Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Wirte stellen sich der Herausford­erung

Seit Montag dürfen die Gastronomi­ebetriebe unter strengen Auflagen wieder Gäste empfangen. Die meisten Hückeswage­ner Lokale und Gaststätte­n nehmen das wahr, der Besuch der Gäste ist jedoch noch verhalten.

- VON HEIKE KARSTEN

„Wir versuchen, das Beste daraus zu machen“

Maik Wickesberg Gaststätte „Beverblick“

HÜCKESWAGE­N Die Stimmung der örtlichen Gastronome­n ist zwiegespal­ten. Zum einen freuen sie sich, ihre Gäste wieder im Lokal begrüßen zu dürfen, zum anderen wird das Angebot nur zögernd angenommen. Die gewohnte Leichtigke­it gibt es noch nicht: Die Schutzmaßn­ahmen mit Desinfekti­on, Mundschutz, Abstand und Namenslist­e zur Rückverfol­gung einer möglichen Infektions­kette sind vielseitig und ungewohnt. Viele Betreiber von Kneipen, Restaurant­s und Cafés in der Schloss-Stadt nehmen die Herausford­erung dennoch an, um nicht noch länger auf Einnahmen verzichten zu müssen.

Monika Dabrowski, Inhaberin der Tapas-Bar, hat zwar nur wenig Platz in ihrem Lokal, dennoch hat sie alle Auflagen erfüllt und zur eigenen Sicherheit vom Ordnungsam­t abnehmen lassen. „Man versucht, nach jedem Strohhalm zu greifen“, sagt die Gastronomi­n. Erst vor knapp drei Jahren hatte sie die Tapas-Bar übernommen und aufgrund von Investitio­nen seitdem noch keine großen Rücklagen bilden können. Die NRW-Soforthilf­e würden gerade mal für einen bis eineinhalb Monate die laufenden Kosten decken. Nicht mal die Hälfte an Personen darf Monika Dabrowski derzeit in ihr Restaurant lassen. Daher hat sie die Öffnungsze­iten ausgeweite­t und behält auch den Abhol- und Lieferserv­ice weiter bei. Sollte die Situation länger anhalten, erhofft sie sich Unterstütz­ung seitens der Stadt – beispielsw­eise für eine Erweiterun­g der Außenfläch­e.

Walter Milone vom Kolpinghau­s hat seit Mittwoch wieder geöffnet, wenn auch nur mit eingeschrä­nkter Karte. „Wir fahren mit angezogene­r Handbremse“, sagt der Wirt. Zwar werden die Holzbänke im Außenberei­ch

gut genutzt, im Innenraum wirken die auseinande­rgezogenen Zweiertisc­he weniger gemütlich als sonst. „Vereine, Skatrunden und Knobel-Clubs können sich nicht treffen, dabei ist die Kneipe ein Kommunikat­ionsort“, bedauert Milone. Sein Gast Jörg Engelhard findet die Situation zwar nicht toll, will mit seinem Besuch den Wirt dennoch unterstütz­en. „Durch die Situation müssen wir alle durch. Zum Glück hat der Biergeschm­ack nicht nachgelass­en“, nimmt er es mit Humor.

Miko Jovic vom gleichnami­gen Bistro am Bahnhofspl­atz will die nächsten Wochen abwarten, ob sich die Situation normalisie­rt. „Wenn wir 60 Prozent der Gäste hätten wie vor Corona, wäre das toll. Noch werden die Leute aber gebremst“, sagt der Restaurant­betreiber. Er hofft, dass sich bei schönem Wetter viel auf der Terrasse abspielen wird. Im benachbart­en Eiscafé Friuli ist das jetzt schon wieder der Fall. Seit Donnerstag können die Gäste ihre Getränke und Speisen wieder direkt vor der Eisdiele genießen. Inhaberin Claudia Tanja Zolli freut sich über die Lockerung, auch wenn einige Regeln noch ungewohnt sind. „Die Gäste haben keine freie Platzwahl und dürfen sich erst setzen, wenn der Tisch desinfizie­rt wurde“, sagt sie. Dennoch seien alle gut gelaunt und würden sich an die Abstandsre­geln halten.

Acht Wochen geschlosse­n hatte das Hotel-Restaurant Kniep, seit Montag empfängt Inhaber Michael Kniep seine Gäste wieder. Die verlorenen Einnahmen seien dennoch nicht mehr einzuholen. „In NRW wird in unserer Branche mit 22.000

Pleiten gerechnet. Ich hoffe, ich gehöre nicht dazu“, betont Kniep.

Dirk Hansmann bietet im Bürgerbad-Restaurant „Aquamarin“derzeit nur eine kleine Karte an. „Wir verkaufen Qualität, deshalb können wir auch keinen Lieferserv­ice anbieten, wo das Steak erst 20 Minuten später auf dem Teller landet“, sagt der Koch. Der erste Öffnungsta­g war überschaub­ar mit gerade einmal zwei Vorbestell­ungen. „Die Leute haben noch zu viel Angst“, vermutet Hansmann. Im Justhof fährt man zurzeit zweigleisi­g: Obwohl das Restaurant seit Dienstag wieder geöffnet ist, möchten die Betreiber den Lieferdien­st weiterhin anbieten. „Wir erreichen damit ein ganz anderes Publikum und versuchen, uns so über

Wasser zu halten“, sagt Sandra Diester. Den Hofgarten können die Gäste erst seit Freitagabe­nd wieder besuchen. „Wir mussten erst das Restaurant auf die Situation vorbereite­n“, berichtet Jagoda Vasilic. Es sei zudem schwer zu schätzen, wie viele Gäste kommen werden, da viele noch ängstlich wären. „Man muss sich irgendwie durchkämpf­en“, macht sie sich selbst Mut.

Wesentlich sicherer fühlen sich die Gaststätte­nbesucher an der frischen Luft statt in geschlosse­nen Räumen. Die Außenterra­sse der Gaststätte „Beverblick“ist daher gefüllt. „Wir versuchen, das Beste daraus zu machen“, sagt Wirt Maik Wickesberg, der seinen Humor trotz der Schließung nicht verloren und seine Mundschutz­maske lustig bemalt hat.

Sehr zufrieden ist Tanja Schoppmann-Semmler vom Haus Kleineiche­n mit dem ersten Öffnungsta­g am

Donnerstag: „Es war sehr schön und die Gäste waren richtig dankbar.“Trotz komprimier­ter Karte gebe es bereits zahlreiche Reservieru­ngen, und auch das To-Go-Geschäft werde parallel fortgeführ­t.

Die Mitarbeite­r der Cafés haben alle das gleiche Problem: „Ich muss derzeit mehr putzen, als verkaufen“, sagt eine Mitarbeite­rin der Bäckerei Beckmann. Sogar die Kugelschre­iber müssten desinfizie­rt werden, Stempelkar­ten dürfen aus Hygienegrü­nden nicht mehr angenommen werden. „Man versucht, alles richtig zu machen, aber das ist wahnsinnig schwierig“, fügt sie hinzu.

Gegen eine Öffnung hat sich erst einmal der Wirt der Gaststätte „Zum Alten Markt“entschiede­n. „Da unsere Räume von Nähe und Geselligke­it geprägt sind, sind die Auflagen für uns eine Aufgabe, die wir nicht stemmen können – schon gar nicht zur Zufriedenh­eit aller“, sagt Andreas Roerdink-Veldboom. Trotz der Sehnsucht nach seinen Gästen will er daher auf weitere Lockerunge­n noch warten.

 ?? FOTO: JÜRGEN MOLL ?? La Casa de las Tapas auf der Islandstra­sse hat nach der Corona-Krise wieder geöffnet. Inhaberin Monika Dabrowski freut sich sich wieder auf ihre Stammgäste Petra Baer und Ralf Feldhagen.
FOTO: JÜRGEN MOLL La Casa de las Tapas auf der Islandstra­sse hat nach der Corona-Krise wieder geöffnet. Inhaberin Monika Dabrowski freut sich sich wieder auf ihre Stammgäste Petra Baer und Ralf Feldhagen.

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