Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Kampf gegen Rechtsterror hat erst begonnen
In Frankfurt beginnt der Lübcke-Prozess. Die Hintergründe des Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten sind weiter ungeklärt.
BERLIN Gut ein Jahr nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke beginnt an diesem Dienstag der Prozess gegen zwei Männer, denen die Bundesanwaltschaft die Tat und die Beihilfe dazu zur Last legen. Von dem zunächst bis Oktober geplanten Prozess erhoffen sich Behörden und Öffentlichkeit auch weitere Erkenntnisse über mögliche rechtsterroristische Netzwerke. Die beiden Angeklagten waren den Sicherheitsbehörden zwar bekannt, galten aber seit Jahren als nicht mehr sonderlich aktiv. Wie steht es unter diesem Eindruck um den Kampf gegen den Rechtsterror in Deutschland ein Jahr nach dem aufrüttelnden Mord aus rechtsextremistischen Motiven?
Über den Wissensstand und die Aktivitäten der Sicherheitsbehörden ist kaum eine Stelle so gut informiert wie das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages (PKGr). Dessen Vorsitzender Armin Schuster unterstreicht, dass der „Druck auf die Szene massiv gewachsen“sei. Zum Beleg verweist der CDU-Politiker auf die Verbote rechter Gruppen wie „Combat 18“sowie einer Reichsbürger-Gruppe, den Zugriff auf die Mitglieder der „Gruppe S“und den Waffenfund bei einem KSK-Soldaten in Sachsen. Die laufenden PKGr-Untersuchungen trügen ebenfalls zu diesem Druck bei und hätten inzwischen auch schon zu Reformen beim Militärischen Abschirmdienst und der Bundeswehr geführt.
Doch gerade bei der Bundeswehr zeigt sich derzeit, dass das Ausmaß der rechtsextremen Bedrohung noch nicht vollständig bekannt ist. Jedenfalls ging bei Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ein beklemmender Insider-Bericht aus dem Kommando Spezialkräfte (KSK) ein. Die Schilderung eines KSK-Offiziers enthält zahlreiche Beispiele rechtsextremistisch geprägten Verhaltens unter den Elite-Kämpfern. Dazu kommen Berichte über Kontakte von KSK-Soldaten zu ehemaligen Kameraden und einer Szene, die Todeslisten anlegt und sich für den „Tag X“vorbereitet.
Schuster hat darauf bereits eine Antwort. Zum einen begrüßt er, dass der Kampf gegen den Rechtsextremismus durch die Bundeskanzlerin und den Bundesinnenminister zur Chefsache gemacht worden sei. So hätten Angela Merkel und Horst Seehofer etwa einen eigenen Kabinettsausschuss ins Leben gerufen. Zum anderen kündigt er gesetzliche Verschärfungen an: „Wir werden in Kürze beschließen, dass Hass und Hetze im Netz künftig schärfer verfolgt und bestraft werden, der Schutz von Kommunalpolitikern erhöht wird und sogenannte Feindeslisten unter Strafe gestellt werden.“
Nach dem Eindruck von PKGr-Mitglied Thomas Hitschler ist zwar inzwischen in vielen relevanten Behörden angekommen, dass „wir es wirklich mit vernetztem Terror von Rechts zu tun haben“. Doch fehlt ihm an manchen Stellen noch die notwendige Konsequenz aus dieser Erkenntnis. Der Terrorgefahr müsse der Staat mit aller notwendigen Härte entgegentreten. „Das sehe ich leider noch nicht überall“, kritisiert der SPD-Politiker.
Der PKGr-Vertreter der FDP, Stephan Thomae, warnt davor, den Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus als Feigenblatt zu nutzen. „Rassismus und Rechtsextremismus in all ihren Ausprägungen sind zu lange stiefmütterlich behandelt worden“, klagt Thomae. Ein Jahr nach der Ermordung Lübckes sei „immer noch nicht geklärt, ob es Hintermänner gab oder gar ein rechtsextremistisches Netzwerk wie der NSU dahinter steckt“. Zudem verweist Thomae auf Indizien, wonach es eine Verbindung zwischen Sicherheitsbehörden und rechtsterroristischen Kreisen gebe. „In erster Linie ist es notwendig, die Justiz besser auszustatten, Rechtsextreme konsequent zu entwaffnen und rechtsextreme Vereinigungen wie Uniter schneller zu verbieten“, fordert Thomae.
Die Bilanz im Kampf gegen Rechtsterrorismus fällt nach einem Jahr für den Linken-Politiker André Hahn „ernüchternd und enttäuschend“aus. Die Regierung habe lediglich ihre verbale Schwerpunktsetzung geändert, bei konkreten Taten herrsche jedoch Fehlanzeige. „Was ist denn mit der dringend erforderlichen Entwaffnung von den bei staatlichen Behörden bekannten Neonazis und Rechtsextremisten?“, fragt Hahn. Und er kommt auch auf die „unrühmliche Rolle“zu sprechen, die der hessische Verfassungsschutz beim Waffenerwerb im Fall Lübcke gespielt habe. Der mutmaßliche Mittäter soll eine Waffenbesitzkarte besessen haben, weil die Behörde wichtige Informationen nicht weitergegeben hatte.