Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Wenn Sammelkart­en Millionen wert sind

Seit Generation­en begeistern die Bilder von Sportstars Sammler. Und so manches Set kann den Besitzer reich machen.

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R UND GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Voller Vorfreude reißen Millionen Kinder und Erwachsene während Welt- oder Europameis­terschafte­n die kleinen Stickertüt­chen auf. Hoffen, dass unter den fünf Aufklebern endlich der noch fehlende ist, um eine Mannschaft zu vervollstä­ndigen – noch besser ein Glitzerbil­d oder der Lieblingss­pieler. Die Sammelbild­er mit den Porträts der Fußballer werden für viel Fans mindestens alle zwei Jahre zu einer besonderen Leidenscha­ft. Seit 40 Jahren gehören die Panini-Alben zu großen Turnieren dazu. Ob in Italien, der Heimat des Unternehme­ns Panini, in Deutschlan­d, England oder Brasilien – das Sammelfieb­er hat sich seit 1970 weltweit verbreitet.

Panini ist nicht irgendein Abziehbild. Es beginnt alles im italienisc­hen Modena. 1961. Die Brüder Guiseppe und Benito Panini bringen das erste Sticker-Album mit italienisc­hen Fußballman­nschaften auf den Markt. Zwei Jahre später hat das Unternehme­n bereits 29 Millionen Tütchen mit den begehrten Bildchen zum Einkleben verkauft. Anno 2006 waren es zur WM alleine in Deutschlan­d 120 Millionen, weltweit wurden mehr als 800 Millionen produziert. Im Stammsitz in Modena werden in Hochphasen jeden Tag 13 Millionen Tütchen zur Auslieferu­ng abgepackt. Dort wurden auch die Bilder für das Jubiliäums-Album von Fortuna Düsseldorf produziert, das die Rheinische Post gemeinsam mit dem Verein im Frühjahr 2020 herausgege­ben hatte.

In mehr als 120 Ländern sammeln, tauschen und handeln Fans bei Weltmeiste­rschaften die Sticker. Auf Schulhöfen, in Büros und Stammtisch­runden wird um fehlende Bilder gefeilscht. Da gehen dann auch schon mal fünf nicht so gefragte Spieler für den Top-Star über den Tisch - alles, um am Ende des Turniers ein möglichst komplett gefülltes Album sein Eigen nennen zu können. Beim ersten WM-Album 1970 zum Turnier in Mexiko waren noch 271 Sticker dafür nötig, bei der WM 2018 waren es 681.

Der eigene Freundeskr­eis reicht auch deswegen vielen nicht mehr zum Tauschen aus. Online oder als Event in Vereinshei­men haben sich

Tauschbörs­en etabliert. So legt dann so manches Bild noch mal hunderte Kilometer per Post zurück und wird schon sehnsüchti­g erwartet – um sich in ein paar Jahren vielleicht als wahrer Schatz zu erweisen.

Eine italienisc­he Ausgabe des WM-Albums von 1970 wurde für 3000 Euro versteiger­t. Damals waren nur zwei Bilder in jeder Tütet und die Sammelbild­er erschienen nur in wenigen Ländern. Deutschlan­d war noch nicht dabei – dafür vier Jahre später, passend zur WM im eigenen Land, die dann auch noch mit dem Titel für das DFB-Team endete. Vollständi­ge Alben von 1974 sind inzwischen übrigens bis zu 1000 Euro wert. Das liegt auch daran, dass einige Sammler und Investoren die Hefte als Geldanlage sehen. Sie hoffen, dass sich der Wert in den nächsten Jahrzehnte­n noch weiter steigert. Allerdings gilt das derzeit vor allem für Ausgaben von 1970 bis 1982. Danach

beginnt es weniger lukrativ zu werden, weil zu viele Bilder noch auf dem Markt sind. In Tauschbörs­en sind Hefte, in die noch nichts geklebt wurde besonders beliebt – und bei denen auch noch der Bestellsch­ein in der Mitte vorhanden ist.

Ein Sammler der ersten Stunde hatte besonders viel Glück. Er ließ sich sein Album von der brasiliani­schen Fußballleg­ende Pele signieren. Bei einer Auktion brachte das Heft von der WM 1970 12.000 Euro ein. Und das ist es, was die Alben so interessan­t für Sammler macht: Sie sind sporthisto­rische Zeitzeugni­sse, Fan-Devotional­ien und in einigen Fällen besondere Einzelstüc­ke zugleich. Nicht jede Sammlung ist gleich ein kleines Vermögen wert, aber hier und da erweist sich der Dachboden-Fund doch als wertvoll. Vor allem, wenn hinter einem Bild, einem Heft oder gar dem ganzen Turnier eine besondere Geschichte steckt. Genau das könnte mit der ursprüngli­ch für diesen Sommer geplanten EM passieren. Die ist zwar wegen der Corona-Pandemie auf 2021 verschoben, mehrere Firmen haben ihre Sammelkart­en und -sticker dennoch herausgebr­acht.

Auch andere Sammelbild­er sind in Deutschlan­d bis heute beliebt. Die alten Pappbilder der Firma Americana bringen heute als vollständi­ge Sammlung dreistelli­ge Euro-Beträge ein. Vor allem in den 1970er und 1980er Jahren standen die Karten bei Fans hoch im Kurs – egal ob zur Oberliga Westfalen, der Bundesliga oder der Nationalel­f.

Deutlich verbreitet­er und größer ist die Sammelkart­en-Tradition aber in den USA. Ganze Sammelsets oder auch seltene Einzelkart­en können in den USA Millionen wert sein. Schon im frühen 20. Jahrhunder­t wurden Baseball-Karten produziert und zusammen mit Süßigkeite­n oder Zigaretten­und Kaugummipa­ckungen verkauft. Nach dem 2. Weltkrieg wurde diese Tradition wiederaufg­enommen. Die Bildchen von Baseballer­n, Football-Spielern oder Basketball­ern werden in Hollywood-Filmen zum Objekt der Sehnsucht oder verhelfen zu überrasche­ndem Reichtum. In US-Serien planen Verbrecher immer wieder den perfekten Einbruch, um die wertvollst­e Karte aus dem Vereinsmus­eum zu entwenden.

Aber auch das echte Leben schreibt diese Geschichte­n vom zufälligen Sensations­fund wertvoller Sportsamme­lkarten. So zum Beispiel vor gut acht Jahren in Ohio. Damals entrümpelt­e Karl Kissner den Dachboden seines Großvaters. Irgendwann hielt er einen Karton in den Händen. Darin mehr als 700 Baseball-Sammelkart­en, darunter eine Serie aus dem Jahr 1910. Was Kissner da noch nicht wusste: Diese Serie gibt es nur sehr selten, erst recht in gutem Zustand. Experten schätzten den Wert der gesamten Sammlung auf etwa drei Millionen Dollar.

Unter anderem gehörte Honus Wagner zu den abgebildet­en Baseballer­n. Und das Abbild des Hall-of-Fame-Mitgliedes bescherte nicht nur einmal einem Sammler ein Vermögen. Eine Karte von ihm aus dem Jahr 1909 erzielte schon vor Kissners Fund einen Rekordprei­s für eine Baseball-Sammelkart­e: 2,8 Millionen Dollar legte im Jahr 2007 ein Sammler dafür hin. Die Karte war 1909 eine Beigabe in einer Zigaretten­packung. 2016 brachte eine Wagner-Karte bei einer Auktion gar 3,12 Millionen Dollar ein.

 ?? FOTO: LENA KLIMKEIT/DPA ?? Geschafft! Die Seite mit den Bildern der Spieler der deutschen Nationalma­nnschaft im Panini-Stickeralb­um zur Fußball-Weltmeiste­rschaft 2018 hat dieser Sammler komplettie­rt.
FOTO: LENA KLIMKEIT/DPA Geschafft! Die Seite mit den Bildern der Spieler der deutschen Nationalma­nnschaft im Panini-Stickeralb­um zur Fußball-Weltmeiste­rschaft 2018 hat dieser Sammler komplettie­rt.

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