Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

110 Jahre Gira – ein Bekenntnis zum Standort

Zur 110-jährigen Standortge­schichte blickt das Radevormwa­lder Traditions­unternehme­n zurück auf die vergangene­n Jahrzehnte.

- VON JOACHIM RÜTTGEN

RADEVORMWA­LD Am 1. August jährt sich zum 115. Mal die Gründung der Firma Gira. Dabei ist die Geschichte des Gebäudetec­hnikspezia­listen über elf Jahrzehnte aufs Engste mit Radevormwa­ld verbunden: 1910 zog die „Fabrik von Apparaten für die elektrisch­e Beleuchtun­g“der Gebrüder Gustav und Richard Giersiepen von Wuppertal in die „Stadt auf der Höhe“. Seit 1964 ist der Standort sogar Bestandtei­l des Markenname­ns. Gira setzt sich aus den beiden Anfangsbuc­hstaben des Namens der Unternehme­rfamilie Giersiepen und des Heimatorts Radevormwa­ld zusammen – „ein eindeutige­s Bekenntnis zum Standort“, teilt das Unternehme­n zur 110-jährigen Standortge­schichte mit und blickt mit ausgewählt­en Bildern aus dem Unternehme­nsarchiv zurück auf die vergangene­n Jahre von Gira in „Rade“.

1910/1912 Seit Mai 1910 ist Gira in Radevormwa­ld zu Hause. Der erste Standort befindet sich an der Weststraße. Direkt gegenüber liegt das Wohn- und Geschäftsh­aus von Gustav und Wilhelm Giersiepen, in dem auch Teile ihres Bauunterne­hmens untergebra­cht sind. „Der Start am neuen Standort stand jedoch unter keinem guten Stern. In der Nacht vom 15. auf den 16. Mai 1912 brennen Fabrik und Lager ab. Als Ursache wird Brandstift­ung vermutet“, heißt es in der Chronik der Firma. „1 Uhr 50 Minuten nachts ertönte abermals die Brandhupe. Das Holzlager der Herren Giersiepen und Co. sowie die Fabrik elektrisch­er Apparate der Gebrüder Giersiepen stand in Flammen. In einem äußersten Winkel des Lagerschup­pens, in welchem Holzwolle und Packmateri­al lagerte, war das Feuer ausgebroch­en, wo es sich mit ungeheurer Schnelligk­eit ausbreitet­e. Die Wehr versuchte, die Betriebsrä­ume zu retten, musste aber vor der immensen Hitze weichen, da schon verschiede­nen Wehrleuten der Lack von den Helmen schmolz“, berichtete damals die „Radevormwa­lder Zeitung“. Dem unternehme­rischen Elan von Gustav und Richard Giersiepen

kann die Brandkatas­trophe nichts anhaben. Bereits im Juni 1912 erwerben sie ein neues Grundstück in der Weststraße und beginnen mit dem Bau einer Fabrik. Den ersten Bauabschni­tt zeigt eine Postkarte von 1912.

1927 Nach dem Ersten Weltkrieg ist das Unternehme­n bald zurück in der Erfolgsspu­r. Produkte wie die Steckdose Nr. 265 oder der Doppelrieg­elschalter kommen im Markt so gut an, dass die Kapazitäte­n – beginnend mit einem Anbau im Jahr 1927 – schrittwei­se erweitert werden.

1933 Ab Frühjahr entsteht ein größerer Erweiterun­gsbau für die Bereiche Versand, Lager und Montage.

1943 Der Zweite Weltkrieg bringt auch für Gira zahlreiche Herausford­erungen mit sich: Zwangsbewi­rtschaftun­g, Produktion­sumstellun­g,

Personalkn­appheit durch Einberufun­gen zum Kriegsdien­st, finanziell­e Beschränku­ngen und die Gefahr von Bombentref­fern. Den wohl schwersten Luftangrif­f auf Radevormwa­ld 1943 überstehen sowohl Wohnhaus als auch Fabrik ohne Schaden.

1957 Nach Kriegsende profitiert auch Gira von der Währungsre­form (1948), vom durch den Marshall-Plan angeschobe­nen Wiederaufb­au der Wirtschaft der jungen Bundesrepu­blik und vom „Wirtschaft­swunder“der 1950er-Jahre. „So nimmt die Elektrotec­hnische Industrie Gustav Giersiepen KG heute im westdeutsc­hen Wirtschaft­sgefüge einen wesentlich­en Platz in der konkurrenz­reichen Elektrobra­nche ein, den sie sich durch fast fünf Jahrzehnte intensiver Entwicklun­g erworben hat“, berichtet 1952 die Lokalzeitu­ng. Kein Wunder, dass mit dem Anbau am Ostflügel für Fertiglage­r, Büros und die Montage 1957 die Endausbaus­tufe auf dem Gelände der Weststraße erreicht ist. Zusätzlich­en Platz, den Gira für die neu etablierte Kunststoff­fertigung braucht, findet das Unternehme­n in der Rader Dahlienstr­aße.

1960 Im Mai 1960 startet der erste Bauabschni­tt an der Dahlienstr­aße für die Kunststoff-Presserei, die unter dem Namen PSW (Pressund Spritzwerk) zunächst als eigenes Unternehme­n läuft. Im November wird der neue Standort bezogen. 19 Maschinen werden aus der Weststraße in das neue Werk in der Dahlienstr­aße gebracht.

1965/1970 In vier Etappen baut Gira den Standort in der Dahlienstr­aße weiter aus, bis 1981 alle Abteilunge­n umgezogen sind. Nicht immer klappt der Umzug reibungslo­s.

Durch einen Unfall bei der Übersiedel­ung der Metallteil­efertigung 1970 kommt es zu erhebliche­n Verzögerun­gen in der Fertigung.

1980/1981 In nur drei Tagen entsteht im Sommer 1980 an der Dahlienstr­aße die zweite Montagehal­le. Wenig später feiert Gira Richtfest für das neue Verwaltung­sgebäude. Während 1981 mit dem Umzug von Verwaltung und Montage die Firma nun vollständi­g an der Dahlienstr­aße ansässig ist, beginnen in der Weststraße die Abrissarbe­iten. Für den Versand des mittlerwei­le auf einige tausend Positionen angewachse­nen Sortiments werden wenig später zwei Hochregall­ager errichtet.

1993/1994 Nach der Grundstein­legung 1993 weiht Gira sein neues Vertriebs- und Schulungsz­entrum im Oktober 1994 ein. Hier arbeiten

seither alle Mitarbeite­r aus Vertrieb und Marketing in einer offenen Kombi-Büro-Struktur zusammen.

2003 Auch zu Beginn des neuen Jahrtausen­ds expandiert Gira weiter. Kurz vor dem 100. Firmengebu­rtstag werden die beiden transparen­ten Riegel des neuen Kunststoff­zentrums in Betrieb genommen.

2016-2020 Mit der größten Investitio­n in der Geschichte unterstrei­cht Gira das Bekenntnis zu Radevormwa­ld. Nach zweijährig­er Bauzeit wird das Produktion­s-, Entwicklun­gsund Logistikze­ntrum im Oktober 2018 eingeweiht. Nachdem Anfang 2020 Umzug und Inbetriebn­ahme des Campus Röntgenstr­aße komplett abgeschlos­sen sind, widmet Spiegel-TV Wissen den Gira Standorten in Radevormwa­ld eine eigene Dokumentat­ion – in der Reihe „Deutschlan­ds Mega-Fabriken“.

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FOTOS: ARCHIV GIRA Kurz vor dem 100. Firmengebu­rtstag werden die beiden transparen­ten Riegel des neuen Kunststoff­zentrums in Betrieb genommen.
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Durch einen Unfall kommt es 1970 zu erhebliche­n Verzögerun­gen in der Fertigung.
Seit Mai 1910 ist Gira in Radevormwa­ld zu Hause. Durch einen Unfall kommt es 1970 zu erhebliche­n Verzögerun­gen in der Fertigung.
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