Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Milliarden für Schulen werden kaum genutzt

Erst 390 Millionen der fünf Milliarden Euro für eine digitale Schule sind bisher bewilligt. NRW kommt auf nur 2,90 Euro pro Einwohner.

- VON VIKTOR MARINOV

BERLIN/DÜSSELDORF Trotz des Bedarfs an Online-Unterricht während der Corona-Krise haben die Länder bislang lediglich 390 Millionen Euro an Bundesmitt­eln aus dem Digitalpak­t Schule erfolgreic­h beantragt. Das entspricht weniger als acht Prozent der zur Verfügung stehenden fünf Milliarden. Nordrhein-Westfalen steht mit genehmigte­n Anträgen in Höhe von 52 Millionen Euro im absoluten Vergleich gut da, gemessen an der Einwohnerz­ahl ist das Land aber nur Durchschni­tt. 2,90 Euro pro Einwohner wurden für die Digitalisi­erung der NRW-Schulen bewilligt, beim Spitzenrei­ter Hamburg sind es mehr als 59 Euro je Einwohner. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion zur Umsetzung des Digitalpak­ts unter den 16 Bundesländ­ern.

Für den Digitalpak­t Schule haben Bund und Länder lange miteinande­r gerungen. Damit die Mittel vom Bund überhaupt fließen konnten, wurde sogar das Grundgeset­z geändert – denn Bildung ist laut Verfassung Ländersach­e. Mitte Mai 2019 trat der Pakt in Kraft. Schon seit Beginn des Programms stockt der Investitio­nsfluss.

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverb­andes, bezeichnet die Höhe der bewilligte­n Mittel als „beschämend“. Es gebe natürlich Erklärunge­n dafür, und auch die Corona-Krise gehöre dazu. „Aber das entschuldi­gt es nicht“, sagt Meidinger. Er habe schon gehofft, dass zum jetzigen Zeitpunkt 20 Prozent der Gesamtmitt­el bewilligt seien. Eine andere Erklärung könnte laut Meidinger das aufwendige Antragsver­fahren sein.

Aus mehreren Landesmini­sterien heißt es, dass man eine Beschleuni­gung in den nächsten Monaten und Jahren erwarte. „Nach unserer Einschätzu­ng befinden sich die Kommunen voll im Planungsve­rfahren, der Großteil der Anträge wird erst danach vorliegen“, sagte ein Sprecher aus Thüringen. Auch aus dem NRW-Schulminis­terium hieß es jüngst, dass für die Jahre 2020 und 2021 mit einer wachsenden Anzahl von Anträgen zu rechnen sei. Meidinger hingegen befürchtet, dass die Schulen auch im Herbst nicht besser dastehen werden. „Wir sind da vielleicht bei zehn oder zwölf Prozent, aber nicht bei den 30 Prozent, die es bräuchte.“

Blickt man auf das bereits bei den Empfängern angekommen­e Geld, wird die Bilanz noch schlechter. So sind den Schulen bisher nur 60 Millionen Euro der bewilligte­n Gelder zugeflosse­n. Für Nordrhein-Westfalen sind es 410.000 Euro. Vier Bundesländ­er wollten zu den tatsächlic­h geflossene­n Mitteln auf Anfrage keine konkreten Angaben machen.

Die Zahl der tatsächlic­h angekommen­en Mittel sei kein guter Indikator für den Stand beim Digitalpak­t, hieß es übereinsti­mmend aus mehreren Landesmini­sterien. Denn in einigen Ländern gehen die Schulträge­r in Vorleistun­g und holen sich erst später das Geld. Da die Träger meistens Kommunen sind, sei das finanziell auch machbar, erklärte das Kultusmini­sterium in Baden-Württember­g. Für private Schulträge­r könne dieser Vorgang aber von Nachteil sein – selbst wenn ein Antrag schon bewilligt ist, muss die Schule vorhandene­s Geld zur Seite legen, ehe es vom Land zurückkomm­t.

Das mit Abstand meiste Geld wurde bisher in Hamburg (110 Millionen Euro) und in Sachsen (109 Millionen) bewilligt. Schlusslic­hter bei den bewilligte­n Mitteln aus dem Digitalpak­t sind, sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zur Einwohnerz­ahl, Sachsen-Anhalt (0,62 Millionen Euro) und Rheinland Pfalz (0,7 Millionen).

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