Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Streit um Infektionsrisiko auf Mallorca
NRW-Gesundheitsminister Laumann will Touristen, die in Risikogebieten waren, an den Kosten für die Tests beteiligen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert, auch die beliebte Urlaubsinsel zu den gefährlichen Regionen zu zählen.
BERLIN/DÜSSELDORF Die ausgelassenen Touristenpartys auf Mallorca ohne ausreichenden Sicherheitsabstand oder Schutzmasken haben eine politische Debatte um die Risiko-Einstufung der Insel ausgelöst. Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bezeichnete die Vorkommnisse als unverantwortlich. „Man soll sich einfach von diesen Orten fernhalten. Urlaub ist selbst auf Mallorca und selbst für junge Leute anders, als es in den Jahren vorher war“, sagte Laumann am Montag am Rande einer Veranstaltung unserer Redaktion in Mönchengladbach.
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) fand mahnende Worte. „Wir müssen sehr aufpassen, dass der Ballermann nicht ein zweites Ischgl wird“, sagte Spahn in Berlin. In dem österreichischen Wintersportort hatten sich im Frühjahr viele Ski-Touristen mit dem Coronavirus infiziert.
Auf Mallorca gilt seit Montag eine allgemeine Maskenpflicht. Für Menschen, die sich daran stören, ist sie jedoch nach Ansicht von Experten kein ausreichender juristischer Grund, eine Reise zu stornieren.
Die NRW-Landesregierung will Touristen, die im Urlaub ein Risikogebiet bereist haben, entweder für 14 Tage in Quarantäne schicken oder an den Kosten für einen Corona-Test beteiligen. Die Menschen sollten sich sehr gut überlegen, ob sie wirklich in ein vom Robert-Koch-Institut ausgewiesenes Risikogebiet fahren, sagte Laumann: „Ich persönlich würde das nicht tun.“Das NRW-Kabinett habe am Sonntag beschlossen, dass es eine Einreiseverordnung geben werde. „Wenn man in ein Risikogebiet fährt, muss man anschließend für 14 Tage in Quarantäne oder sich freitesten lassen“, sagte Laumann.
Auch andere Bundesländer haben Quarantäne-Vorschriften für Rückkehrer aus den betroffenen Regionen verhängt, um nach der Ferienzeit eine verstärkte Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland zu verhindern. Das Robert-Koch-Institut aktualisiert die Liste der Risikogebiete laufend und veröffentlicht sie auf seiner Internetseite. Spanien oder Mallorca gehört derzeit nicht dazu.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bereitet das Sorgen. „Was sich auf Mallorca und in anderen Ländern abspielt, kann eine zweite Welle in Deutschland auslösen“, sagte er und bezeichnete Mallorca nach den Bildern vom Ballermann als Risikogebiet. Deutschland solle eine Testpflicht für Urlauber aus solchen Risikogebieten einführen, sagte Lauterbach. „Denkbar wäre: An Flughäfen müssten die Passagiere ihre Personalien hinterlegen und binnen weniger Tage einen Corona-Test nachweisen.“Nur so könnten die Behörden schnell mitbekommen, ob Urlauber nicht das Virus nach Deutschland einschleppen, sagte der Gesundheitsexperte.
Angesichts des wieder zunehmenden Flugverkehrs forderte Lauterbach auch eine Änderung der Abstandsregeln in Flugzeugen. „Es kann nicht sein, dass wir uns mit den schlechten Konzepten der EU für Flugreisende einfach so abfinden. Die Bundesregierung sollte sich dringend dafür einsetzen, dass ein Platz zwischen Flugpassagieren freibleiben muss“, sagte Lauterbach. Die beste Filteranlage im Flugzeug helfe nicht, wenn man neben einem Infizierten sitze, so der SPD-Politiker. Spahn hatte am Montag keine Änderungen in Aussicht gestellt. In dieser Woche sind nach Angaben der Flughäfen rund 70 Flüge aus Düsseldorf und 36 Flüge aus Köln/ Bonn nach Mallorca geplant.
Auch die Reise in offiziell ausgewiesene Risikogebiete wie Schweden, die Türkei oder die USA ist nicht verboten. Laumann sagte jedoch, er erwarte von den Urlaubern, dass sie sich an den Kosten für einen Test beteiligen. „Ich finde, wenn jemand in Urlaub in ein Risikogebiet fährt, ist es nicht Aufgabe der Solidargemeinschaft, das Freitesten zu finanzieren.“Die Krankenkassen würden zwar die Laborkosten dafür zahlen, aber die Gesundheitsämter würden Gebühren nehmen, sagte Laumann.
Mit rund 5000 aktuell bekannten aktiven Fällen seien die Zahlen derzeit in Deutschland „auf niedrigem Niveau“, so Spahn. Es müsse nicht automatisch mit einer zweiten Welle im Herbst oder Winter gerechnet werden. Er appellierte an die Bevölkerung, Hygienemaßnahmen einzuhalten und Alltagsmasken zu tragen. Leitartikel