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Vier Milliarden Euro für grüne Energie
Bis 2050 muss die Wirtschaft klimaneutral produzieren. Bei einem Wasserstoffgipfel in Düsseldorf versprechen Konzernlenker daher hohe Investitionen in Projekte. Doch ohne staatliche Hilfe gelingt die Energierevolution nicht.
DÜSSELDORF Die Landesregierung hat den Unternehmen Landesmittel für die Umrüstung auf Wasserstofftechnologie zugesagt. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sagte bei einem branchenübergreifenden Strategiegespräch mit den Vorstandschefs mehrerer großer NRW-Konzerne wie zum Beispiel Thyssenkrupp, Evonik, RWE und Rheinmetall: „Wir werden sicherlich die Konjunkturprogramme von EU und Bund durch landesbezogene Maßnahmen ergänzen. An der Landesregierung werden die Projektumsetzungen nicht scheitern. Wir wollen ein Maximum der Mittel nach NRW holen.“Wie hoch die Staatshilfen ausfallen werden, dazu hielten sich die Beteiligten bedeckt. Pinkwart bezog sich bei seinen Ausführungen auf 13 verschiedene Projekte, die die beteiligten Firmen in einem gemeinsamen Strategiepapier skizziert haben und am Montag der Öffentlichkeit präsentierten.
Wasserstoff wird durch Elektrolyse unter Verwendung von elektrischem Strom aus Wasser hergestellt – er dient damit als Energiespeicher und kann etwa bei der Stahlherstellung oder mithilfe von Brennstoffzellen zum Antrieb von Lkw oder Zügen verwendet werden.
Bei der Vorstellung des Papiers ließ Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) keinen Zweifel daran, dass er schnelle Ergebnisse sehen will. „Wir wollen jetzt konkret mit ein paar Dingen sehr schnell beginnen.“Noch in diesem Jahr soll es ein weiteres Treffen mit den Beteiligten geben, bei dem die verschiedenen Projekte überprüft und gegebenenfalls angepasst würden, versprach er. Zudem will das Land am 9. November eine eigene „Roadmap Wasserstoff“vorlegen.
Die größte Schwierigkeit für NRW dürfte dabei die Beschaffung des Wasserstoffs sein. Pinkwart zufolge müssen 90 Prozent importiert werden. Gigantische Mengen sind nötig, um etwa die Stahl- und Aluminiumproduktion komplett mit Wasserstoff zu betreiben. Zwar verfügt NRW nach Angaben von Laschet mit mehr als 240 Kilometern Pipeline bereits über das größte Netz in Deutschland, ausreichen dürfte das jedoch nicht. Eine zentrale Rolle könnte dabei unter anderem Italien spielen. Das Land habe gute Kontakte zu mehreren nordafrikanischen Ländern, hatte Laschet jüngst nach einem Gespräch mit Italiens Premier Giuseppe Conte erläutert. Beide Politiker hatten sich dabei für eine stärkere Kooperation ihrer Länder beim Thema Wasserstoff ausgesprochen. Die Idee: Mithilfe von Sonnenenergie könnten Länder wie Libyen, Tunesien oder Marokko Wasserstoff herstellen und ihn dann nach Europa verkaufen.
Es gehe darum, wie die nordrhein-westfälische Wirtschaft den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht werden könne, ohne die Wettbewerbsfähigkeit aufzugeben, sagte Laschet mit Blick auf das Strategiepapier. Bis 2050 muss die Wirtschaft komplett klimaneutral produzieren. „Es ist ein Alleinstellungsmerkmal, dass wir die gesamte Wertschöpfungskette hier in NRW haben, aber sie bröckelt“, sagte der Unternehmerpräsident von NRW, Arndt Kirchhoff. Es gehe darum, alles zu tun, dass NRW Industrieland bleibe. Laschet verwies auf die Arbeitsplätze: „Dass die Automobilzulieferindustrie von Arbeitsplatzverlust bedroht ist, spüren wir
Andreas Pinkwart NRW-Wirtschaftsminister
allerorten. Wir werden den hohen Beschäftigungsstand im Industrieland nur erhalten, wenn wir uns hier transformieren und die notwendigen Technologien nutzen.“
Doch damit die Umstellung gelingt, ist Geld nötig. Sehr viel Geld. Fraglich ist beispielsweise, wie ein ums Überleben kämpfender Industrieriese wie Thyssenkrupp massive Umrüstungsinvestitionen überhaupt stemmen kann. Konzernchefin Martina Merz bezifferte die Kosten der Transformation auf zehn Milliarden Euro bis 2050 allein für Thyssenkrupp. „Tatsächlich ist es so, dass wir in den Rahmenbedingungen an mehreren Stellen Unterstützung brauchen.“Damit das EU, Bund und Land leichter fällt, wurden die 13 Projekte als Impuls ins Leben gerufen. Unternehmerpräsident Kirchhoff hofft, dass sich weitere Unternehmen anschließen.
Rheinmetall will sich nach Angaben seines Vorstandschefs Armin Papperger unter anderem für die Datensicherheit der Wasserstoffinfrastruktur einbringen: Fabriken und vernetzte Industrieproduktionsanlagen, seien in den vergangenen Jahren vermehrt das Ziel von Cyberangriffen gewesen. Zudem plant der Düsseldorfer Technologiekonzern am Flughafen ein eigenes Reallabor: „Der Flughafen kann einer der ersten Abnehmer von Wasserstoff im größeren Umfang werden, da bei Umstellung auf CO2-neutralen Betrieb verschiedene Abnehmer an einer Stelle zusammenkommen und die Nachfrage gebündelt wird“, heißt es in dem Papier. Hans-Toni Junius von der Firma Wälzholz in Hagen erläuterte, wie mithilfe der sogenannten Pyrolyse-Technik Erdgas in Wasserstoff und Graphit aufgespalten werden könne. Eon widmet sich dem Thema, wie man Netze so umrüsten kann, um den reinen Wasserstoff zu transportieren.
„Wir werden sicherlich die Programme von EU und Bund durch eigene Maßnahmen ergänzen“