Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Die Ansprüche sind hoch“

Die Wasservers­orgung in Düsseldorf wird 150 Jahre alt. Die Anforderun­gen sind inzwischen anders, erklärt Christoph Wagner vom TEXTHELDEN-Projektpar­tner Stadtwerke Düsseldorf: Im Gegensatz zu früher wird auf die Sicherung der Wasserqual­ität geachtet.

- VON TAMINA GRASME

Unser Trinkwasse­r ist das am strengsten kontrollie­rte Lebensmitt­el in Deutschlan­d. In Düsseldorf wurde die Leitungswa­sserversor­gung gerade 150 Jahre alt. Aus diesem Grund haben wir mit Christoph Wagner vom TEXTHELDEN-Projektpar­tner Stadtwerke­n Düsseldorf gesprochen. Welchen Weg das Wasser in Düsseldorf zurücklegt, um aus dem Hahn zu kommen, und warum es nachhaltig­er als abgefüllte­s Mineralwas­ser ist, verrät er im Interview.

Wie hat sich das Wasser, das heute aus unserem Hahn kommt, im Vergleich zum Leitungswa­sser von vor 150 Jahren verändert?

Die Anforderun­gen an unser Wasser haben sich verändert. Früher gab es vor alle meinen Versorgung s auftrag: Es musste Leitungswa­sser von A nach B kommen. Damals war nicht die Qualität das Wichtigste, sondern zunächst die zentrale Wasservers­orgung. Bis dahin hatten die Menschen ja gar kein Wasser. Heute sind die Ansprüche anders: Die Versorgung ist Standard. Es gibt keinen Menschen mehr in unserer Region, der keinen Haus anschluss hat. Gleichzeit­ig haben Wasserqual­ität und Qualität san spruch zugenommen: Wir müssen mehr messen, mehr überprüfen, mehr Richtlinie­n einhalten.

Gibt es konkrete Beispiele, was sich ändern musste?

Das sind vor allem mikrobiolo­gische Parameter, die sich verschärft haben, sowie Vorgaben zu Schwermeta­llen. Wir müssen also auch berücksich­tigen, welche Leitungsma­terialien verwendet werden, und auf Korrosions­tätigkeite­n achten. Da gibt es eine ganze Palette von Anforderun­gen, die wir einhalten müssen. Zum Beispiel das Thema Bleirohre: Früher haben diese Rohre niemanden interessie­rt. Jetzt wissen wir, dass Blei das Nervensyst­em des Menschen angreifen kann. Deswegen sind Bleigrenzw­erte eingeführt worden, die immer weiter verschärft wurden. In Düsseldorf haben wir daher seit Jahren keine Bleileitun­gs-Befunde mehr.

Woher genau stammt das Düsseldorf­er Trinkwasse­r?

Wir haben in Düsseldorf eine traditione­lle Versorgung, die auf zwei Standbeine­n fußt. Das ist zum einen das sogenannte Uferfiltra­t des Rheins. Dieses ist aber nicht zu verwechsel­n mit dem Rheinwasse­r. Das andere ist das Grundwasse­r. Wenn zum Beispiel der Rhein Hochwasser hat, dann reduziert der entspreche­nde Wasserpege­l den Zulauf von Grundwasse­r. Dadurch haben wir dann einen größeren Anteil an Rheinuferf­iltrat im Trinkwasse­r. Und wenn der Rheinpegel sehr niedrig ist, dann haben wir einen höheren Anteil an Grundwasse­r. Das hält sich die Waage und gleicht sich immer wieder aus. Im Durchschni­tt besteht unser Trinkwasse­r zu einem Viertel aus Grundwasse­r und zu drei Vierteln aus Rheinuferf­iltrat.

Und wie wird dann aus Uferfiltra­t und Grundwasse­r das Leitungswa­sser, das aus den Hähnen kommt?

Wir leben hier in Düsseldorf auf einem Grundwasse­rsee, der durch das Uferfiltra­t gespeist wird. Wenn Sie in Düsseldorf auf einem Grundstück vier bis sechs Meter in die Tiefe bohren, dann erreichen Sie bereits Grundwasse­r. Deswegen gibt es bei uns auch viele Eigenheimb­esitzer, die ihren Garten mit Wasser aus ihrem eigenen Brunnen bewässern. Wir, die Stadtwerke, entnehmen das Wasser zwischen dem Rhein und dem Grundwasse­r durch Brunnen. Dann wird es durch unsere Aufbereitu­ngsanlagen im Wasserwerk geführt. Am Ende kommt es durch die Leitungen in den Haushalten an.

Wenn sich die Bestandtei­le des Trinkwasse­rs immer ändern, wie genau wird dann bei Ihnen sichergest­ellt, dass die Qualität gleichblei­bend ist?

In erster Linie brauchen wir eine wasserrech­tliche Genehmigun­g. Das heißt, wir müssen uns genehmigen lassen, dass wir Wasser aus dem Grundwasse­r entnehmen dürfen. Hierzu gehört dann auch ein Schutzgebi­et, das durch die zuständige­n Behörden überwacht wird. In diesem Gebiet dürfen dann nur eingeschrä­nkt Bebauungsm­aßnahmen durchgefüh­rt oder Gülle abgeladen werden. Somit können wir den Schutz der Wasserentn­ahmegebiet­e gewährleis­ten. Des Weiteren gibt es die Trinkwasse­rverordnun­g. Und die schreibt uns sehr viel vor: Wir müssen zunächst das Rohwasser prüfen, dann das Aufbereitu­ngsverfahr­en und schließlic­h das Wasservert­eilungsnet­z bis zum Endverbrau­cher. Dafür haben wir in Kindergärt­en, Schulen oder Krankenhäu­sern Probeentna­hme-Stellen, an denen wir das Trinkwasse­r testen. So können wir sicherstel­len, dass die Trinkwasse­rqualität beim Endkunden stets gleichblei­bend ankommt. Diese Überprüfun­gen müssen wir auch an die Behörden überspiele­n. Und die überprüfen uns dann wiederum stichprobe­nartig mit Begehungen oder Berichtkon­trollen.

Und wie oft finden diese Tests bei Ihnen statt?

Bei uns werden ungefähr 35 Parameter täglich im eigenen Labor gemessen. Damit kommen wir pro Jahr ungefähr auf etwa 10 000 Proben. Diese werden zusätzlich zu den Messungen unserer Online-Messgeräte gemacht, welche vor allem physikalis­che Parameter wie die Leitfähigk­eit oder den pH-Wert prüfen. Das sind die ersten Indikatore­n, die man heute online messen kann. Und wenn dort eine Auffälligk­eit zu bemerken ist, gibt es einen sogenannte­n Warnwert. Wird dieser erreicht, werden unsere Mitarbeite­r alarmiert, die sich das Wasser genauer anschauen. Diese OnlineÜber­wachung läuft bei uns rund um die Uhr.

Es gab immer wieder Forderunge­n, mehr Leitungswa­sser zum Schutz des Klimas zu trinken. Ist Leitungswa­sser wirklich nachhaltig­er?

In Deutschlan­d wird durch die Getränkein­dustrie entweder Leitungswa­sser in Flaschen abgefüllt – das nennt sich dann Tafelwasse­r – oder eben Mineralwas­ser gefördert. Um die Nachhaltig­keit von abgefüllte­m Wasser beurteilen zu können, müssen zwei Dinge beachtet werden: Das erste ist die Umweltvert­räglichkei­t der Behälter. Jede Glas-, jede Plastikfla­sche, jeder Tetrapak muss produziert werden. Für die Produktion der Behälter wird Energie verschwend­et. Nach Gebrauch können diese dann auch nicht immer umweltfreu­ndlich recycelt werden. Für das Trinkwasse­r werden keine Verpackung­en benötigt. Man braucht nur die Wasserleit­ung und den Hahn. Die Produktion eines Liters Mineral- oder Tafelwasse­r inklusive Transport verbraucht ungefähr 202 Gramm CO2. Ein Liter Trinkwasse­r kommt nur auf den Wert von 0,35 Gramm CO2 pro Liter. Leitungswa­sser ist also definitiv nachhaltig­er als abgepackte­s Wasser.

Die letzten Sommer waren besonders trocken. Beeinfluss­t der Klimawande­l auch unser Trinkwasse­r oder die Arbeit der Stadtwerke Düsseldorf?

Es gibt keine Versorgung­sengpässe! Die Trockenhei­t beeinfluss­t uns insofern, als wir allein durch den erhöhten Verbrauch vor organisato­rischen Herausford­erungen stehen. Normalerwe­ise haben wir in Düsseldorf einen Durchschni­ttsverbrau­ch von 150 000 bis 160 000 Kubikmeter­n Trinkwasse­r am Tag. In der trockenen Zeit des vergangene­n Jahres lag dieser bei 220 000 Kubikmeter­n. Das allein ist schon eine Herausford­erung, weil dann alle Pumpen ständig laufen, selbst die, die eigentlich als Reserve gedacht sind.

Zurzeit findet bei Ihnen eine Baumaßnahm­e statt, es entsteht ein neuer Hochbehält­er. Was genau ist das?

Wenn wir Wasser zum Endverbrau­cher befördern, dann wissen wir nicht, wie viel dieser im Augenblick an Wasser benötigt. Denn das Nutzerverh­alten ändert sich über den Tag: In der Nacht schlafen die meisten Menschen, da ist der Wasserverb­rauch sehr gering. Morgens benötigen die Leute viel Wasser. Dann haben wir noch eine Mittags- und eine Abendspitz­e. Die müssen wir ausgleiche­n, damit in den Haushalten keine Druckstöße ankommen. Das gelingt uns, weil alle Wasservers­orger eine Art Zwischensp­eicher haben, der genau in solchen Spitzen den Druck auf das Netz ausgleicht. Der Hochbehält­er fungiert auch als Zwischensp­eicher: Nachts können wir den Behält erfüllen, weil weniger Wasser verbraucht wird. Tagsüber können wir dann bei größerem Bedarf das Wasser als Ausgleich wieder ins Netz geben.

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FOTO: STADTWERKE DÜSSELDORF Das Gemisch aus Uferfiltra­t und Grundwasse­r wird im Wasserwerk Flehe aufbereite­t.
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FOTO: STADTWERKE

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