Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Männer von häuslicher Gewalt betroffen
Die Fälle von männlichen Opfern häuslicher Gewalt in Wermelskirchen sind zwar gering, aber sie liegen vor. Die Dunkelziffer wird weit höher geschätzt. Es wird sehr wenig darüber gesprochen – doch etwas scheint sich zu ändern.
WERMELSKIRCHEN Häusliche Gewalt verbindet man oft mit Frauen, die von ihren Männern geschlagen werden. Doch es passiert auch andersherum, man spricht nur weniger darüber. „Männer, die im häuslichen Umfeld geschlagen werden, geben das nicht gerne zu“, sagt Birgit Ludwig-Schieffers. Sie leitet seit sieben Jahren die Familien-Beratungsstelle in Wermelskirchen. Dort haben in den vergangenen fünf Jahren 15 Männer angegeben, Opfer häuslicher Gewalt zu sein. Die betroffenen Männer seien von ihren Frauen geschlagen worden, hinzu komme oft eine ganz bestimmte Form der psychischen Gewalt: der Versuch von Müttern, Vätern den Kontakt zu ihren Kindern zu verbieten.
Das Thema häusliche Gewalt komme meistens nicht sofort zur Sprache, sondern im Kontext einer Trennungs- oder Scheidungsberatung. „Dann erzählt jemand in der zweiten oder dritten Sitzung plötzlich, dass seine Frau ihn schlägt“, berichtet Ludwig-Schieffers. Für viele Männer komme das vermutlich einem Eingeständnis von Schwäche gleich – doch sie hat den Eindruck, Männer würden mutiger. Trotzdem sei davon auszugehen, dass sich viele nicht melden und die Dunkelziffer deutlich höher liegt.
Bei schätzungsweise rund fünf von 100 gemeldeten Fällen häuslicher Gewalt im Rheinisch-Bergischen Kreis sind die Opfer männlich.
Das teilt die Opferschutzbeauftrage Susanne Krämer der Polizei RheinBerg mit. Sie betont, dass es sich dabei nur um die gemeldeten Fälle handelt – auch sie geht von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Ein möglicher Grund: die geringe öffentliche Wahrnehmung häuslicher Gewalt in all ihren Varianten. „Man muss sich mal bewusst machen, dass in jeglichen Beziehungen ein Gewalt-Ungleichgewicht entstehen kann“, sagt die Kommissarin. Nicht nur würden Frauen typischerweise als Opfer und Männer als Täter kategorisiert. Es würden sämtliche weitere Konstellationen so gut wie gar nicht beachtet: Dazu zählen Pflegesituationen mit Demenzkranken, Geschwisterstreite und Gewalt zwischen Eltern und Kindern – in beide Richtungen. „Und genauso wie diese Konstellationen oft ausgeklammert werden, wird es auch die Frau als Gewalttäterin, die genauso brutal treten und zuschlagen kann wie ein Mann“, so Krämer.
Für Männer sei es offenbar noch besonders schwer, sich selbst und anderen die Opferrolle einzugestehen. Frauen, die Gewaltopfer sind, seien ihnen vor allem in drei Dingen voraus: „Sie engagieren sich mehr, sind problembewusster und solidarisieren sich“, sagt Krämer. Bei Männern sei dieser Prozess auch im Gang – allerdings sehr langsam. „Das zeigen die Meldezahlen, die ja vorhanden sind, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau“, sagt Krämer. Auch die Diskussion um Geschlechteridentität sei ein Indikator dafür, dass sich etwas ändert in der Gesellschaft.
Diese Entwicklung stellt auch Renate Pfeiffer fest. Sie leitet die Außenstelle der Hilfsorganisation Weißer Ring im Rheinisch-Bergischen Kreis. Auch bei ihr ist die Zahl an Männern, die sich wegen häuslicher Gewalt an sie wenden, überschaubar. „Man muss aber bedenken, dass sich Frauen, die geschlagen werden, früher auch nicht gemeldet haben“, sagt die 75-Jährige, die seit 20 Jahren für den Weißen Ring tätig ist. „Das war eine starke Entwicklung in den letzten Jahrzehnten – ich würde sagen, der Mann ist noch nicht so emanzipiert wie die Frau.“
Renate Pfeiffer und ihre Kollegen unterstützen die Betroffenen, indem sie ihnen zuhören und mit ihnen die Handlungsmöglichkeiten besprechen. Zu einer Sache rät Pfeiffer immer: „Bei der Polizei Anzeige zu erstatten ist das Allerwichtigste.“Denn die Polizei reagiere in den meisten Fällen sehr schnell mit einem zehntägigen Verweis des Gewalttäters – oder der Täterin – aus der Wohnung. In dieser Zeit können die nächsten Schritte überlegt werden: wie der Konflikt gelöst werden kann, ob man das vor Gericht tun muss und wo man im Zweifelsfall unterkommen kann.
Letzteres dürfte außerhalb des eigenen Familien- und Freundeskreises schwer sein: Es gibt bundesweit nur sieben Einrichtungen mit insgesamt 18 Plätzen, die männliche Gewaltopfer aufnehmen. Verglichen mit den rund 400 Frauenhäusern in Deutschland ist das weniger als spärlich – und zeigt, dass noch einiges zu tun ist.