Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Duda, der Freischwimmer
Polens Präsident könnte sich nach seinem Sieg in der Stichwahl von der rechtsnationalen Regierung lösen.
WARSCHAU Andrzej Duda strahlte über die volle Breite seiner Wangen und jubelte. „Es lebe Polen“, rief er wieder und wieder, im Chor mit seinen Anhängern. Eine tonnenschwere Last schien da in der Wahlnacht vom polnischen Präsidenten abgefallen zu sein. Dabei gab es dafür zunächst kaum einen Grund. Die ersten Prognosen zeigten einen hauchdünnen Vorsprung für den rechtskonservativen Amtsinhaber. Erst am Montag herrschte Klarheit: Duda hatte die Stichwahl gegen seinen liberalen Herausforderer Rafal Trzaskowski tatsächlich mit 51,1 Prozent gewonnen.
Haften blieben jedoch die Szenen aus der Nacht. Wie der 48-jährige Duda, umrahmt von Ehefrau Agata und Tochter Kinga, die Hände der beiden Frauen in den Himmel hob. Und wie er sich unerwartet für seine Ausfälle entschuldigte: „Ich bitte alle um Verzeihung, die sich von mir verletzt gefühlt haben, nicht nur im Wahlkampf, sondern während der zurückliegenden fünf Jahre.“Seine gesamte erste Amtszeit nahm der Präsident da in den Blick, die ihm den Spitznamen „Kugelschreiber“einbrachte, weil er anstandslos alle Gesetze unterschrieb, die ihm die Regierung vorlegte.
Sicher, es waren seine eigenen Leute von der rechtsnationalen PiS, die da regierten. Aber der Präsident verfügt in Polen über ein starkes Vetorecht. Duda hätte also mitgestalten können, wenn er nur „etwas Mut und Rückgrat“gehabt hätte, wie es Herausforderer Trzaskowski im Wahlkampf formulierte. Das saß. Duda konterte mit Hass und Häme. Er schloss sich der Äußerung eines PiS-Abgeordneten an, Homosexuelle und Transgender seien keine Menschen, sondern Verfechter einer „neobolschewistischen Ideologie“. Und dann waren da noch die Deutschen, die sich angeblich in den Wahlkampf einmischten, weil sie den polnischen Präsidenten am liebsten selbst bestimmen würden. Die Angriffe auf die Nachbarn im Herzen Europas müssen vor allem Dudas Frau Agata geschmerzt haben, die Tochter des Dichters Julian Kornhauser, eine Germanistin. Auch sie hielt in der Wahlnacht eine Rede und schlug friedfertige Töne an. Sie versicherte Trzaskowski ihre Wertschätzung.
Dudas Tochter ergriff in der Nacht ebenfalls das Wort. Sie nahm den Vater und überhaupt alle Polen eindringlich in die Pflicht. „Papa, du bist ein guter Mensch“, setzte die 25-Jährige an und versicherte dem Publikum, dass er „die Menschen liebt“. Im Übrigen dürfe Polen aber niemals zu einem Land werden, in dem „irgendjemand Angst hat, auf die Straße zu gehen, unabhängig davon, was er glaubt, welche Hautfarbe er hat oder wen er liebt. Wir sind alle gleich und verdienen den gleichen Respekt.“Kein Rassismus, keine Islamophobie, kein Hass auf Homosexuelle. Das war eine klare Ansage.
Oder war es doch nur ausgefeilte Strategie? Natürlich war manches Show: die Frauen an Dudas Seite, beide in unschuldiges Weiß gehüllt. Und natürlich auch die Schlachtrufe. Aber es könnte doch mehr dahinterstecken, etwas, das auch die vorschnelle, überschießende Erleichterung des Präsidenten in der Wahlnacht erklären würde. Denn Duda wird im August für eine zweite, aber auch letzte Amtszeit vereidigt. Er wird deshalb künftig unabhängiger sein. „Er könnte versuchen, sich freizuschwimmen“, analysierte Peter Oliver Loew, der Chef des Deutschen Polen-Instituts, die Lage am Tag nach der Wahl und prophezeite: „Wir werden auf einen Machtkampf zwischen Duda und Kaczynski zusteuern.“