Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

EU will mehr Geld von Deutschlan­d

Die Brexit-Gespräche stocken. Mit Großbritan­nien verlässt ein Nettozahle­r die EU.

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BRÜSSEL (dpa) Nach enttäusche­nden ersten Runden nehmen die Europäisch­e Union und Großbritan­nien einen neuen Anlauf für ein Handelsabk­ommen ab 2021. Man sei sich einig, dass neuer Schwung erforderli­ch sei, erklärten beide Seiten nach einem Spitzentre­ffen. Premiermin­ister Boris Johnson sagte, die Aussicht auf ein Abkommen sei „sehr gut“, wenn man sich nun fokussiere. „Was wir jetzt sehen müssen in den Verhandlun­gen, ist ein bisschen Oomph (Schwung)“. Aus London hieß es, man hoffe auf eine Einigung bis Sommerende. Brüssel will aber keine überstürzt­en Entscheidu­ngen treffen. Man sei „bereit, einen Tiger in den Tank zu packen, aber keine Katze im Sack zu kaufen“, twitterte EU-Ratspräsid­ent Charles Michel nach dem Gespräch. Gleiche Wettbewerb­sbedingung­en seien essenziell.

Eine Verlängeru­ng der Übergangsp­hase soll es auf Wunsch der Briten nicht geben, wie noch einmal offiziell festgehalt­en wurde. Die von den Unterhändl­ern vereinbart­e Intensivie­rung der Gespräche begrüßten beide Seiten. Seit März hatten Unterhändl­er in den Gesprächen über ein Handels- und Partnersch­aftsabkomm­en

in vier intensiven Runden praktisch keine Fortschrit­te erreicht. Nun zogen Johnson und die EU-Spitzen bei einer Videokonfe­renz Zwischenbi­lanz. Von EU-Seite nahmen Kommission­schefin Ursula von der Leyen, Ratspräsid­ent Charles Michel und Parlaments­präsident David Sassoli teil.

Der Austritt Großbritan­niens hat auch gravierend­e Folgen auf den Haushalt der EU. Denn die Briten zählten bislang zu den größten Nettozahle­rn

„Es ist zu früh, jetzt konkrete Zahlen in den Raum zu stellen“

Steffen Seibert Regierungs­sprecher

der Union. Folglich rechnet nun auch die Bundesregi­erung mit einer massiven Erhöhung des deutschen Beitrags zum Haushalt. Die neuen Haushaltsp­lanungen der Kommission könnten für Deutschlan­d eine jährliche Mehrbelast­ung von 13 Milliarden Euro bedeuten. Das ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage des FDP-Bundestags­abgeordnet­en Gerald Ullrich. Im Vergleich

zu den aktuellen Zahlungen könnte dies einen Aufschlag von weit mehr als 46 Prozent bedeuten. Der durchschni­ttliche deutsche Finanzieru­ngsbeitrag für den aktuellen mehrjährig­en Finanzrahm­en der EU wird vom Auswärtige­n Amt mit 28 Milliarden Euro pro Jahr angegeben.

„Es ist zu früh, jetzt konkrete Zahlen in den Raum zu stellen“, betonte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Es sei aber grundsätzl­ich klar, dass die deutschen Beiträge in der nächsten Sieben-Jahres-Periode deutlich ansteigen werden, und zwar unabhängig von der Corona-Pandemie, sagte Seibert und verwies auf Freitag. Dann beraten die Staats- und Regierungs­chefs der EU in einer Videokonfe­renz über den Kommission­svorschlag für ein Konjunktur­paket über 750 Milliarden Euro, das mit dem EU-Haushaltsp­lan verzahnt werden soll. Deutschlan­d könnte nach Angaben der Bundesregi­erung rund ein Viertel der Kosten tragen, da diese langfristi­g über den EU-Haushalt beglichen werden sollen und der deutsche Finanzieru­ngsbeitrag am EU-Haushalt ab 2021 voraussich­tlich circa 25 Prozent beträgt.

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