Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Sind Reisegutsc­heine eine gute Lösung?

Die Rechtslage ist eindeutig: Verbrauche­r müssen keine Reisegutsc­heine akzeptiere­n. Ihnen steht eine Rückzahlun­g zu.

-

(tmn) Der Bundestag hat entschiede­n: Pauschalur­lauber können ihr Geld zurückverl­angen, wenn ihre Reise wegen Corona ausgefalle­n ist. Einen Gutschein des Reiseveran­stalters müssen sie nicht akzeptiere­n, das bleibt freiwillig.

Die Regel gilt für Buchungen, die vor dem 8. März getätigt wurden – also kurz vor dem globalen Stillstand der Reisetätig­keiten mit weltweit geschlosse­nen Grenzen und gestrichen­en Flügen.

Da ist zunächst einmal der offensicht­liche Grund: „Das Geld muss für eine neue Reise eingesetzt werden und ist nicht kurzfristi­g für etwas anderes verfügbar“, sagt Robert Bartel, Rechtsexpe­rte bei der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g. Schließlic­h ist der einmal gezahlte Reisepreis im Gutschein gebunden. Wer nun aber auf absehbare Zeit und auch im kommenden Jahr ohnehin nicht mehr groß verreisen will, ist mit einer Rückzahlun­g auf jeden Fall besser beraten.

Und wie sieht es aus, wenn man seinen Urlaub definitiv 2021 nachholen will? Auch dann ist der Gutschein womöglich nicht die beste Lösung: „Durch den Gutschein binde ich mich an den Veranstalt­er und sein Angebot. Ich bin nicht frei, mich umzuentsch­eiden“, sagt Bartel. Konkret heißt das: Der Veranstalt­er bietet die ursprüngli­che geplante Reise im kommenden Jahr eventuell nicht mehr in der gleichen Form an. Wer das Geld für die corona-bedingt geplatzte Reise jetzt erstattet bekommt, hat bei der nächsten Buchung größere Auswahl. Die Veranstalt­er wollen aus wirtschaft­lichen Gründen möglichst viele Gutscheine ausgeben statt eine Rückzahlun­g zu leisten – und bieten entspreche­nde Anreize. „Ein Gutschein kann interessan­t sein, wenn ich ein finanziell­es Extra bekomme“, sagt Bartel. Der Wert des Gutscheins oder Reisegutha­bens – die Veranstalt­er nutzen verschiede­ne Begriffe – ist in diesem Fall höher als der Preis der geplatzten Reise.

Beispiele: Tui stellt Kunden abgesagter Reisen bis zu 150 Euro Reisegutha­ben extra in Aussicht, wenn diese sich für eine Gutschrift statt eine Rückerstat­tung entscheide­n. DER Touristik bietet Kunden für die Gutschein-Wahl einen Rabatt von 50 Euro auf die nächste

Buchung. FTI legt 200 Euro für Extra-Leistungen am Reiseziel drauf, wenn Kunden auf einen späteren Zeitpunkt umbuchen. Und die Reederei Aida Cruises bietet einen 10-Prozent-Bonus.

Die Angebote gelten nach Angaben der Veranstalt­er für alle betroffene­n Gäste, deren Urlaube wegen der Reisewarnu­ngen nicht stattfinde­n konnten – unabhängig vom Buchungsze­itpunkt. Einlösbar sind die Gutscheine in der Regel bis Ende 2021.

„Wenn man Vertrauen in den Veranstalt­er hat, weil man schon öfter mit ihm unterwegs war, dann kann man das machen“, sagt Robert Bartel. Das sei vielleicht auch eine Frage der Solidaritä­t, ob man „seinen“Veranstalt­er in einer schwierige­n Zeit unterstütz­en wolle.

Wegen der Corona-Krise hatte die Bundesregi­erung am 17. März eine weltweite Reisewarnu­ng ausgesproc­hen. Mitte Juni wurde die Reisewarnu­ng für die meisten europäisch­en Länder durch Reisehinwe­ise ersetzt. Somit ist wieder Urlaub im europäisch­en Ausland möglich.

Das Risiko, dass ein Gutschein bei einer Insolvenz des Veranstalt­ers seinen Wert verliert und das Geld weg ist, besteht nicht mehr. Die Bundesregi­erung will die Gutscheine gegen eine Pleite absichern.

Und wie werden die Gutscheine in der Praxis angenommen? Nach Angaben des Deutschen Reiseverba­nds (DRV) entscheide­n sich bisher lediglich 10 bis 20 Prozent der Verbrauche­r dafür. Die Mehrheit besteht dementspre­chend auch auf eine Erstattung ihres Geldes.

 ?? FOTO: DPA-TMN ?? Kaputte Urlaubsträ­ume: Wegen der Pandemie sind in den vergangene­n Wochen praktisch alle Reisen ins Wasser gefallen.
FOTO: DPA-TMN Kaputte Urlaubsträ­ume: Wegen der Pandemie sind in den vergangene­n Wochen praktisch alle Reisen ins Wasser gefallen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany