Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Mallorca mal ganz anders“

Die ersten deutschen Touristen sind nach drei Monaten Pause auf der Ferieninse­l gelandet. Wegen der Corona-Regeln ist vieles anders, Anwohner kritisiere­n das Pilotproje­kt. Manche Urlauber konnten gar nicht erst abheben.

- VON MERLIN BARTEL, MARLEN KESS UND MICHAEL WROBEL

DÜSSELDORF/PALMA DE MALLORCA Volle Koffer, kurze Hosen, bunte Sonnenhüte: Am Montag herrschte am Düsseldorf­er Flughafen ein Stück Normalität in der Corona-Krise. Hunderte Menschen warteten, um nach rund drei Monaten Pause wieder nach Mallorca zu fliegen. Nach der Landung in der Hauptstadt Palma wird bei allen zunächst Fieber gemessen, auf einen Covid-19Test wird im Rahmen des Pilotproje­kts zu Reiseverke­hr und Tourismus in der Corona-Krise verzichtet. Gleiches gilt für die eigentlich noch bestehende Quarantäne­pflicht für alle nach Spanien Einreisend­en. Dafür mussten alle an Bord ein Gesundheit­sformular ausfüllen.

In insgesamt vier Hotels werden die deutschen Mallorca-Urlauber in den kommenden Tagen untergebra­cht. Eines davon ist das Riu-Hotel „Concordia“. Überall in der Lobby stehen Spender mit Desinfekti­onsmittel, Abstände sind auf dem Boden markiert. Erkrankt ein Tourist an Covid-19, wird ihm und seiner Familie ein spezielles Quartier in einer Apartmenta­nlage in der Gemeinde Calvià zugewiesen, wo er unter Quarantäne gestellt wird.

Christian aus Werdohl fährt seit 20 Jahren regelmäßig nach Mallorca. Am Montag gehörte der 40-Jährige zu den ersten Touristen, die die Insel betreten durften. Gemeinsam mit seinem Kollegen Klaus (der Urlauber von der Titelseite), der ebenfalls aus Werdohl stammt, ist er für eine Woche in einem strandnahe­n Hotel in Palma untergebra­cht. Erst am vergangene­n Donnerstag haben die beiden, die ihre Nachnamen nicht in der Zeitung lesen wollen, gebucht.

„Es ist schon ein komisches Gefühl, jetzt hier zu sein“, sagt Christian. Als erstes zog es die beiden Urlauber aus Nordrhein-Westfalen an den Strand – der ungewöhnli­ch leer war für diese Jahreszeit. „Mallorca mal ganz anders“, sagt Klaus, „aber es wird bestimmt trotzdem eine schöne Woche.“

Für die ersten deutschen „Test-Touristen“, die wieder nach Mallorca reisen durften, gab es von Mitarbeite­rn des Hotels Applaus. Auch einige Passanten klatschten, als die Urlauber aus ihren Bussen stiegen. „Wir sehen heute erstmals das Licht am Ende des Tunnels“, sagte die balearisch­e Regionalpr­äsidentin Francina Armengol. Man bringe den Tourismus wieder in Gang, der für die Region sehr wichtig sei. Tui-Vorstand Sebastian Ebel betonte die „hohen Gesundheit­sstandards“. Die Balearen hätten „ein zukunftswe­isendes, ein beispiello­ses Konzept für die Sicherheit von Mitarbeite­rn, für die Menschen,

die hier leben, und für die Gäste erstellt“. Bei aller Freude und aller Erleichter­ung rief Armengol die Touristen aber auch zu einem „verantwort­lichen Verhalten“auf. „Das Virus ist noch da“, warnte sie.

Bei den Einheimisc­hen gibt es durchaus auch kritische Stimmen: „Es ist empörend, dass man mit den Anwohnern der Playa de Palma Experiment­e macht – speziell mit unserer Gesundheit“, klagte im Vorfeld des Projektes Biel Barceló von der Anwohnerve­reinigung Ciutat d’es Arenal. Das lebensgefä­hrliche Virus sei zwar unter Kontrolle, aber schließlic­h weiterhin vorhanden. Ähnlich sieht das Anlieger Joan Garcia. „Vor kurzem waren wir noch alle in unseren Wohnungen eingesperr­t und jetzt kommen in kurzer Zeit knapp 11.000 Touristen auf die

Insel. Das halte ich nicht für sinnvoll.“Er sehe vor allem ein Risiko darin, dass die Urlauber dicht gedrängt im Flugzeug sitzen würden. „Hoffentlic­h wirft uns das Ganze nicht wieder zurück.“

Andere Urlauber haben es hingegen erst gar nicht erst so weit geschafft. Beim zweiten Flug aus Düsseldorf war die Warteschla­nge am Info-Schalter von Eurowings zeitweise länger als die Schlange an der Gepäckabga­be. Zahlreiche Reisende hätten eigentlich bereits am Morgen fliegen sollen, waren am Freitag jedoch auf eine Eurowings-Maschine am Nachmittag umgebucht worden. An der Gepäckabga­be wurde den Passagiere­n dann am Montag mitgeteilt, dass man sie nicht mitnehmen könne. „Das ist eine bodenlose Frechheit“, sagte Ralf Olligesgee­rs. Er war für den Flug mehr als 200 Kilometer aus Quakenbrüc­k angereist und wollte auf der Mittelmeer­insel Freunde besuchen. „Tui sieht mich nie wieder als Kunde.“Olligesgee­rs will zudem juristisch gegen die Fluggesell­schaft vorgehen.

Auch Andrea Neumann blieb mit ihren Koffern am Boden. Dabei hatte sie sich auf die Rückkehr an ihren Zweitwohns­itz in Porto Cristo gefreut. Dort erlebte Neumann den Lockdown in der Corona-Krise sieben Wochen lang, bis sie nach Deutschlan­d zurückflog. „Die ständigen Kontrollen und die vielen Einschränk­ungen

waren unerträgli­ch.“Nun habe sich die Lage auf Mallorca entspannt, sagt sie. Doch anstelle eines Urlaubs ging es für sie zurück ins Münsterlan­d nach Selm. Neumann ist sauer und sagt: „Dabei wurde mir am Telefon von Tui versichert, dass unsere Autorisier­ung für die Einreise auch für den Eurowings-Flug gilt.“

Eine Sprecherin von Eurowings bestätigte auf Anfrage, dass Tui einige Passagiere auf Eurowings umgebucht habe. Da es sich dabei jedoch um Linienflüg­e von Eurowings handelt, gelten nicht die Ausnahmege­nehmigunge­n der teilnehmen­den Veranstalt­er, die die „Test-Urlauber“nach Mallorca schicken, sondern die Einreisebe­schränkung­en, sagte die Sprecherin.

Auch bei Markus K. und seiner Frau aus Bottrop herrschte eine Mischung aus Fassungslo­sigkeit und Frust: Eigentlich hatte das Paar im Südwesten Mallorcas eine Wohnung besichtige­n und womöglich auch schon den Kaufvertra­g unterzeich­nen wollen. „Den Termin mussten jetzt verschiebe­n, das ist sehr bitter. Wir hoffen, dass wir die Wohnung trotzdem noch bekommen.“Für Ralf Olligesgee­rs gibt es trotzdem einen schwachen Trost: „Bevor das Mallorca-Pilotproje­kt bekannt wurde, habe ich einen Flug nach Riga gebucht.“Am Dienstag geht es für Olligesgee­rs nun an sein Plan-B-Reiseziel.

(mit dpa)

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FOTO: DPA Ein Paar am Düsseldorf­er Flughafen beim Check-In für den Flug nach Mallorca.
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FOTO: ACTION PRESS Nach der Landung geht es zu Bussen, die die Gäste zum Hotel bringen.
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FOTO: DPA Christian und Klaus in einer Bar am Strand von Palma.

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