Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Steiniger Weg ans schnelle Netz
Seit beinahe zehn Jahren läuft das Projekt, die Rhewum GmbH ans schnelle Internet anzuschließen. Nun gibt es endlich eine Lösung.
REMSCHEID Eine handgeschriebene Auflistung liegt vor Carsten Spratte. „Das ist die Chronologie der Versuche, die Firma ans schnelle Netz zu bekommen“, sagt der Mitarbeiter der Rhewum GmbH. Seit beinahe zehn Jahren läuft das Projekt. Doch wegen der ungünstigen Lage des Unternehmens in Lüttringhausen sind alle Vorstöße gescheitert – bislang. Nun zeichnet sich allerdings eine Lösung ab, die den Siebmaschinenhersteller infrastrukturell in die Gegenwart befördern würde.
Das Firmengelände an der Rosentalstraße macht einen modernen Eindruck. 2019 wurde das Hauptgebäude saniert. Ein Verwaltungsbau sowie das Technikum entstanden bereits 2018 neu, berichtet Kira Pelz. Sie ist bei Rhewum für das Marketing verantwortlich. Nicht auf der Höhe der Zeit sind allerdings die Kupferkabel, die das Unternehmen mit Internet versorgen. Die Geschwindigkeit liegt Spratte zufolge bei 10 Megabit pro Sekunde in Upund Download. Bis 2015 waren in beide Richtung nur zwei Megabit möglich.
„Beide Werte sind für ein produzierendes, Gewerbesteuer zahlendes Unternehmen im Jahr 2020 nicht mehr tragbar“, betont Carsten Spratte. Das haben die Rhewum-Verantwortlichen nicht zuletzt während der Corona-Krise bemerkt, wenn das Bild bei Video-Konferenzen ruckelte. Auch unabhängig von den pandemiebedingten Einschränkungen läuft die Auftragsabwicklung mit internationalen Kunden heutzutage online. Große Datenpakete, etwa mit Konstruktionsplänen, werden verschickt. Und das dauert bei Rhewum. „Die Zeit haben wir nicht“, betont Spratte. Kira Pelz ergänzt: „Wir sind mächtig eingeschränkt.“
Das Problem ist nicht neu. Dementsprechend lange läuft die Suche nach einer Lösung. „Bisher war es immer so: Es gab Kontakt zu einem Internetanbieter, sie wollten uns anschließen, bis rauskam, dass die Kosten dafür zu hoch sind“, sagt Spratte. Neunmal sei das der Fall gewesen. Die Anbieter wollten den Anschluss nicht übernehmen, auch Rhewum waren die Ausgaben von knapp 85.000 Euro zu hoch. Ein weiteres Problem waren behördliche Auflagen, weil die Leitung die Bahnlinie
unterqueren muss. Im Laufe des Prozesses bat das Unternehmen laut eigenen Aussagen die Verwaltungsspitze mehrfach um Hilfe, eruierte, ob man bestehende Leerrohre oder den Anschluss der benachbarten Firma Dirostahl nutzen könnte – ohne Erfolg. „Das war schon frustrierend. Überall wird vom Breitbandausbau berichtet, aber hier, mitten in der bergischen Industrieregion, kommt man einfach nicht weiter. Man fühlt sich von der Politik vergessen“, blickt Spratte zurück.
Nach fast zehn Jahren hat nun dem 46-Jährigen zufolge 1&1 Versatel eine für beide Seiten akzeptable Lösung gefunden, Rhewum ans schnelle Netz anzuschließen. Zum Jahresende sollen den rund 120 Mitarbeitern bis zu 1000 Megabit pro Sekunde zur Verfügung stehen. „Das erleichtert uns die Kommunikation mit unseren Vertriebsbüros in den USA und Indien deutlich“, sagt Spratte. Auch die Zusammenarbeit mit Kunden wird verbessert. Unterlagen, Daten oder Erklärvideos erreichen zukünftig deutlich schneller ihr Ziel.
Das könnte Christian Marré zufolge demnächst auch bei bis zu 729 anderen Betrieben in Remscheid der Fall sein. Sie gelten als unterversorgt. 23 Millionen Euro stellen Bund, Land und Telekom bereit, um diese „weißen Flecken“verschwinden zu lassen. Die Förderrichtlinien sind bei der Firma Rhewum dem städtischen Gigabitkoordinator zufolge auf dem Papier nicht erfüllt. Anders ist das bei 6294 Haushalten, 37 Schulen und 26 sonstigen Institutionen. Sie profitieren vom Programm zum Breitbandausbau. Voraussetzung ist, dass die Eigentümer dem Anschluss ihrer Immobilie ans schnelle Netz zustimmen. Die Bauphase hat inzwischen begonnen. Mit der Walter-Hartmann-Grundschule, der Grundschule Eisernstein sowie dem Leibniz-Gymnasium fanden die ersten Arbeiten an Remscheider Schulen statt.
Bis Mitte 2022 läuft das Projekt der Telekom in Remscheid. Christian Marré zufolge stehen weitere Vorstöße für Gewerbegebiete und „graue Flecken“, Haushalte ohne gigabitfähiges Netz, quasi in den Startlöchern. Deshalb empfiehlt er Firmen, die mit ihrer Anbindung unzufrieden sind, mit der Stadt in Kontakt zu bleiben. Die Rhewum GmbH hat das Problem auf eigene Faust gelöst. „Wir sind guter Dinge, dass es hoffentlich beim zehnten Anlauf endlich gelingt“, sagt Kira Pelz: „So weit waren wir noch nie.“