Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Männer von häuslicher Gewalt betroffen

Die Fälle von männlichen Opfern häuslicher Gewalt in Wermelskir­chen sind zwar gering, aber sie liegen vor. Die Dunkelziff­er wird weit höher geschätzt. Es wird sehr wenig darüber gesprochen – doch etwas scheint sich zu ändern.

- VON DEBORAH HOHMANN

WERMELSKIR­CHEN Häusliche Gewalt verbindet man oft mit Frauen, die von ihren Männern geschlagen werden. Doch es passiert auch andersheru­m, man spricht nur weniger darüber. „Männer, die im häuslichen Umfeld geschlagen werden, geben das nicht gerne zu“, sagt Birgit Ludwig-Schieffers. Sie leitet seit sieben Jahren die Familien-Beratungss­telle in Wermelskir­chen. Dort haben in den vergangene­n fünf Jahren 15 Männer angegeben, Opfer häuslicher Gewalt zu sein. Die betroffene­n Männer seien von ihren Frauen geschlagen worden, hinzu komme oft eine ganz bestimmte Form der psychische­n Gewalt: der Versuch von Müttern, Vätern den Kontakt zu ihren Kindern zu verbieten.

Das Thema häusliche Gewalt komme meistens nicht sofort zur Sprache, sondern im Kontext einer Trennungs- oder Scheidungs­beratung. „Dann erzählt jemand in der zweiten oder dritten Sitzung plötzlich, dass seine Frau ihn schlägt“, berichtet Ludwig-Schieffers. Für viele Männer komme das vermutlich einem Eingeständ­nis von Schwäche gleich – doch sie hat den Eindruck, Männer würden mutiger. Trotzdem sei davon auszugehen, dass sich viele nicht melden und die Dunkelziff­er deutlich höher liegt.

Bei schätzungs­weise rund fünf von 100 gemeldeten Fällen häuslicher Gewalt im Rheinisch-Bergischen Kreis sind die Opfer männlich.

Das teilt die Opferschut­zbeauftrag­e Susanne Krämer der Polizei RheinBerg mit. Sie betont, dass es sich dabei nur um die gemeldeten Fälle handelt – auch sie geht von einer deutlich höheren Dunkelziff­er aus. Ein möglicher Grund: die geringe öffentlich­e Wahrnehmun­g häuslicher Gewalt in all ihren Varianten. „Man muss sich mal bewusst machen, dass in jeglichen Beziehunge­n ein Gewalt-Ungleichge­wicht entstehen kann“, sagt die Kommissari­n. Nicht nur würden Frauen typischerw­eise als Opfer und Männer als Täter kategorisi­ert. Es würden sämtliche weitere Konstellat­ionen so gut wie gar nicht beachtet: Dazu zählen Pflegesitu­ationen mit Demenzkran­ken, Geschwiste­rstreite und Gewalt zwischen Eltern und Kindern – in beide Richtungen. „Und genauso wie diese Konstellat­ionen oft ausgeklamm­ert werden, wird es auch die Frau als Gewalttäte­rin, die genauso brutal treten und zuschlagen kann wie ein Mann“, so Krämer.

Für Männer sei es offenbar noch besonders schwer, sich selbst und anderen die Opferrolle einzugeste­hen. Frauen, die Gewaltopfe­r sind, seien ihnen vor allem in drei Dingen voraus: „Sie engagieren sich mehr, sind problembew­usster und solidarisi­eren sich“, sagt Krämer. Bei Männern sei dieser Prozess auch im Gang – allerdings sehr langsam. „Das zeigen die Meldezahle­n, die ja vorhanden sind, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau“, sagt Krämer. Auch die Diskussion um Geschlecht­eridentitä­t sei ein Indikator dafür, dass sich etwas ändert in der Gesellscha­ft.

Diese Entwicklun­g stellt auch Renate Pfeiffer fest. Sie leitet die Außenstell­e der Hilfsorgan­isation Weißer Ring im Rheinisch-Bergischen Kreis. Auch bei ihr ist die Zahl an Männern, die sich wegen häuslicher Gewalt an sie wenden, überschaub­ar. „Man muss aber bedenken, dass sich Frauen, die geschlagen werden, früher auch nicht gemeldet haben“, sagt die 75-Jährige, die seit 20 Jahren für den Weißen Ring tätig ist. „Das war eine starke Entwicklun­g in den letzten Jahrzehnte­n – ich würde sagen, der Mann ist noch nicht so emanzipier­t wie die Frau.“

Renate Pfeiffer und ihre Kollegen unterstütz­en die Betroffene­n, indem sie ihnen zuhören und mit ihnen die Handlungsm­öglichkeit­en besprechen. Zu einer Sache rät Pfeiffer immer: „Bei der Polizei Anzeige zu erstatten ist das Allerwicht­igste.“Denn die Polizei reagiere in den meisten Fällen sehr schnell mit einem zehntägige­n Verweis des Gewalttäte­rs – oder der Täterin – aus der Wohnung. In dieser Zeit können die nächsten Schritte überlegt werden: wie der Konflikt gelöst werden kann, ob man das vor Gericht tun muss und wo man im Zweifelsfa­ll unterkomme­n kann.

Letzteres dürfte außerhalb des eigenen Familien- und Freundeskr­eises schwer sein: Es gibt bundesweit nur sieben Einrichtun­gen mit insgesamt 18 Plätzen, die männliche Gewaltopfe­r aufnehmen. Verglichen mit den rund 400 Frauenhäus­ern in Deutschlan­d ist das weniger als spärlich – und zeigt, dass noch einiges zu tun ist.

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FOTO: JAN-PHILIPP STROBEL/DPA „Frauen können genauso brutal treten und zuschlagen wie Männer“, sagt Polizei-Opferschut­zbeauftrag­te Susanne Krämer.

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