Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Glutnester schnell ersticken“
Niedersachsens Innenminister hält eine Studie zu Rechtsextremismus bei der Polizei für geboten. Nur so sei es möglich, antidemokratisches Verhalten aufzudecken.
Herr Pistorius, Sehen Sie angesichts des jüngsten Berichts zu Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden ein strukturelles Problem mit Rassismus?
PISTORIUS Nein. Der Bericht belegt, dass es kein strukturelles Problem gibt. Aber er zeigt eben auch, dass es durchaus Fälle gibt, die uns zu Wachsamkeit mahnen. Offensichtlich gibt es immer wieder Glutnester antidemokratischen Verhaltens, die wir schnell erkennen und ersticken müssen. Vor allem müssen wir daran arbeiten, dass diese gar nicht entstehen. Wir nennen das in Niedersachsen „Stärkung der demokratischen Resilienz“. Das heißt, dass wir unsere Polizistinnen und Polizisten vom ersten Tag an immunisieren wollen gegen antidemokratisches, rassistisches und extremistisches Verhalten. Das fängt in der Polizeiakademie an und geht bis zum täglichen Einsatz, wenn wir dafür sorgen, dass Kolleginnen und Kollegen beispielsweise nicht über Jahre die gleichen Deliktsbereiche bearbeiten sollen. Also die richtigen Rahmenbedingungen schaffen.
Sie wollen mit anderen SPD-Innenministern zeitnah eine Studie starten. Setzen Sie damit den Bundesinnenminister unter Druck? PISTORIUS Der Vorschlag, den ich meinen SPD-Kollegen gemacht habe, nimmt die gute Idee der Gewerkschaft der Polizei auf, die tägliche Arbeit der Polizei ganz praktisch zu betrachten. Also: Welche Faktoren können Fehlverhalten begünstigen? Hier fasst sich die Politik also an die eigene Nase und schaut, ob Rahmenbedingungen verbessert werden müssen. Das ist eine Studie die – zumindest in Niedersachsen – recht schnell an den Start geht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden dafür die Polizei beim Einsatz vor Ort in einer qualitativen Studie strukturiert begleiten. Die andere Idee ist, eine mehrjährige Studie über die gesamte Gesellschaft zu legen – also über die Polizei hinaus. Beides sollte aus meiner Sicht mit möglichst vielen Ländern durchgeführt werden, aber nicht daran scheitern, wenn sich nicht alle anschließen. Eine gute Handvoll würde auch genügen. Ich glaube, es würde helfen, bald und professionell unter den genannten verschiedenen Gesichtspunkten einen gründlichen Blick auf den polizeilichen Alltag zu werfen – auch deshalb, weil die besonders polizeikritischen Kreise in unserer Gesellschaft uns vorwerfen würden, wir schieben das alles auf die „lange Bank“, indem wir uns auf die große Studie beschränken, die nun mal Jahre braucht, wie die Wissenschaftler sagen. Und es eröffnete eben auch die Chance, alles in den Blick zu nehmen – also auch die Wechselwirkung verschiedener Momente untereinander, wie Belastung, Gewalt gegen Polizei, einseitige Erfahrungen zu betrachten.
Haben Sie bereits Signale aus anderen Landesregierungen ohne SPD-Beteiligung erhalten, dass sie mitmachen wollen?
PISTORIUS Ich denke, dass auch die Union und der Bundesinnenminister mittlerweile einsehen, dass wir die Sicherheitsbehörden mit diesem Vorgehen aus der Defensive bringen und sie stärken. Bei mir kommt auf jeden Fall an, dass einige Kollegen der Union sich mittlerweile durchaus auf uns zu bewegen. Auch Herr Reul schließt sich unter dem Druck der Ereignisse in NRW ja mittlerweile dieser Idee an. Besonders freue ich mich aber über den Vorschlag der GdP in diesem Zusammenhang, weil ich von Anfang an gesagt habe, dass wir so etwas nur mit den Interessenvertretungen an unserer Seite machen sollten. Deshalb wird die GdP zu diesem Thema auch zu Gast in Braunschweig auf der nächsten SPD-Innenministerkonferenz sein.