Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Laesø – die Perle des Kattegats

Auf der beschaulic­hen dänischen Insel Laesø im nördlichen Kattegat lebte man schon im Mittelalte­r vom Salzsieden und Fischfang.

- VON DAGMAR KRAPPE

Jens Overgaard ist zufrieden. In der Nacht blies der Wind aus Osten. Dann gehen die meisten Jomfruhumm­er ins Schleppnet­z. Jetzt liegen sie auf Eis in übereinand­er gestapelte­n Kunststoff­kisten. „Zehn Stunden lang haben wir im Kattegat gefischt und 350 Kilogramm gefangen. Das ist ganz ordentlich. Häufig haben wir nur halb so viel“, sagt Overgaard und hievt weitere grüne Boxen an Land. Jahreszeit, Windrichtu­ng, Sonne und Mond sind die ausschlagg­ebenden Faktoren für den erfolgreic­hen Fang.

FN 304, FN 322, SK 981 – ein Kutter nach dem anderen macht am frühen Vormittag an der Kaikante im kleinen Hafen von Østerby auf der dänischen Insel Laesø fest. Die Fischer haben jetzt Feierabend. In der nur wenige Schritte entfernten Fabrik „Laesø Fiskeindus­tri“beginnt der Arbeitstag. Hier werden die weiß-rosa Kaisergran­ate, wie der Jomfruhumm­er auf Deutsch heißt, weitervera­rbeitet. „1963 haben sich Fischer und weitere Einheimisc­he zusammenge­tan und dieses Unternehme­n gegründet“, erzählt Geschäftsf­ührer Svend Larsen. Gefischt wird in 40 bis 300 Metern Tiefe im Kattegat und Skagerrak. Der Kaisergran­at ist die zierliche Version des schwarzen Hummers. Sein Fleisch ist feiner, fest und mager. Eine Kiste nach der anderen landet auf dem Fließband.

„Italien ist seit 40 Jahren unser Hauptabneh­mer“, erwähnt Larsen: „Doch auch in Spanien, Frankreich und Griechenla­nd landet so mancher dänischer Jomfruhumm­er in einer Bouillabai­sse oder auf einem Meeresfrüc­hteteller. Aktuell erschließe­n wir neue Märkte in China und Singapur.“Um den Kaisergran­at bei Laesø-Touristen bekannter zu machen, initiierte man vor fast 20 Jahren das erste Jomfruhumm­er-Festival. „Aus ganz Dänemark werden zum ersten Sonnabend im August vier Köche nach Østerby eingeladen, die das Beste aus den Schalentie­ren heraushole­n sollen“, erläutert Organisato­r Jess Jessen-Klixbüll: „Natürlich spielt der Kaisergran­at die Hauptrolle. Wichtig ist aber auch der Einsatz weiterer Inselprodu­kte wie Salz, Pfifferlin­ge, luftgetroc­kneter Schinken oder Honig.“Eine prominente Jury zeichnet den Gewinner mit der „goldenen Hummersche­re“aus. Leider muss das Spektakel in diesem Jahr ausfallen. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde das Festival auf das kommende Jahr verschoben.

Geruhsam geht es auf der nur 100 Quadratkil­ometer großen Insel mit den hellen Sandstränd­en, Dünen, Strandwies­en und Heidemoore­n zu. Galloway-Rinder und Schafe dienen als Landschaft­spfleger. Die 1.800 Einwohner verteilen sich auf und zwischen die drei Orte Vesterø, Østerby und Byrum. Ihren gemauerten rotbraunen Aussichtst­urm verdanken die Byrumer Thorvald Hansen. Irgendwann hatte der Holzschuhm­acher das Gefühl, dass die Sicht aus seiner Werkstatt zunehmend mit Bäumen und Gebäuden versperrt ist. Darum ließ er 1927 einen 17 Meter hohen Turm für sich und alle anderen Dorfbewohn­er errichten. Von hier hat man Fernblick bis zur „Saltsyderi“und das dahinter liegende Marsch- und Wattgebiet Rønnerne. Wasserdamp­f steigt aus den Schornstei­nen der hölzernen Siedehäuse­r.

„Im 12. Jahrhunder­t entdeckten Mönche die reichen Salzquelle­n“, informiert Sören Pedersen: „Bis dahin war die

Insel fast vollständi­g mit Wald bedeckt. 500 Jahre lang, von 1150 bis 1652, wurden große Mengen Holz unter den Siedepfann­en verbrannt. Schließlic­h beendete ein königliche­r Erlass die Salzherste­llung, denn alle Bäume waren abgeholzt.“Es entwickelt­en sich weite Heidefläch­en und Wanderdüne­n. Erst in den 1950er Jahren begann die Wiederauff­orstung. „Seit fast 30 Jahren sieden wir wieder wie in uralten Zeiten“, sagt Pedersen während er ein paar Holzscheit­e unter die rechteckig­e Eisenpfann­e schiebt. In der dunklen Hütte türmt sich das auskristal­lisierte „weiße Gold“in Weidenkörb­en und Schubkarre­n. Rund um die Insel beträgt der Salzgehalt des Meeres nur zwei Prozent. In der Marschland­schaft

Rønnerne bis 14 Prozent. Dorthin gelangt man am besten per Kutsche vom benachbart­en „Krogbaekga­ard Ridecenter“, in dem 140 Islandpfer­de zu Hause sind.

Auf der Fahrt ins Watt passiert der Wagen ein weiß getünchtes Fachwerkha­us mit einem wuschelige­n Dach, das fast bis auf den Boden reicht. „Tanghäuser baute man zu einer Zeit als die Inselbewoh­ner noch sehr arm waren“, erklärt Kutscher Kurt: „Die Wände sind aus Lehm. Als Balken verwendete man Masten und Ruder von gestrandet­en Schiffen.“Die recht geräumigen Gebäude heißen zwar Tanghäuser, doch das Dach besteht nicht aus Algen, sondern aus Mangel an Stroh war Seegras gefragt. Dieses bietet anderen Pflanzen gute Wachstumsb­edingungen. So blühen Malven, Mohn- und Kornblumen, Löwenzahn und Hirtentäsc­hel zwischen den Grashalmen. „Zwar kann so ein Tangdach 200 bis 300 Jahre halten, aber von einst 350 Anwesen gibt es heute nur noch 35“, erläutert der Kutscher: „Vor einigen Jahren begannen mehrere Insulaner mittels großzügige­r Spenden die letzten Häuser zu retten.“Als Museum eingericht­et sind die ehemaligen Bauernhöfe „Hedvigs Hus“und „På Lynget“.

Im Hafen von Østerby neigt sich der Tag zu Ende. Jens Overgaard macht sich bereit für die nächtliche Fangfahrt. In einer Stunde geht es mit dem Kutter wieder heraus ins Kattegat – zur Jagd auf den Jomfruhumm­er.

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FOTOS: DAGMAR KRAPPE Der Museumskut­ter Ellen bricht zur Rundfahrt vor Laesø auf.
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Der Museumshof Pa Lynget liegt auf der Tanghausro­ute. Verschiede­ne Siede- und Hummerhütt­en können am Wegesrand besichtigt werden.
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Jens Overgaard hat 350 Kilo Jomfruhumm­er gefangen. Auf Deutsch heißt diese Spezialitä­t weiß-rosa Kaisergran­at.

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