Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Nachricht angekommen?
Es gibt zu viele Kanäle zum Kommunizieren – und ständig ist das Postfach voll.
Früher, als die Welt übersichtlich war, hatte jede Wohnung einen Briefkasten. In digitalen Zeiten trägt jeder Mensch mindestens ein Dutzend Briefkästen bei sich, die rund um die Uhr kontrolliert werden müssen. Mein hypernervöses Alarmsystem schreit: „Könnte etwas Wichtiges sein”, während die Lebenserfahrung seufzt: „Ist es aber nicht.” Leider gewinnt meistens der Alarm. Dieses Internet, eigentlich erfunden, um mein Leben zu erleichtern, sorgt zuverlässig für Kommunikationschaos. Die Söhne kommunizieren über Whatsapp, der eine via Sprachnachricht, weil man da nicht schreiben muss. Wenn nun der Große nach einer schnellen Algebra-Nachhilfe verlangt, während der Kleine das Nachhausekommen hinauszögern will, bin ich schon auf zwei Kanälen aktiv, in verschiedenen emotionalen Zuständen. Algebra-Nachhilfe ist von Ernst geprägt, während Verhandlungen übers Nachhausekommen vom Kind absichtsvoll im Unklar-Spaßigen gehalten werden. Gleichzeitig fragt die Gattin, die sich vor Jahren an das Medium E-Mail gewöhnt hat, was sie zum Abendbrot mitbringen soll. Und dann ist da noch der Kollege, der über den Facebook-Messenger pausenlos mittelkomische Filme schickt, während ich denke, es sei was Berufliches. Derweil meldet mein Laufkumpel über seinen bevorzugten Kanal SMS, dass sich unsere Verabredung um eine halbe Stunde nach hinten verschiebt. Der moderne Tag besteht vor allem daraus, Postfächer zu checken. Und immer diese Unsicherheit: Habe ich was übersehen? Weil zu viele Mitteilungen in zu vielen Kanälen jeweils eine Bestätigungs-, Erklärungs- oder Vermisstenmeldung brauchen, ist der Tag schnell rum. Ich weiß aber immer noch nicht, was ich heute Abend kochen soll.
Der Journalist Hajo Schumacher schreibt hier über seine Entdeckungsreise in der digitalen Welt. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de