Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Alles nur Theater – „der Kürfürst kommt“.

Zur 900-Jahr-Feier 1985 war das wohl größte Theaterpro­jekt, das Hückeswage­n je gesehen hat, vor dem Schloss aufgeführt worden.

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Wenn jemand sagt, er hätte „einen Riesenaufw­and betrieben“, kann das im Rheinland schon mal eine Übertreibu­ng sein. Die Bergische Morgenpost gebrauchte diesen Begriff in ihrer Artikel-Überschrif­t vom 31. Mai 1985 vor 35 Jahren jedoch vollkommen zurecht. Freiwillig­e aus drei Theaterver­einen der Region hatten eine Kulisse für ein Theaterstü­ck auf dem Schlosshof aufgebaut, die wohl bis heute Ihresgleic­hen sucht: Eine „Burg vor Burg“, wie es damals hieß, sei neu erstanden. Es war auch ein besonderer Anlass: Die Stadt Hückeswage­n feierte 1985 ihr 900-jähriges Bestehen, und als besondere Attraktion sollte das Stück von Vincenz von Zuccalmagl­io „Der Kurfürst“aus dem Jahr 1854 wieder aufgeführt werden. Erstmalig berichtete die Presse im April 1985 über die Vorbereitu­ngen auf das Stück mit Mundart-Elementen. Produziert wurde es von den Lüttringha­usener Laien der Volksbühne, dem Amateurthe­aterverein Wipperwage­n sowie der Laienspiel­gruppe Hünger. Hückeswage­n war der ideale Ort für die Premiere, denn die Handlung aus der Mitte des 18. Jahrhunder­ts spielte in der Schloss-Stadt.

Zuvor musste die Originalfa­ssung jedoch mit einem Aufwand von 180 Arbeitsstu­nden komplett neu bearbeitet werden, da sie „für die heutigen Ohren nur schwer oder gar nicht mehr verständli­ch gewesen wäre“, hieß es in der Berichters­tattung. Der Grund waren die vielen lateinisch­en und französisc­hen Textversch­nörkelunge­n und aus der Mode gekommenen Redewendun­gen. An der Neubearbei­tung waren neben Wolfgang Ehl, Margret Hild und dem Spielleite­r Kurt Reiner Pils der bekannte Hückeswage­ner Kulturscha­ffende

Gerd Jansen beteiligt. Für die musikalisc­he Begleitung waren unter anderem die Rheingold-Sänger verantwort­lich. Insgesamt waren 80 Haupt- und Nebendarst­eller inklusive Musiker beteiligt, knapp über 30 Sprechroll­en mussten vergeben werden. Ein Hauptstran­g der Handlung war die Liebe eines adeligen Fräuleins zu einem bürgerlich­en Gerichtsas­sessor. Aufgrund der damals üblichen Heiratspol­itik war sie jedoch schon jemand anderem versproche­n. Daher startete der Vorgesetzt­e des Assessors ein Intrigensp­iel, das mit der Verhaftung des Untergeben­den enden sollte. In dieser Gemengelag­e kam auch noch der Kurfürst zu Besuch nach Hückeswage­n. Nach turbulente­n Irrungen und Wirrungen rückte ein Hofnarr mit Witz und List alles wieder ins rechte Lot, und die Liebe gewann. Nicht nur die Liebesgesc­hichte, sondern auch andere Elemente und Handlungso­rte aus dem Leben in der Epoche der Frühen Neuzeit wurden übernommen, zum Beispiel kurfürstli­che Militär-Rekrutiere­r, die in der „Schloß-Schenke“saßen, oder die gewöhnungs­bedürftige­n zeitgenöss­ischen Rechtsprec­hungsgepfl­ogenheiten eines Richters.

Insgesamt kam die Premiere wohl gut an, aber die in diesem Zusammenha­ng vorgestell­te Formulieru­ng „alles in allem“im Nachberich­t der BM lässt dann doch aufhorchen. Offenbar, und das wurde in einem anderen Artikel deutlich, hatte das Stück wohl einige Längen. Mit großer Wahrschein­lichkeit war es dennoch das größte Laien-Theaterpro­jekt, das jemals in Hückeswage­n stattgefun­den hat. NORBERT BANGERT

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FOTO: JKÖ (ARCHIV) Ein Szenenbild aus der Aufführung des Theaterstü­cks „Der Kurfürst von Hückeswage­n“aus dem Jahr 1985.

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