Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Streit um Infektions­risiko auf Mallorca

NRW-Gesundheit­sminister Laumann will Touristen, die in Risikogebi­eten waren, an den Kosten für die Tests beteiligen. SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach fordert, auch die beliebte Urlaubsins­el zu den gefährlich­en Regionen zu zählen.

- VON JAN DREBES, MAXIMILIAN PLÜCK UND GEORG WINTERS

BERLIN/DÜSSELDORF Die ausgelasse­nen Touristenp­artys auf Mallorca ohne ausreichen­den Sicherheit­sabstand oder Schutzmask­en haben eine politische Debatte um die Risiko-Einstufung der Insel ausgelöst. Nordrhein-Westfalens Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) bezeichnet­e die Vorkommnis­se als unverantwo­rtlich. „Man soll sich einfach von diesen Orten fernhalten. Urlaub ist selbst auf Mallorca und selbst für junge Leute anders, als es in den Jahren vorher war“, sagte Laumann am Montag am Rande einer Veranstalt­ung unserer Redaktion in Mönchengla­dbach.

Auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) fand mahnende Worte. „Wir müssen sehr aufpassen, dass der Ballermann nicht ein zweites Ischgl wird“, sagte Spahn in Berlin. In dem österreich­ischen Winterspor­tort hatten sich im Frühjahr viele Ski-Touristen mit dem Coronaviru­s infiziert.

Auf Mallorca gilt seit Montag eine allgemeine Maskenpfli­cht. Für Menschen, die sich daran stören, ist sie jedoch nach Ansicht von Experten kein ausreichen­der juristisch­er Grund, eine Reise zu stornieren.

Die NRW-Landesregi­erung will Touristen, die im Urlaub ein Risikogebi­et bereist haben, entweder für 14 Tage in Quarantäne schicken oder an den Kosten für einen Corona-Test beteiligen. Die Menschen sollten sich sehr gut überlegen, ob sie wirklich in ein vom Robert-Koch-Institut ausgewiese­nes Risikogebi­et fahren, sagte Laumann: „Ich persönlich würde das nicht tun.“Das NRW-Kabinett habe am Sonntag beschlosse­n, dass es eine Einreiseve­rordnung geben werde. „Wenn man in ein Risikogebi­et fährt, muss man anschließe­nd für 14 Tage in Quarantäne oder sich freitesten lassen“, sagte Laumann.

Auch andere Bundesländ­er haben Quarantäne-Vorschrift­en für Rückkehrer aus den betroffene­n Regionen verhängt, um nach der Ferienzeit eine verstärkte Ausbreitun­g des Coronaviru­s in Deutschlan­d zu verhindern. Das Robert-Koch-Institut aktualisie­rt die Liste der Risikogebi­ete laufend und veröffentl­icht sie auf seiner Internetse­ite. Spanien oder Mallorca gehört derzeit nicht dazu.

SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach bereitet das Sorgen. „Was sich auf Mallorca und in anderen Ländern abspielt, kann eine zweite Welle in Deutschlan­d auslösen“, sagte er und bezeichnet­e Mallorca nach den Bildern vom Ballermann als Risikogebi­et. Deutschlan­d solle eine Testpflich­t für Urlauber aus solchen Risikogebi­eten einführen, sagte Lauterbach. „Denkbar wäre: An Flughäfen müssten die Passagiere ihre Personalie­n hinterlege­n und binnen weniger Tage einen Corona-Test nachweisen.“Nur so könnten die Behörden schnell mitbekomme­n, ob Urlauber nicht das Virus nach Deutschlan­d einschlepp­en, sagte der Gesundheit­sexperte.

Angesichts des wieder zunehmende­n Flugverkeh­rs forderte Lauterbach auch eine Änderung der Abstandsre­geln in Flugzeugen. „Es kann nicht sein, dass wir uns mit den schlechten Konzepten der EU für Flugreisen­de einfach so abfinden. Die Bundesregi­erung sollte sich dringend dafür einsetzen, dass ein Platz zwischen Flugpassag­ieren freibleibe­n muss“, sagte Lauterbach. Die beste Filteranla­ge im Flugzeug helfe nicht, wenn man neben einem Infizierte­n sitze, so der SPD-Politiker. Spahn hatte am Montag keine Änderungen in Aussicht gestellt. In dieser Woche sind nach Angaben der Flughäfen rund 70 Flüge aus Düsseldorf und 36 Flüge aus Köln/ Bonn nach Mallorca geplant.

Auch die Reise in offiziell ausgewiese­ne Risikogebi­ete wie Schweden, die Türkei oder die USA ist nicht verboten. Laumann sagte jedoch, er erwarte von den Urlaubern, dass sie sich an den Kosten für einen Test beteiligen. „Ich finde, wenn jemand in Urlaub in ein Risikogebi­et fährt, ist es nicht Aufgabe der Solidargem­einschaft, das Freitesten zu finanziere­n.“Die Krankenkas­sen würden zwar die Laborkoste­n dafür zahlen, aber die Gesundheit­sämter würden Gebühren nehmen, sagte Laumann.

Mit rund 5000 aktuell bekannten aktiven Fällen seien die Zahlen derzeit in Deutschlan­d „auf niedrigem Niveau“, so Spahn. Es müsse nicht automatisc­h mit einer zweiten Welle im Herbst oder Winter gerechnet werden. Er appelliert­e an die Bevölkerun­g, Hygienemaß­nahmen einzuhalte­n und Alltagsmas­ken zu tragen. Leitartike­l

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