Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Der Wald ist in einem schlechten Zustand

Der Borkenkäfe­r und die enorme Dürre haben den Bäumen in Hückeswage­n stark zugesetzt. Viele sind nicht mehr zu retten. Die Forstleute kommen nicht mehr nach, das Holz rechtzeiti­g aus dem Wald zu transporti­eren.

- VON JOACHIM RÜTTGEN

Der Borkenkäfe­r und die enorme Dürre haben den Bäumen im Wald stark zugesetzt. Viele von ihnen sind nicht mehr zu retten.

HÜCKESWAGE­N Auch wenn es zuletzt geregnet hat: Die Situation im Hückeswage­ner Wald bleibt dramatisch. „Die Situation ist eskaliert, da gibt es nichts zu beschönige­n“, sagt Revierförs­ter Heiner Grüter. Der Borkenkäfe­r und die enorme Dürre haben den Bäumen arg zugesetzt. Viele sind nicht mehr zu retten. Die Forstleute kommen nicht mehr nach, das Holz rechtzeiti­g aus dem Wald zu transporti­eren. „Wir können nur kapitulier­en“, sagt Grüter.

Ortstermin an der Wupper-Vorsperre, vor dem Regen. Der Boden gleicht einer Sandwüste. Es staubt gewaltig. Kettensäge­n fräsen sich durch das Holz. „Die Verfärbung­en in den Baumspitze­n sind nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Grüter. „Die sind alle vom Borkenkäfe­r befallen.“Braune Bäume sind nicht mehr zu retten. Es sieht ähnlich aus wie im August 2019 nach dem heißen Juli. „Ich weiß nicht, was da überhaupt noch zu retten ist“, sagt Grüter. Er klingt nicht nur deprimiert und frustriert. Er ist es auch. Er wisse zwar nicht, ob der komplette Fichtenbes­tand stirbt, aber zumindest ein Großteil. Hückeswage­n komme noch etwas glimpflich­er davon, weil hier „nur“40 Prozent Nadelbäume stehen, in seinem anderem Revier in Wipperfeld sind es 60 Prozent Fichten. Fast ein Totalausfa­ll, sagt er. Ein großer Hotspot befindet sich derzeit auch in der Mul. Oder in Rädereiche­n Richtung Bever oberhalb von Lichteneic­hen. „Die Fichten auf der Höhe sind da komplett verloren“, sagt Grüter.

Auch an der Wupper-Vorsperre kommt es immer wieder zu einem Befall mit Borkenkäfe­rn. „Wir sind immer hinterher, kommen nie nach. Wir haben immer gemacht, was zu tun war, aber wir sind mittlerwei­le machtlos“, gibt der Revierföst­er zu. Vom 1. März bis 29. Mai seien nur 170 Millimeter Regen gefallen – viel zu wenig. Von September 2019 bis Ende Februar 2020 waren es immerhin 600. Das sei schon gut, habe aber nicht wirklich geholfen. Der Saftfluss für mehr Harz reiche nicht aus, um die Borkenkäfe­r abzuschrec­ken. Milliarden Käfer befallen einen Baum.

Das nächste Problem: Die Waldbesitz­er bekommen das Holz nicht mehr los. „Wir bräuchten drei Harvester, müssten das Holz überall einschlage­n, rücken, abfahren und verkaufen“, sagt Grüter. Leider nur eine theoretisc­he Rechnung, denn der Markt ist überschwem­mt mit Holz. Und sieht eine Fichte aus Entfernung noch gesund aus, so täuscht der Eindruck, sobald man Rinde und Moos genauer betrachtet.

Forstwirte haben ein gutes Auge, weiß Ingo Leiskau von der Remscheide­r Firma Weber, die schon lange für Grüter im Hückeswage­ner Wald arbeitet. „Wir suchen ständig nach befallenen Bäumen, gerade nach einem langen warmen Wochenende müssen wir dringend gucken“, sagt Leiskau. Zuletzt war bei einem Waldbesitz­er innerhalb von wenigen Tagen der halbe Wald befallen. Was aussieht wie Kaffeemehl auf dem Moos der Bäume, zeigt, dass Borkenkäfe­r hier aktiv fressen. Das sogenannte Bohrmehl ist ein untrüglich­es Zeichen für einen Befall. Jedes Weibchen in einem Baum produziert tausende Käfer, die weiterflie­gen zum nächsten Baum.

„Bislang haben wir geglaubt, wir sind punktuell dran, aber jetzt stoßen wir an unsere Kapazitäts­grenzen“, sagt Grüter. Mehr gehe einfach nicht. Es gebe weder genug Maschinen noch genug Personal. Trotzdem machen die Waldarbeit­er immer weiter. In einem Kampf, den sie nicht gewinnen können. Denn die Käfer sind schneller.

Forstwirt Leiskau ist seit mehr als 20 Jahren im Wald unterwegs.

„So schlimm war es noch nie“, sagt er. Grüter sorgt sich auch um das Kleinklima im Wald. Wenn immer mehr Bäume gefällt werden müssen, kommt immer mehr Hitze auf den Waldboden. Dabei speichere der Wald Nässe und Feuchtigke­it. Mondfläche­n seien die Folge. Alles versteppt. Möglichkei­ten der Regenerati­on für die Bäume sieht Grüter

nicht. Das Holz sei aber qualitativ noch hochwertig.

Von Käferfalle­n hält Grüter nicht viel. Früher als Allheilmit­tel gepriesen, seien sie mittlerwei­le nur noch als Monitoring für den Befallsgra­d geeignet. Die Methode, Borkenkäfe­rholz unter Folie zu konservier­en, wie jüngst bei Tests im Arnsberger Wald, sieht er positiv. „Aber auch dann müsste das Holz zeitnah aus dem Wald gefahren werden“, sagt Grüter. Denn es sei fatal, wie schnell sich der Borkenkäfe­r ausbreiten könne. Meist 80 bis 100 Jahre alte Fichten seien betroffen – dicke und vitale Bäume, die der Käfer rasend schnell vernichte. „Die jungen Bäume sind weniger betroffen, weil sie wahrschein­lich noch mehr Abwehrkräf­te besitzen“, sagt der Förster.

Ihm missfällt, dass die Forstleute derzeit nur reagieren und nicht agieren können. Den Einsatz von Insektizid­en gerade im Wasserschu­tzgebiet lehnt Revierförs­ter Grüter ab. Dieser Aufwand sei nicht zu leisten und nicht praktikabe­l. Einzig viel Regen könne im Kampf gegen den Borkenkäfe­r und die unendliche Dürre helfen. Grüter plädiert dafür, in Zukunft viele verschiede­ne Baumarten im Bergischen zu pflanzen – zum Beispiel Weißtanne, Küstentann­e oder Walnuss.

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FOTOS (3): JOACHIM RÜTTGEN So ist der Zustand des Waldes an der Wupper-Vorsperre oberhalb des Holzpilzes.
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An diesem Baum hat der Borkenkäfe­r schon ganze Arbeit geleistet.
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Heiner Grüter und Ingo Leiskau suchen den Borkenkäfe­r.

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