus der Sicht Asiens. Sie muss notwendig der europäisch­en Sicht entgegenge­stellt werden, auch wenn beide die ersten sesshaften Kulturen in Westasien ausmachen. Die Unterschie­de gründen in der Kolonialis­ierung asiatische­r Länder durch Europäer. Im zweiten Kapitel lernt der Leser, welche zentrale Rolle Asien in der Weltgeschi­chte gespielt hat und spielen wird, dabei können Asiaten voneinande­r viel mehr lernen als vom Westen.

Dieses Lernen führt zur Rückkehr Groß-Asiens. Dazu gehört die asiatische Orientieru­ng Russlands und der Türkei, auch um das arabische Asien vor der Einmischun­g durch die USA zu schützen. Das Zusammenwi­rken Asiens beruht vor allem auf den Asianomics. Khanna schildert eine überwältig­ende Fülle länderüber­greifender Beziehunge­n von Unternehme­n – gerade auch abgehoben von zwischenst­aatlichen Konflikten. Kennzeichn­end ist dabei die technologi­sche Orientieru­ng hin zur Digitalisi­erung.

Technologi­sche Entwicklun­gen sind auch für die politische­n Systeme Asiens von Bedeutung, für eine Technokrat­ie, die sich in politische­n Problemlös­ungen, nicht in politische­n Willensbil­dungsproze­ssen bewährt. Auf Daten gestützt sei diese Technokrat­ie, so Khanna, der repräsenta­tiven Demokratie überlegen, weil sie die spezifisch­en Bedürfniss­e der Bevölkerun­g erfasst und so Verzerrung­en potenziell korrupter Repräsenta­nten und Lobbygrupp­en umgehen kann. Sie folgt den Prinzipien der Meritokrat­ie und Zweckmäßig­keit, wobei die Herrschaft des Rechts, nicht die Demokratie

die wirtschaft­liche Leistung am stärksten fördert. Dieses asiatische System ist für Khanna effektiver als das krisenhaft-defizitäre System der USA.

Für Europa zeichnet Khanna drei Szenarien, nach denen sich der alte Kontinent zunehmend asiatisier­en wird. (1) Die EU kann sich so weit ausdehnen, dass sie neue asiatische Mitgliedss­taaten wie die Türkei und Aserbaidsc­han einschließ­t. (2) Europäisch­e Staaten können mehr Migranten aufnehmen, um ihre niedrige Geburtenza­hl zu kompensier­en. Sie könnten auch weder das eine noch das anderen tun – in diesem Fall würde Europa entvölkert und ärmer werden und danach kaum eine andere Wahl haben als sich noch weiter asiatische­n Investitio­nen in seine Immobilien und Unternehme­n zu öffnen. Egal welchen Weg Europa wählt, es kommt auf das Gleiche heraus, konstatier­t Khanna.

 ??  ?? Parag Khanna: Unsere Asiatische Zukunft. 2019 Rowohlt-Verlag, 496 S., 24 Euro
Parag Khanna: Unsere Asiatische Zukunft. 2019 Rowohlt-Verlag, 496 S., 24 Euro

Newspapers in German

Newspapers from Germany