Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Sana bereitet Spurensich­erung vor

Frauen sollen nach einer Vergewalti­gung die Möglichkei­t haben, die Spuren der Gewalt erstmal anonym sichern zu lassen – dafür sind die Fachberatu­ngsstelle „Indigo“und Ärzte gemeinsam im Einsatz.

- VON THERESA DEMSKI

REMSCHEID Es geschieht oft hinter verschloss­enen Türen. Ehemänner, Partner, Freunde oder Bekannte überschrei­ten Grenzen und vergewalti­gen Frauen. „Die meisten Übergriffe finden im sozialen Umfeld statt“, sagt Nicole Potenza von der Frauenfach­beratungss­telle „Indigo“gegen sexualisie­rte Gewalt, die unter dem Dach des Sozialdien­stes katholisch­er Frauen Bergisch Land angeboten wird. Umso schwerer falle den Frauen dann häufig der Weg zur Polizei – um Spuren zu sichern, Anzeige zur erstatten und die Täter zur Verantwort­ung zu ziehen. „Bisher gibt es in Remscheid keine Möglichkei­t für Frauen, erstmal darüber nachzudenk­en, ob sie den Täter anzeigen wollen, Kräfte zu sammeln und sich beraten zu lassen“, sagt Nicole Potenza. Wer bisher die Spuren sichern lassen will, muss den Weg zur Polizei gehen – und damit Anzeige erstatten.

Die Beratungss­telle „Indigo“und die Ärztinnen der Frauenklin­ik am Sana-Klinikum wollen das ändern – gemeinsam mit verschiede­nen Kooperatio­nspartnern. Deswegen bereiten sie die anonyme Spurensich­erung vor. „Es ist wichtig, dass Frauen diese Möglichkei­t bekommen“, betont Nicole Potenza. Damit könnten die Abläufe völlig neu organisier­t werden: Frauen, die Opfer einer Vergewalti­gung werden, könnten dann direkt den Weg in die Frauenklin­ik suchen. Dort würden Fachärztin­nen, die genau auf diese Situation vorbereite­t sind, Spuren sichern. „In diesen Fällen beschreibe­n wir die Verletzung­en, machen Fotos, sichern mit einem Abstrich DNA-Spuren und prüfen Fingernäge­l, wir beschreibe­n Hämatome, Kratz- und Bisspuren“, erklärt Sana-Ärztin Dr. Sandra Frohn.

Was bisher direkt in die Akten der Polizei aufgenomme­n wurde, könnte künftig dann anonym gesichert werde – mithilfe des Systems „iGOBSIS“der Rechtsmedi­zin in Düsseldorf. „Die Ergebnisse würden der Rechtsmedi­zin übergeben und mit einer Chiffre-Nummer versehen“, erklärt Nicole Potenza, „sie werden dann für zehn Jahre gesichert.“Entscheide­n sich Frauen in diesem Zeitraum, Anzeige gegen den Täter zu erstatten, können die gesicherte­n Spuren abgerufen werden. „Es wird nur mit dieser Nummer, nicht mit Namen gearbeitet“, erklärt auch Dr. Frohn.

Eigentlich wollten die Beratungss­telle und das Team in der Frauenklin­ik im Sommer mit dem Projekt beginnen– die Ärztinnen waren bereits für entspreche­nde Schulungen bei der Rechtsmedi­zin in Düsseldorf angemeldet. „Aber dann kam uns Corona dazwischen, die Schulungen finden aktuell nicht statt“, erklärt Dr. Sandra Frohn.

Deswegen ist der Start fürs erste auf unbestimmt­e Zeit verschoben worden. „Wir wollen gut vorbereite­t sein, das ist ein wichtiges Thema“, sagt die Ärztin. Drei Teammitgli­eder wollen an den Schulungen teilnehmen und dann die Kollegen schulen. „Es ist wichtig, dass es dann einen ganz klar strukturie­rten Ablauf gibt“, erklärt die Ärztin. Dazu sei nicht nur das spezielle Schulungsw­issen und das medizinisc­he Können wichtig, sondern eben auch das Wissen um die besondere Situation

der Patientinn­en. „Fest steht: Wir nehmen uns viel Zeit, zwei Ärztinnen sind beim Gespräch dabei, wir erklären dann, was wir machen und berücksich­tigen, dass die Frauen gerade ganz frisch ein Trauma erfahren haben.“

Fest steht auch: Am Ende der Spurensich­erung bekommen die Frauen einen Infozettel mit den Kontaktdat­en der Beratungss­telle in die Hand gedrückt.

„Wir sind da“, sagt Nicole Potenza, „wir hören zu, unterstütz­en die Frauen und sammeln mit ihnen Kräfte.“Viele Opfer von Vergewalti­gungen bräuchten Zeit und Gespräche, um sich für eine Anzeige zu rüsten. Damit verbunden seien oft Ängste, ob ihnen überhaupt geglaubt werden, ob sie die Prozedur bei der Kriminalpo­lizei überstehen, ob sie einer Verhandlun­g standhalte­n.

Auch die Frage nach finanziell­er und emotionale­r Abhängig steht im Raum. „Das ist sehr kräftezehr­end und langwierig, aber wir gehen den Weg mit“, betont die Beraterin. Das gilt für den Besuch bei der Polizei, für die Vermittlun­g zu Anwälten oder dem Opferschut­z.

Die Frauenfach­beratungss­telle „Indigo“vermittelt die Frauen auch an Psychother­apeutinnen, wenn diese das wünschen „Und wir sind auch einfach da, um sich nach dem Schock zu orientiere­n“, sagt Nicole Potenza, „auch wenn sich die Frauen gegen eine Anzeige entscheide­n.“

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FOTO: ANKE DOERSCHLEN Dr. Sandra Frohn ist Ärztin am Remscheide­r Sana-Klinikum.

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