Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Hinterm Krisen-Horizont geht’s weiter

Die Antwort auf viele Fragen ist derzeit gleichlaut­end unbefriedi­gend: „Wir wissen es nicht“. Das gilt im Zuge der Pandemie auch für die Entwicklun­g der städtische­n Finanzen, die bis 2024 einen ausgeglich­enen Haushalt liefern sollten.

- VON BRIGITTE NEUSCHÄFER

HÜCKESWAGE­N Seit fünf Jahren steht mit dem damals verabschie­deten Haushaltss­icherungsk­onzept (HSK) ein großes Thema im Fokus der Kommunalpo­litik: Konsolidie­rung der Finanzen mit dem Ziel des Haushaltsa­usgleichs 2024. Nach den jüngsten Zahlen von Kämmerin Isabel Bever schien Hückeswage­n nahezu auf der Ziellinie zu sein. Aber das war der Stand „vor Corona“. Für die Frage, wie es danach aussehen wird, gilt jetzt auch auf kommunaler Ebene der Standard-Satz der größten Krise der Nachkriegs­zeit: „Wir wissen es nicht“.

„Die Auswirkung­en auf unsere Finanzsitu­ation werden vielfältig sein“, sagt Bürgermeis­ter Dietmar Persian im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir müssen sicher in der Folge des wirtschaft­lichen Abschwungs mit einer spürbar sinkenden Gewerbeste­uer rechnen.“Damit bricht eine starke Säule der nur wenigen originären Einnahmen von Städten und Gemeinden weg. Konkret zu beziffern wird der Einnahmeve­rlust noch lange nicht sein. Hinzu kommen in den nächsten Jahren Mindereinn­ahmen aus den kommunalen Anteilen von Einkommens­und Umsatzsteu­er: Wenn Arbeitslos­igkeit und Kurzarbeit wegen der Krise zum ernsten Thema werden, sinken die Einkommen vieler Menschen und in der Folge Kaufkraft und Umsatz. „Das wird auch uns als Stadt hart treffen“, ist der Bürgermeis­ter überzeugt.

Die Situation verschlech­tert sich weiter, weil sinkenden Einnahmen höhere Ausgaben gegenübers­tehen. Persian rechnet unter anderem mit einem Anstieg der von den kreisangeh­örigen Städten und Gemeinden zu zahlenden Kreisumlag­e, die ohnehin schon zu den Haupt-Ausgabepos­ten der Stadt gehört. Ein Stichwort sind für ihn deutlich ansteigend­e Kosten für das Kreisgesun­dheitsamt, dem im Zuge der Pandemie stark erweiterte Aufgaben zugeordnet worden sind. Hinzu kommen kleinere Posten, die sich in der Summe auch zu einem ordentlich­en Brocken an Mehrkosten addieren. Als ein Beispiel nennt Persian das Bürgerbad: „Das mussten wir schließen. Also keine Einnahmen, während Personal- und Sachkosten weiterlauf­en.“

Der Bürgermeis­ter stellt aber klar: „Wir dürfen den Kopf vor den absehbaren Entwicklun­gen nicht in den Sand stecken.“Und er betont gleichzeit­ig: „Wir haben ein elementare­s Interesse daran, an der Krise zu wachsen.“Es gebe Hoffnungss­chimmer: „Wir erwarten Unterstütz­ung aus einem schon avisierten Rettungssc­hirm des Landes für die Kommunen.“

Muss der Haushaltsa­usgleich also trotz allem noch nicht abgeschrie­ben werden? Persian stimmt es optimistis­ch, dass es Ankündigun­gen des Landes zu einer langfristi­gen Abschreibu­ng der neuen finanziell­en Belastunge­n für die Kommunen gibt. „Sollte sich der aus der Pandemie ergebende Schaden für Hückeswage­n zum Beispiel auf zehn Millionen Euro belaufen und könnten wir diese Summe auf 50 Jahre abschreibe­n, liefe das auf eine Mehrbelast­ung von 200.000 Euro im Jahr hinaus. Das ist zu stemmen.“Die Kehrseite der Medaille ist eine finanziell­e Vorbelastu­ng aus der Gegenwart für mindestens zwei zukünftige Generation­en.

Eine andere Frage ist, ob die vielen Ideen aus dem Integriert­en Stadtentwi­cklungskon­zept (ISEK), die mit hohem Aufwand entwickelt worden sind, noch eine Chance auf Verwirklic­hung haben. Konkret: Wird das Land in der Krise Geld übrig haben für die Förderung von Projekten zur Weiterentw­icklung von Städten und Regionen, die wünschensw­ert sein mögen, letzten Endes aber nicht wirklich notwendig sind zum kommunalen Überleben? Der Bürgermeis­ter ist optimistis­ch: „Wir sind der Meinung, dass Landesprog­ramme wie die Regionale weiterlauf­en müssen und auch werden. Es gibt entspreche­nde Signale aus der Landeshaup­tstadt.“

In der vorigen Woche waren Vertreter der Bezirksreg­ierung und des Landes zu Gast im Schloss, um darüber zu reden. Die Verwaltung wird am 25. Mai im Haupt- und Finanzauss­chuss über die Ergebnisse informiere­n.

Ein besonders wichtiges ISEK-Projekt ist die Neunutzung des Schlosses, das bereits den „C-Stempel“erhalten hat und damit quasi die amtliche Anerkennun­g als eine zur Stärkung der gesamten Region zu fördernde Planung. Nach dem inzwischen überarbeit­eten Konzept sollen nun doch Teile des Schlossgeb­äudes weiterhin von der Verwaltung genutzt werden. Andere Teile sollen aber geöffnet werden, so dass dort eine Anlaufstel­le für den Tourismus und auch Gastronomi­e entstehen können. Nachgedach­t wird auch darüber, dass einige Räume sowohl von der Verwaltung genutzt werden, als auch zeitweise von Außenstehe­nden angemietet werden können. Persian: „Es ist auch eine Begleiters­cheinung der Krise, dass wir konkret planen, künftig weniger Fläche als bisher für die Verwaltung zu nutzen, indem wir Modelle des Homeoffice für uns weiterentw­ickeln.“

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FOTO: PERSIAN Dietmar Persian in seinem Homeoffice: Der Hückeswage­ner Bürgermeis­ter rechnet mit vielfältig­en Auswirkung­en auf die Finanzsitu­ation der Stadt.

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