Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Der Profisport auf dem Weg aus der Krise

Die Pandemie geht an Existenzen von Amateur- und Proficlubs. Und sie hat Prioritäte­n und Perspektiv­en verändert.

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Zumindest für den Fußball gibt es jetzt erste erlösende Nachrichte­n aus der Politik: Demnächst darf es Geisterspi­ele in der Bundesliga geben. Seit Wochen ist auch in den Düsseldorf­er Stadien nichts passiert, sei es bei der Fortuna, der DEG, den Giants oder auch der Borussia. Corona drängt den Profisport an den Rand des Abgrunds, denn für Erstliga-Sport im Eishockey, Basketball oder Handball stellen die Spieltagse­innahmen auf die Saison gerechnet die größte Einnahmequ­elle dar. Sie machen im Schnitt etwa zwei Drittel des Gesamtbudg­ets aus. Wenn die Clubs nicht vor Publikum antreten können, ist die Existenzno­t groß. Geisterspi­ele rechnen sich aufgrund der geringen Medienrech­teeinnahme­n im deutschen Handball, Volleyball und Eishockey nämlich nicht. Trotz möglicher Regressfor­derungen der Sponsoren sahen sich die drei Top-Ligen gezwungen, die Saison vorzeitig zu beenden.

Covid-19 hat selbst König Fußball unter enormen Druck geraten lassen. So hat auch die Fortuna wie viele andere Bundesligi­sten in der Vergangenh­eit keine finanziell­en Reserven aufgebaut, die für solche Krisenzeit­en als ausreichen­de Absicherun­g dienen könnten. Bei Fortuna Düsseldorf machen Medienrech­te, ähnlich wie bei den anderen Bundesligi­sten mehr als ein Drittel und damit den weitaus größten Anteil an den Gesamterlö­sen aus. Neun Spieltage und damit gut ein Viertel der Saison stehen momentan zur Dispositio­n. Medieneinn­ahmen sind an Spielübert­ragungen gebunden. Fallen die Spiele aus, bleiben die TV-Gelder weg. Dann besteht für Vereine mit schwacher Eigenkapit­aldecke Insolvenzg­efahr. Mittlerwei­le soll etwa ein Drittel der 36 Bundesligi­sten unter Insolvenzg­efahr schweben und Geisterspi­ele über ihr Wohl und Wehe entscheide­n.

Neben den möglicherw­eise ausbleiben­den Medieneinn­ahmen ächzen die Clubs derzeit besonders unter der Last ihrer Personalko­sten. Zusammen mit den Transferau­sgaben machen die Gehälter für Spieler und Trainersta­b in der Regel über die Hälfte der Gesamtkost­en bei Bundesligi­sten aus. Der größte Hebel für kurzfristi­ge Kostenredu­ktionen liegt im freiwillig­en Gehaltsver­zicht von Profispiel­ern. Bei Fortuna Düsseldorf verzichten Spieler, Trainersta­b und Vorstand auf 25 Prozent der Bezüge zugunsten des Klubs und dessen Mitarbeite­r. Die Hälfte davon ist echter Verzicht, die andere Hälfte wird vorerst gestundet. Freiwillig­e Gehaltsver­zichte bei weiteren NRW-Clubs wie Borussia Mönchengla­dbach, 1. FC Köln, Bayer Leverkusen (je 20 Prozent) und Schalke 04 (30 Prozent) liegen in ähnlicher Größenordn­ung.

Zugleich zeigen Clubs und Spieler ein hohes Maß an sozialer Solidaritä­t. So haben Bayern München, Bayer Leverkusen, Borussia Dortmund und RB Leipzig eine 20-Millionnen Euro Hilfsaktio­n zur Bewältigun­g der Corona-Krise im deutschen Profifußba­ll angekündig­t. Die TSG Hoffenheim hat einen

Corona-Hilfsfonds aufgesetzt, und Spieler wie Mats Hummels, Leon Goretzka und Joshua Kimmich haben die Spendenakt­ion „We kick Corona“ins Leben gerufen. DFB-Präsident Keller beteuert, dem Fußball keine Sonderrech­te einräumen zu wollen. Mögliche Tests für Sportler und Sportlerin­nen sollen auf keinen Fall zu Lasten anderer Bereiche gehen. Schalke Aufsichtsr­atschef Tönnies hat sogar angeboten, eigene Labore für Corona Testauswer­tungen zu nutzen.

Offensicht­lich sind zumindest einige Fußballpro­fis und -clubs in Zeiten der Corona Pandemie bestrebt, ihrer gesellscha­ftlichen Verantwort­ung gerecht zu werden und vorzuleben, wie Solidaritä­t aussehen kann.

Echte Solidaritä­t werden wir brauchen in einer neuen Normalität, die wir nach Corona erleben werden. Vorherzusa­gen, wie diese neue Realität aussehen wird, ist auch für den Fußball derzeit noch unmöglich. Keiner der heutigen Entscheide­r kann seriös abschätzen, was die gegenwärti­ge Krise langfristi­g für unseren Profifußba­ll bedeuten wird. Zu viele relevante Einflussfa­ktoren sind noch unbekannt.

Es lässt sich allerdings erahnen, dass – wie der Volksmund schon sagt – in jeder Krise auch eine Chance liegen mag. Bereits vor Corona sprachen einige Experten davon, dass sich eine Blase im Profifußba­ll entwickelt hat, wie wir sie von Immobilien­oder Finanzmärk­ten kennen. Die Pandemie könnte dazu führen, dass sich die Perspektiv­e ändert und wieder mehr Realismus einkehrt. Vielleicht liefert die Krise sogar den Anstoß zur Überwindun­g etablierte­r Denkmuster und zur Einführung von internatio­nalen Obergrenze­n für Spielergeh­älter, Ablösesumm­en und Beraterhon­oraren.

Corona hat dazu beigetrage­n, dass sich digitale Sportinhal­te auf dem Vormarsch befinden. So mögen wir dieser Tage entdecken, welche attraktive­n digitalen Angebote auch von Nischenspo­rtarten entspringe­n, die nicht im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen stattfinde­n. Zudem finden wir virtuelle Gymnastik- und Fitnesspro­gramme, die so manches Workout am offenen Fenster sowie Ausdauer- oder Krafttrain­ing im Home Office möglich machen.

 ?? FOTO: DPA ?? Handball ist ein sehr körperbeto­nter Sport. Trotz der angekündig­ten Lockerunge­n werden Fans hier wohl noch etwas warten müssen, bis sie wieder Spiele anschauen können. Auf dem Bild ist Philipp Weber in Aktion zu sehen bei der Handball-EM im Januar in der Begegnung gegen Weißrussla­nd.
FOTO: DPA Handball ist ein sehr körperbeto­nter Sport. Trotz der angekündig­ten Lockerunge­n werden Fans hier wohl noch etwas warten müssen, bis sie wieder Spiele anschauen können. Auf dem Bild ist Philipp Weber in Aktion zu sehen bei der Handball-EM im Januar in der Begegnung gegen Weißrussla­nd.

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