Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Milliarden für Schulen werden kaum genutzt
Erst 390 Millionen der fünf Milliarden Euro für eine digitale Schule sind bisher bewilligt. NRW kommt auf nur 2,90 Euro pro Einwohner.
BERLIN/DÜSSELDORF Trotz des Bedarfs an Online-Unterricht während der Corona-Krise haben die Länder bislang lediglich 390 Millionen Euro an Bundesmitteln aus dem Digitalpakt Schule erfolgreich beantragt. Das entspricht weniger als acht Prozent der zur Verfügung stehenden fünf Milliarden. Nordrhein-Westfalen steht mit genehmigten Anträgen in Höhe von 52 Millionen Euro im absoluten Vergleich gut da, gemessen an der Einwohnerzahl ist das Land aber nur Durchschnitt. 2,90 Euro pro Einwohner wurden für die Digitalisierung der NRW-Schulen bewilligt, beim Spitzenreiter Hamburg sind es mehr als 59 Euro je Einwohner. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion zur Umsetzung des Digitalpakts unter den 16 Bundesländern.
Für den Digitalpakt Schule haben Bund und Länder lange miteinander gerungen. Damit die Mittel vom Bund überhaupt fließen konnten, wurde sogar das Grundgesetz geändert – denn Bildung ist laut Verfassung Ländersache. Mitte Mai 2019 trat der Pakt in Kraft. Schon seit Beginn des Programms stockt der Investitionsfluss.
Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, bezeichnet die Höhe der bewilligten Mittel als „beschämend“. Es gebe natürlich Erklärungen dafür, und auch die Corona-Krise gehöre dazu. „Aber das entschuldigt es nicht“, sagt Meidinger. Er habe schon gehofft, dass zum jetzigen Zeitpunkt 20 Prozent der Gesamtmittel bewilligt seien. Eine andere Erklärung könnte laut Meidinger das aufwendige Antragsverfahren sein.
Aus mehreren Landesministerien heißt es, dass man eine Beschleunigung in den nächsten Monaten und Jahren erwarte. „Nach unserer Einschätzung befinden sich die Kommunen voll im Planungsverfahren, der Großteil der Anträge wird erst danach vorliegen“, sagte ein Sprecher aus Thüringen. Auch aus dem NRW-Schulministerium hieß es jüngst, dass für die Jahre 2020 und 2021 mit einer wachsenden Anzahl von Anträgen zu rechnen sei. Meidinger hingegen befürchtet, dass die Schulen auch im Herbst nicht besser dastehen werden. „Wir sind da vielleicht bei zehn oder zwölf Prozent, aber nicht bei den 30 Prozent, die es bräuchte.“
Blickt man auf das bereits bei den Empfängern angekommene Geld, wird die Bilanz noch schlechter. So sind den Schulen bisher nur 60 Millionen Euro der bewilligten Gelder zugeflossen. Für Nordrhein-Westfalen sind es 410.000 Euro. Vier Bundesländer wollten zu den tatsächlich geflossenen Mitteln auf Anfrage keine konkreten Angaben machen.
Die Zahl der tatsächlich angekommenen Mittel sei kein guter Indikator für den Stand beim Digitalpakt, hieß es übereinstimmend aus mehreren Landesministerien. Denn in einigen Ländern gehen die Schulträger in Vorleistung und holen sich erst später das Geld. Da die Träger meistens Kommunen sind, sei das finanziell auch machbar, erklärte das Kultusministerium in Baden-Württemberg. Für private Schulträger könne dieser Vorgang aber von Nachteil sein – selbst wenn ein Antrag schon bewilligt ist, muss die Schule vorhandenes Geld zur Seite legen, ehe es vom Land zurückkommt.
Das mit Abstand meiste Geld wurde bisher in Hamburg (110 Millionen Euro) und in Sachsen (109 Millionen) bewilligt. Schlusslichter bei den bewilligten Mitteln aus dem Digitalpakt sind, sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zur Einwohnerzahl, Sachsen-Anhalt (0,62 Millionen Euro) und Rheinland Pfalz (0,7 Millionen).