Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Schwieriger Prozess
Zu „Fünfjähriges Kind zu Tode geprügelt“(RP vom 23. April): Der jüngste Bericht aus der Welt unvorstellbarer Grausamkeiten enthält den fast üblichen Standardsatz „Die Familie war dem Jugendamt bekannt“. Das Jugendamt selbst hat bis auf wenige Ausnahmen keine Möglichkeiten, Kinder aus Familien heraus in Obhut zu nehmen. Das geschieht nur in Akut-Situationen, wenn die Misshandlung sofort erkennbar ist. Oft nur möglich mit Unterstützung von Ordnungsamt oder Polizei. Danach muss das Jugendamt einen Antrag an das Familiengericht über dauerhafte Schutzmaßnahmen stellen. Nicht selten gehört zur Vorgeschichte solcher Fälle, dass Anträge zum Schutz des Kindeswohls von Familiengerichten abgelehnt wurden. Davon liest man nichts. Viele Mitarbeitende in Jugendämtern arbeiten verantwortungsvoll, sie wollen Schutzmaßnahmen einrichten, scheitern aber an zweifelhaften Gutachten oder ebenso zweifelhaft qualifizierten Gutachtern, denen sich Richterinnen und Richter bedienen. Dass Eingriffe in Familienverhältnisse nicht willkürlich erfolgen dürfen, ist ein wichtiges Rechtsgut. Die Kehrseite ist, dass niemand eine Fehlentscheidung treffen will und dass fast jede Entscheidung dieser Art juristisch und/oder moralisch angegriffen wird. Am Ende solcher Prozesse stehen möglicherweise die Kinder als die Verlierer da und Jugendamts-Mitarbeiter pauschal als unfähig. Das haben sie so nicht verdient.
Wilfried Lauinger Düsseldorf