Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Aufstand der Pizzabäcker
In Neapel erhitzen sich die Gemüter über die richtige Zubereitung der italienischen Nationalspeise.
NEAPEL „Pizza“ist das berühmteste italienische Wort. Es stand einst für rundförmige Teigwaren im Allgemeinen, früher meistens gesüßt verabreicht. Im späten 18. Jahrhundert hielt der Koch und Philosoph Vincenzo Corrado diese außergewöhnlich köstliche Tradition Neapels schriftlich fest. Damals wurden erstmals salzige Teigfladen mit Tomatensauce kredenzt. Anlässlich des Besuchs von Königin Margherita von Savoyen in Neapel im Jahr 1889 garnierte ein Bäcker die Pizza zu Ehren ihrer königlichen Hoheit zudem mit Mozzarella und Basilikum. Das entsprach den Nationalfarben der frisch geeinten Nation. Die Königin kennt heute niemand mehr, die Pizza Margherita hingegen wird täglich in der Welt millionenfach verspeist.
Alles begann also in Neapel, der berühmten Metropole des Südens, wo man besonders stolz auf dieses Erbe, aber eben auch besonders kritisch ist. Was also macht eine echte Pizza Napoletana aus, deren Herstellung von der Unesco 2017 als „Kunst“und immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt wurde? Wasser, Salz, Bierhefe und feines Weizenmehl werden zu einem Teig vermischt, der dann aufgehen muss und vom Pizzabäcker, dem Pizzaiuolo, als 20 bis 32 Zentimeter große Scheibe mit kräftigem Rand ausgezogen und im Holzofen bei mehr als 450 Grad gebacken wird. Die Associazione Verace Pizza Napoletana, die sich den Schutz des neapolitanischen Gerichts auf die Fahnen geschrieben hat, hütet diese Vorschriften wie einen Schatz.
Im Holzofen muss die Pizza gebacken werden, darauf legt man in Neapel besonders wert. Und hier beginnt der Zwist. Denn die Firma Izzo aus Neapel und ihr Geschäftsführer Giuseppe Carlo Russo Krauss haben ein Ofen-Modell auf den Markt gebracht, dass einem Holzofen zum Verwechseln ähnlich sieht, aber mit Strom betrieben wird. Izzo durfte den Elektroofen bereits im Abendprogramm des italienischen Staatsfernsehens präsentieren, man ist offenbar bestens vernetzt. Das Modell nennt sich etwas umständlich „Scugnizzonapoletano“.
Die Pizza und ihre Zubereitung im Holzofen sind in Neapel heilig. Krauss und seine Leute haben es aber dennoch geschafft, mit ihrem
Elektroofen das Plazet der Pizzaschützer zu bekommen. „Der Scugnizzonapoletano ist der erste Elektroofen, der fähig ist, die notwendige Hitze für echte nach Handbuch hergestellte neapoletanische Pizza zu erzeugen“, sagt der Vereinsvorsitzende der Pizza-Schützer, Antonio Pace. Pizzerien mit dem Izzo-Elektroofen bekommen das Gütesiegel vom Verein – und damit die höheren Weihen der Zubereitungskunst.
Der Scugnizzonapoletano ist im Gegensatz zu anderen Elektroöfen auf bis zu 470 Grad heizbar, das ist die notwendige Temperatur zur Zubereitung der Pizza. Bis zu 90 Sekunden muss sie im Ofen backen. Izzo ist seither noch größer im Geschäft.
Die Vorteile eines Elektroofens liegen für jeden Restaurantbetreiber auf der Hand. Das Holz für das Feuer muss nicht mehr gekauft und platzraubend im Lokal gestapelt werden. Das Backen der Pizza ist frei von Kohlenstoffmonoxid, auch ein Rauchabzugsrohr ist nicht notwendig. Statt nur Zweidrittel des Ofens können nun der ganze Ofen und damit bis zu neun Pizzen gleichzeitig gebacken werden. Aber vor allem kann der Eigentümer mit dem Elektroofen auf einen geübten Pizzabäcker verzichten. Denn der stellt nicht nur den Teig mit allem Geschick her, sondern muss auch das Holzfeuer auf 450 Grad genau regulieren. Beim Elektroofen übernimmt ein simpler Temperatur-Regler diesen Dienst.
Doch trotz aller Vorzüge lief die Vereinigung der neapolitanischen Pizzabäcker Sturm gegen diese Neuerung. „Die Anerkennung durch die Unesco ist durch den Elektroofen in Gefahr, unsere Tradition darf nicht wirtschaftlichen Überlegungen zum Opfer fallen“, sagt Sergio Miccù, der Vereinschef der neapolitanischen Anbieter der runden Teigwaren.
Beim Hersteller Izzo lacht man sich ins Fäustchen. Längst läuft der Export des Industriebetriebs in alle Kontinente, wo die Herstellung der Pizza zwar ein Riesengeschäft ist, aber nicht so sittenmäßig streng wie in Italien überwacht wird. Der Scugnizzonapoletano wird längst nach Australien, Südamerika und in die USA verkauft, mit eigenem Vertrieb. Ein Stück italienischer Erfindungsgeist. Wie sollte es auch anders sein: Als „scugnizzo“werden in Neapel Straßenbengel bezeichnet. Bei Izzo haben sie es wohl tatsächlich faustdick hinter den Ohren.