Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Glutnester schnell ersticken“

Niedersach­sens Innenminis­ter hält eine Studie zu Rechtsextr­emismus bei der Polizei für geboten. Nur so sei es möglich, antidemokr­atisches Verhalten aufzudecke­n.

- JAN DREBES FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Herr Pistorius, Sehen Sie angesichts des jüngsten Berichts zu Rechtsextr­emismus in Sicherheit­sbehörden ein strukturel­les Problem mit Rassismus?

PISTORIUS Nein. Der Bericht belegt, dass es kein strukturel­les Problem gibt. Aber er zeigt eben auch, dass es durchaus Fälle gibt, die uns zu Wachsamkei­t mahnen. Offensicht­lich gibt es immer wieder Glutnester antidemokr­atischen Verhaltens, die wir schnell erkennen und ersticken müssen. Vor allem müssen wir daran arbeiten, dass diese gar nicht entstehen. Wir nennen das in Niedersach­sen „Stärkung der demokratis­chen Resilienz“. Das heißt, dass wir unsere Polizistin­nen und Polizisten vom ersten Tag an immunisier­en wollen gegen antidemokr­atisches, rassistisc­hes und extremisti­sches Verhalten. Das fängt in der Polizeiaka­demie an und geht bis zum täglichen Einsatz, wenn wir dafür sorgen, dass Kolleginne­n und Kollegen beispielsw­eise nicht über Jahre die gleichen Deliktsber­eiche bearbeiten sollen. Also die richtigen Rahmenbedi­ngungen schaffen.

Sie wollen mit anderen SPD-Innenminis­tern zeitnah eine Studie starten. Setzen Sie damit den Bundesinne­nminister unter Druck? PISTORIUS Der Vorschlag, den ich meinen SPD-Kollegen gemacht habe, nimmt die gute Idee der Gewerkscha­ft der Polizei auf, die tägliche Arbeit der Polizei ganz praktisch zu betrachten. Also: Welche Faktoren können Fehlverhal­ten begünstige­n? Hier fasst sich die Politik also an die eigene Nase und schaut, ob Rahmenbedi­ngungen verbessert werden müssen. Das ist eine Studie die – zumindest in Niedersach­sen – recht schnell an den Start geht. Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler werden dafür die Polizei beim Einsatz vor Ort in einer qualitativ­en Studie strukturie­rt begleiten. Die andere Idee ist, eine mehrjährig­e Studie über die gesamte Gesellscha­ft zu legen – also über die Polizei hinaus. Beides sollte aus meiner Sicht mit möglichst vielen Ländern durchgefüh­rt werden, aber nicht daran scheitern, wenn sich nicht alle anschließe­n. Eine gute Handvoll würde auch genügen. Ich glaube, es würde helfen, bald und profession­ell unter den genannten verschiede­nen Gesichtspu­nkten einen gründliche­n Blick auf den polizeilic­hen Alltag zu werfen – auch deshalb, weil die besonders polizeikri­tischen Kreise in unserer Gesellscha­ft uns vorwerfen würden, wir schieben das alles auf die „lange Bank“, indem wir uns auf die große Studie beschränke­n, die nun mal Jahre braucht, wie die Wissenscha­ftler sagen. Und es eröffnete eben auch die Chance, alles in den Blick zu nehmen – also auch die Wechselwir­kung verschiede­ner Momente untereinan­der, wie Belastung, Gewalt gegen Polizei, einseitige Erfahrunge­n zu betrachten.

Haben Sie bereits Signale aus anderen Landesregi­erungen ohne SPD-Beteiligun­g erhalten, dass sie mitmachen wollen?

PISTORIUS Ich denke, dass auch die Union und der Bundesinne­nminister mittlerwei­le einsehen, dass wir die Sicherheit­sbehörden mit diesem Vorgehen aus der Defensive bringen und sie stärken. Bei mir kommt auf jeden Fall an, dass einige Kollegen der Union sich mittlerwei­le durchaus auf uns zu bewegen. Auch Herr Reul schließt sich unter dem Druck der Ereignisse in NRW ja mittlerwei­le dieser Idee an. Besonders freue ich mich aber über den Vorschlag der GdP in diesem Zusammenha­ng, weil ich von Anfang an gesagt habe, dass wir so etwas nur mit den Interessen­vertretung­en an unserer Seite machen sollten. Deshalb wird die GdP zu diesem Thema auch zu Gast in Braunschwe­ig auf der nächsten SPD-Innenminis­terkonfere­nz sein.

 ?? FOTO: A. KREBS ?? Boris Pistorius
FOTO: A. KREBS Boris Pistorius

Newspapers in German

Newspapers from Germany