Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Mallorca mal ganz anders“
Die ersten deutschen Touristen sind nach drei Monaten Pause auf der Ferieninsel gelandet. Wegen der Corona-Regeln ist vieles anders, Anwohner kritisieren das Pilotprojekt. Manche Urlauber konnten gar nicht erst abheben.
DÜSSELDORF/PALMA DE MALLORCA Volle Koffer, kurze Hosen, bunte Sonnenhüte: Am Montag herrschte am Düsseldorfer Flughafen ein Stück Normalität in der Corona-Krise. Hunderte Menschen warteten, um nach rund drei Monaten Pause wieder nach Mallorca zu fliegen. Nach der Landung in der Hauptstadt Palma wird bei allen zunächst Fieber gemessen, auf einen Covid-19Test wird im Rahmen des Pilotprojekts zu Reiseverkehr und Tourismus in der Corona-Krise verzichtet. Gleiches gilt für die eigentlich noch bestehende Quarantänepflicht für alle nach Spanien Einreisenden. Dafür mussten alle an Bord ein Gesundheitsformular ausfüllen.
In insgesamt vier Hotels werden die deutschen Mallorca-Urlauber in den kommenden Tagen untergebracht. Eines davon ist das Riu-Hotel „Concordia“. Überall in der Lobby stehen Spender mit Desinfektionsmittel, Abstände sind auf dem Boden markiert. Erkrankt ein Tourist an Covid-19, wird ihm und seiner Familie ein spezielles Quartier in einer Apartmentanlage in der Gemeinde Calvià zugewiesen, wo er unter Quarantäne gestellt wird.
Christian aus Werdohl fährt seit 20 Jahren regelmäßig nach Mallorca. Am Montag gehörte der 40-Jährige zu den ersten Touristen, die die Insel betreten durften. Gemeinsam mit seinem Kollegen Klaus (der Urlauber von der Titelseite), der ebenfalls aus Werdohl stammt, ist er für eine Woche in einem strandnahen Hotel in Palma untergebracht. Erst am vergangenen Donnerstag haben die beiden, die ihre Nachnamen nicht in der Zeitung lesen wollen, gebucht.
„Es ist schon ein komisches Gefühl, jetzt hier zu sein“, sagt Christian. Als erstes zog es die beiden Urlauber aus Nordrhein-Westfalen an den Strand – der ungewöhnlich leer war für diese Jahreszeit. „Mallorca mal ganz anders“, sagt Klaus, „aber es wird bestimmt trotzdem eine schöne Woche.“
Für die ersten deutschen „Test-Touristen“, die wieder nach Mallorca reisen durften, gab es von Mitarbeitern des Hotels Applaus. Auch einige Passanten klatschten, als die Urlauber aus ihren Bussen stiegen. „Wir sehen heute erstmals das Licht am Ende des Tunnels“, sagte die balearische Regionalpräsidentin Francina Armengol. Man bringe den Tourismus wieder in Gang, der für die Region sehr wichtig sei. Tui-Vorstand Sebastian Ebel betonte die „hohen Gesundheitsstandards“. Die Balearen hätten „ein zukunftsweisendes, ein beispielloses Konzept für die Sicherheit von Mitarbeitern, für die Menschen,
die hier leben, und für die Gäste erstellt“. Bei aller Freude und aller Erleichterung rief Armengol die Touristen aber auch zu einem „verantwortlichen Verhalten“auf. „Das Virus ist noch da“, warnte sie.
Bei den Einheimischen gibt es durchaus auch kritische Stimmen: „Es ist empörend, dass man mit den Anwohnern der Playa de Palma Experimente macht – speziell mit unserer Gesundheit“, klagte im Vorfeld des Projektes Biel Barceló von der Anwohnervereinigung Ciutat d’es Arenal. Das lebensgefährliche Virus sei zwar unter Kontrolle, aber schließlich weiterhin vorhanden. Ähnlich sieht das Anlieger Joan Garcia. „Vor kurzem waren wir noch alle in unseren Wohnungen eingesperrt und jetzt kommen in kurzer Zeit knapp 11.000 Touristen auf die
Insel. Das halte ich nicht für sinnvoll.“Er sehe vor allem ein Risiko darin, dass die Urlauber dicht gedrängt im Flugzeug sitzen würden. „Hoffentlich wirft uns das Ganze nicht wieder zurück.“
Andere Urlauber haben es hingegen erst gar nicht erst so weit geschafft. Beim zweiten Flug aus Düsseldorf war die Warteschlange am Info-Schalter von Eurowings zeitweise länger als die Schlange an der Gepäckabgabe. Zahlreiche Reisende hätten eigentlich bereits am Morgen fliegen sollen, waren am Freitag jedoch auf eine Eurowings-Maschine am Nachmittag umgebucht worden. An der Gepäckabgabe wurde den Passagieren dann am Montag mitgeteilt, dass man sie nicht mitnehmen könne. „Das ist eine bodenlose Frechheit“, sagte Ralf Olligesgeers. Er war für den Flug mehr als 200 Kilometer aus Quakenbrück angereist und wollte auf der Mittelmeerinsel Freunde besuchen. „Tui sieht mich nie wieder als Kunde.“Olligesgeers will zudem juristisch gegen die Fluggesellschaft vorgehen.
Auch Andrea Neumann blieb mit ihren Koffern am Boden. Dabei hatte sie sich auf die Rückkehr an ihren Zweitwohnsitz in Porto Cristo gefreut. Dort erlebte Neumann den Lockdown in der Corona-Krise sieben Wochen lang, bis sie nach Deutschland zurückflog. „Die ständigen Kontrollen und die vielen Einschränkungen
waren unerträglich.“Nun habe sich die Lage auf Mallorca entspannt, sagt sie. Doch anstelle eines Urlaubs ging es für sie zurück ins Münsterland nach Selm. Neumann ist sauer und sagt: „Dabei wurde mir am Telefon von Tui versichert, dass unsere Autorisierung für die Einreise auch für den Eurowings-Flug gilt.“
Eine Sprecherin von Eurowings bestätigte auf Anfrage, dass Tui einige Passagiere auf Eurowings umgebucht habe. Da es sich dabei jedoch um Linienflüge von Eurowings handelt, gelten nicht die Ausnahmegenehmigungen der teilnehmenden Veranstalter, die die „Test-Urlauber“nach Mallorca schicken, sondern die Einreisebeschränkungen, sagte die Sprecherin.
Auch bei Markus K. und seiner Frau aus Bottrop herrschte eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Frust: Eigentlich hatte das Paar im Südwesten Mallorcas eine Wohnung besichtigen und womöglich auch schon den Kaufvertrag unterzeichnen wollen. „Den Termin mussten jetzt verschieben, das ist sehr bitter. Wir hoffen, dass wir die Wohnung trotzdem noch bekommen.“Für Ralf Olligesgeers gibt es trotzdem einen schwachen Trost: „Bevor das Mallorca-Pilotprojekt bekannt wurde, habe ich einen Flug nach Riga gebucht.“Am Dienstag geht es für Olligesgeers nun an sein Plan-B-Reiseziel.
(mit dpa)