Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Die neue Lust auf Wohnwagen
Ferien mit dem Wohnmobil oder dem Wohnwagen am Anhänger haben Konjunktur. Anfänger sollten aber unbedingt einige Experten-Ratschläge beherzigen.
Zwar sind die Grenzen mittlerweile wieder geöffnet, und auch der Deutschen liebstes Reiseziel Mallorca ist wieder in Reichweite. Doch manch einer zieht in Coronazeiten vielleicht eine privatere Atmosphäre im Campingmobil oder Wohnwagen vor. Caravaning-Anfänger sollten allerdings dringend eine Reihe von Dingen beachten.
„Zunächst einmal gilt es, zu überprüfen, ob die Führerscheinklasse überhaupt das Führen des gewünschten Wohnmobils erlaubt“, sagt Bernd Stürmer. Wer nur Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen bewegen dürfe, der müsse sich darüber im Klaren sein, dass Ferien mit einer vierköpfigen Familie im Wohnmobil dann kaum möglich seien. „Das Leergewicht eines Campers mit vernünftiger Ausstattung liegt bereits bei rund 3,2 Tonnen“, sagt der Fachreferent für Fahrzeugtechnik und Fahrzeugprüfung beim Tüv Nord. „Es bleiben also lediglich 300 Kilo für die Reisenden, für Kleidung, Nahrung,
Camping-Utensilien und vielleicht sogar noch Fahrräder. Mehr als zwei Personen sind dann kaum machbar.“
Ist der passende Camper oder ein entsprechender Wohnanhänger schließlich gefunden, sollte man allerdings nicht den Fehler machen, umgehend auf große Tour zu gehen. „Erst einmal gilt es, sich in aller Ruhe mit den – im Vergleich zu einem Pkw – deutlich veränderten Ausmaßen und Fahreigenschaften vertraut zu machen“, sagt Jürgen Bosset. „Wenden Sie sich an einen Fachmann, sprechen Sie zum Beispiel bei einer Fahrschule vor oder buchen Sie vorab ein Praxistraining“, lautet der Rat des Sicherheitstrainers für Caravan-Kurse beim Auto Club Europa (ACE). Solche Trainings bieten neben Clubs wie ACE oder ADAC unter anderem auch Hersteller an.
Wem das, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich sein sollte, dem legt Jost Krüger ans Herz, einen der vielen Verkehrsübungsplätze oder einen großen Parkplatz aufzusuchen. Auch dort sei es möglich, vor
Antritt des Urlaubs ein Gefühl für das neue Fahrzeug zu bekommen, rät der Leiter des Referats Technik & Umwelt beim Caravaning Industrie Verband (CIVD). Wie wichtig dies ist, das belegen die Experten anhand einiger Beispiele. „Es ist nicht nur einmal passiert, dass ein Wohnmobil-Neuling etwa die Höhe seines Fahrzeugs falsch eingeschätzt und sich bei einer Durchfahrt oder bei der Einfahrt in ein Parkhaus das Dach abrasiert hat“, weiß Stürmer. Und Bosset erzählt, dass sogar beim Tanken einiges buchstäblich schief gehen kann. „Der Fahrer hatte die Ausmaße seines Wohnwagens, der nun mal in der Regel breiter ist als ein Pkw, schlicht nicht berücksichtigt“. Beim Anfahren habe der Mann das Pkw-Gespann dann nicht weit genug von der Zapfsäule weggelenkt und so die Säule mit der vorderen Ecke des Wohnwagens beinahe aus der Verankerung gerissen. Krüger weist allerdings darauf hin, dass es sich dabei um spektakulär anmutende Einzelfälle handelt. „Von der knappen halben Million Kraftfahrzeug-Unfälle
mit Personenschaden in Deutschland im Jahr 2018 entfielen weniger als 0,2 Prozent auf Reisemobile oder Pkw-Caravan-Kombinationen.“Freizeitfahrzeuge seien sowohl bei der Betrachtung der absoluten Anzahl an Unfällen als auch im Hinblick auf fahrleistungsbezogene Unfallrisiken als überaus sicher einzustufen.
Während die demolierte Zapfsäule wohl das Resultat von Unerfahrenheit war, können aber auch vom Fahrer unverschuldete, systemimmanente Gefahrensituationen auftreten. „Kritisch werden kann es auf Brücken, in Waldgebieten oder beim Überholen von Lkws“, warnt Bosset, der Fahrer müsse hier ganz besonders auf Seitenwind gefasst sein. „Viele Wohnmobile basieren auf Nutzfahrzeugen, und ein Nutzfahrzeug hat nun mal eine völlig andere Fahrdynamik als ein Pkw“, sagt Stürmer. Deshalb gelte es, den Fahrstil stets anzupassen, etwa bei der Kurvengeschwindigkeit oder beim Bremsen.
Gefürchtet selbst bei erfahrenen Gespann-Fahrern sind das
Aufschaukeln und das Schlingern des Wohnanhängers. Beides kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass das Gespann in voller Fahrt kippt – mit meist fatalen Folgen. „Kommt es zum Aufschaukeln, gibt es nur eine einzige Lösung“, sagt Stürmer. „Nur ein beherzter Tritt auf die Bremse, um sofort Geschwindigkeit abzubauen, hilft dann noch.“Alles andere, etwa, dass man im Gegenteil sogar Gas geben solle, sei definitiv falsch. „Da sind tatsächlich die kuriosesten Geschichten im Umlauf“, betont auch Bosset. Daher gilt: „Gerät der Hänger ins Schlingern, sofort Gas weg und bremsen.“
Wer gar nicht erst in eine derart bedrohliche Situation kommen will, der sollte schon vor Reiseantritt Gegenmaßnahmen treffen. „Die so genannte Antischlingerkupplung unterdrückt Schwingungen und Nickbewegungen des Anhängers, da durch Betätigen eines Stabilisierungsgriffs spezielle Reibbeläge an die Anhängekupplung des Pkw gepresst werden“, lautet Krügers Empfehlung.
Überhaupt verfügen moderne Reisemobile und Caravans über eine Vielzahl an modernen Fahrassistenzsystemen, vom Spurhalteassistent über Tempomat bis zur Rückfahrkamera, die die Fahrsicherheit deutlich erhöhen.
Ebenfalls unbedingt sicherheitsrelevant und leicht umzusetzen, da sind sich die drei Experten einig, ist die Art und Weise, wie Wohnmobil und Wohnwagen beladen werden. „Durch das richtige Beladen lässt sich die Straßenlage positiv beeinflussen“, sagt Stürmer. „Und richtiges Beladen ist das Beladen, das den Schwerpunkt des Fahrzeugs so tief wie möglich hält“.
Bossets Einmaleins des Caravaning-Beladens sieht deshalb aus wie folgt: „In die oberen Regale, die aus Platzgründen in Wohnmobilen zahlreich verbaut sind, gehören möglichst leichte Gegenstände, etwa Wäsche, während man Geschirr oder Küchenmaschinen besser weiter unten verstaut“. Krüger empfiehlt, das Gepäck gleichmäßig auf der gesamten Fahrzeugfläche zu verteilen.