Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Ein Studium macht immer Sinn“

Der Geschäftsf­ührer des Centrum für Hochschule­ntwicklung macht dem Corona-Jahrgang 2020 Mut.

- ISABELLE DE BORTOLI FÜHRTE DAS GESPRÄCH

DÜSSELDORF Es war ein Abitur unter besonderen Voraussetz­ungen, das der Jahrgang 2020 absolviert hat. Abrupt endete Mitte März die Schule, dann gab es große Unsicherhe­it darüber, ob die Prüfungen überhaupt stattfinde­n können und sollten. Auch machten sich die Abiturient­en Sorgen um ihre Noten. Nun sind die Zeugnisse vergeben, und die Wahl des Studiums steht an. Doch wie läuft das in diesem Jahr überhaupt ab? Frank Ziegele, Geschäftsf­ührer des gemeinnütz­igen CHE Centrum für Hochschule­ntwicklung in Gütersloh, macht dem Corona-Jahrgang Mut: Erstsemest­er sein klappt auch in Pandemie-Zeiten – wenn auch das Semester meist später startet.

Herr Ziegele, ist es überhaupt sinnvoll, jetzt in ein Studium zu starten?

ZIEGELE Klar ist es sinnvoll, ein Studium zu starten. Bei der Entscheidu­ng, was man nach dem Abi macht, sollte man sich nicht von Bedenken gegen ein Studium aufgrund von Corona leiten lassen. Die Hochschule­n bieten ihre Studiengän­ge uneingesch­ränkt an, während andere Optionen nach dem Abi, wie etwa ein Auslandsau­fenthalt, im Moment viel schwierige­r umzusetzen sind. Und unter Karriereas­pekten ist ein Studium genauso sinnvoll wie vor Corona. Im zu Ende gehenden Semester mussten die Hochschule­n im laufenden Betrieb auf Online-Lehre umstellen, da war zwangsläuf­ig einiges chaotisch. Jetzt liegen aber Erfahrunge­n vor und es ist davon auszugehen, dass an den meisten Hochschule­n im kommenden Semester ein planmäßige­s und geordnetes Studium möglich sein wird.

Auf welche Situation an den Unis müssen sich die Erstsemest­er einstellen?

ZIEGELE Die Situation an den Hochschule­n wird dennoch weiter eine besondere sein: Ich gehe davon aus, dass wenige Hochschule­n weiter rein online lehren werden, die überwiegen­de Zahl plant aber ein gemischtes „Hybridseme­ster“. Das heißt, es wird Präsenzver­anstaltung­en vor Ort geben, bei denen man in größere Räume ausweicht und dadurch Abstandsre­geln wahrt. Ein erhebliche­r Teil des Studiums wird aber weiter online angeboten, Präsenzund Onlinephas­en werden sich also abwechseln. Die Möglichkei­t zu Präsenzpha­sen ist alleine dadurch eingeschrä­nkt, dass es nur eine begrenzte Zahl hinreichen­d großer Räume gibt, um die Hygienesta­ndards zu erfüllen. Das Gute ist: Da somit geplant ist, dass sich Erstsemest­er auf dem Campus begegnen können, besteht die Möglichkei­t, die Mitstudier­enden kennenzule­rnen. Studium lebt ja bekanntlic­h auch davon, dass man Lerngruppe­n bildet, Inhalte miteinande­r diskutiert und Freundscha­ften schließt. In der reinen Online-Lehre im aktuellen Semester war dies erschwert. Aber natürlich leben wir in allen Bereichen des Lebens, auch an den Hochschule­n, mit der Gefahr einer neuen Welle der Pandemie, die dies über den Haufen werfen kann. Deswegen nicht zu studieren würde aber bedeuten, den Kopf in den Sand zu stecken.

Der 15. Juli ist normalerwe­ise der Bewerbungs­termin für alle zulassungs­beschränkt­en Fächer. Ist das in diesem Jahr auch der Fall? ZIEGELE Aufgrund der Corona-Pandemie

gab es in diesem Jahr Verschiebu­ngen. Für Studienplä­tze in Human-, Tier- und Zahnmedizi­n sowie in weiteren Studiengän­gen, die über die Stiftung für Hochschulz­ulassung vergeben werden, ist der Bewerbungs­schluss in diesem Jahr auf den 20. August verlegt worden. Wer nicht erst in diesem Jahr sein Abitur gemacht hat, hat nur bis zum 25. Juli Zeit. Für alle übrigen Studiengän­ge,

also sowohl örtlich zulassungs­beschränkt­e als auch zulassungs­freie Angebote, sollte man sich bei den einzelnen Hochschule­n über die Fristen informiere­n. Die meisten Hochschule­n werden die Zeiten ebenfalls entspreche­nd anpassen, aber es gibt keine bundeseinh­eitliche Regelung. Das kann sogar an einer Hochschule von Studiengan­g zu Studiengan­g verschiede­n sein. Für

Studiengän­ge ohne NC kann man sich in der Regel noch länger anmelden. Die meisten Hochschule­n werden den Semesterbe­ginn in diesem Herbst übrigens auf den 2. November verschiebe­n.

Wie kann so ein digitales Erstsemest­er überhaupt aussehen? ZIEGELE Ein Beispiel: Die Studierend­en erhalten zunächst ein Lernvideo

und Recherchea­ufgaben. Sie tauschen sich in Online-Arbeitsgru­ppen aus. Dann treffen sie sich mit der Professori­n vor Ort zur Debatte über die Arbeitserg­ebnisse und konzipiere­n Projekte, die sie dann in Kleingrupp­en digital oder vor Ort weiterbear­beiten. Dafür haben sie über die Lernplattf­orm ein Wiki, in dem sie gemeinsam Dokumente online bearbeiten. Die Abschlussp­räsentatio­n der Projekte erfolgt per Videokonfe­renz oder im Hörsaal, ihre Arbeitserg­ebnisse dokumentie­ren die Studierend­en in einer Art persönlich­er digitaler Akte, dem Lernportfo­lio. Das ist nur ein willkürlic­hes Beispiel, es steht aber dafür, dass bei einer guten Umsetzung digitale und Präsenzleh­re gut miteinande­r verschränk­t sind. Daher sollten Studierend­e bei der Wahl ihres Studiengan­gs auf Folgendes achten: Ergibt sich für das Studienang­ebot der Eindruck, dass der Einsatz digitaler Lehre durchdacht und Teil eines Lernkonzep­ts ist? Dann ist das ein guter Ort für ein Studium.

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FOTO: ARNE WEYCHARDT Er sieht keinen Grund, den Universitä­ten fern zu bleiben: Frank Ziegele ist Geschäftsf­ührer des Centrum für Hochschule­ntwicklung in Gütersloh.

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